In Folge 2 unserer Blogserie sprechen wir mit der Leiterin eines Horts aus dem DRK-Kreisverband Halle-Saalkreis-Mansfelder Land e.V. im Süden Sachsen-Anhalts. In der gleichermaßen ländlich wie städtisch geprägten Region engagiert sich der Kreisverband mit einem breiten Spektrum von sozialen Angeboten, u.a. auch vielfältigen Betreuungsangeboten im Kinder- und Jugendhilfebereich. Derzeit ist er Träger von sechs Kindertageseinrichtungen mit ca. 915 Plätzen für Kinder im Alter von zwei Monaten bis 14 Jahren. Vier davon sind Horte mit ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten für Grundschulkinder – allesamt selbstständige Einrichtungen mit jeweils eigener Leitung.
Eine davon ist die Erzieherin Adrienne Jähnig - sie leitet seit Januar 2024 den Hort „Bunte Welt“. Er befindet sich in einem Schulkomplex - bestehend aus einer Grundschule, einer Kooperativen Gesamtschule und einer Sporthalle - in Halle-Neustadt. Hier verfügt der Hort über ein eigenes Gebäude mit verschiedenen Funktionsräumen (wie u.a. einem Atelier oder Freizeitraum), die Grundschulkinder der Klassenstufe 2-6 während der Betreuungszeit zur individuellen Gestaltung ihrer Freizeit nutzen können. Die Klassenstufe 1 wird in den Klassenräumen der ansässigen Grundschule betreut.
In der „Bunten Welt“ werden derzeit 210 Schulkinder betreut – Tendenz wachsend; für diese sind momentan 12 Erzieherinnen (VZÄ) verantwortlich.
In der bundesweiten Qualitätsdebatte zum „Ganztag“, welche Akteure aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft regelmäßig miteinander führen, entsteht zuweilen der Eindruck, der Bildungs- und Betreuungsauftrag der Horte - explizit in Abgrenzung zu dem der Schulen - sei noch unzureichend geklärt. Adrienne Jähnig hingegen hat ein sehr klares Praxis-Verständnis vom Bildungs- und Betreuungsauftrag „ihres Horts“ und dessen pädagogischer Konzeption, die auch öffentlich einsehbar ist:
Für sie ist der Hort primär eine Freizeiteinrichtung für Schulkinder, mit pädagogisch offen und situativ agierenden Fachkräften, in der die Mitsprache und aktive Beteiligung – insbesondere der Kinder im Hortrat, der Eltern im Kuratorium, der Projektarbeit und bei der Suche nach Lösungen explizit erwünscht sind. „Die Bunte Welt“ ist deshalb nicht nur ein Hort für Schulkinder, sondern gleichsam auch als „Kinder-Eltern-Zentrum“ konzipiert. D.h. Eltern sind dazu eingeladen, jederzeit selbst bei einem gemeinsamen Spiel mit dem eigenen Kind oder einer Tasse Kaffee im Hort zu verweilen und den Hortalltag aktiv mitzugestalten.
Die Finanzierung der ganztägigen Schulkind-Betreuungsangebote in den Horten im Kreisverband erfolgt im Wesentlichen über die Elternbeiträge. Deren Satz liegt im Fall der Hortbetreuung bei 60 Euro bei einem 32h/Wochenvertrag. Die Mittagessengebühr erfolgt extern.
Zudem verhandeln die Träger von Horten mit der Kommune einen Kostensatz pro belegtem Platz pro Monat. In diesem Kostensatz sind alle Kosten kalkuliert, die auf den Träger zukommen, und zwar prospektiv (z.B. Personalkosten, Kosten für Fortbildung / Supervision, evtl. Mieten, Büromaterial, Bastel- und Spielmaterial, Investitionskosten, Instandhaltungskosten, Betriebskosten usw.). Dieser Kostensatz gilt i.d.R. für ein Jahr und kann dann neu verhandelt werden, z.B. wenn sich Personalkosten oder Betriebskosten verändern. Teil des Vertragswerkes sind neben den Entgeltvereinbarungen auch Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen.
Eine partnerschaftliche und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Hort und Schule ist eine Grundvoraussetzung für die ganztägige Bildungs- und Betreuungsqualität von Grundschulkindern. Der Hort „Bunte Welt“ strebt diese im Interesse der Kinder an und hat dafür in seiner pädagogischen Konzeption auch einige allgemeine Grundsätze festgelegt: wie u.a. einen ständigen Informationsaustausch zwischen Erziehern und Lehrern über schulische Belange, gegenseitige Unterstützung und Absprachen, regelmäßige Kontakte und Absprachen zwischen Hort- und Schulleitung, die Teilnahme an der Dienstberatung / Fallbesprechung.
Die gute Zusammenarbeit mit der auf dem Gelände befindlichen Grundschule basiert jedoch v.a. auch auf einem Kooperationsvertrag, in dem die der Kooperation zugrundeliegenden Rahmenbedingungen, die Nutzung der Räume und das Setting der Betreuungszeiten rechtlich geregelt sind. Der Vertrag wird jährlich aktualisiert; dadurch kann er immer wieder flexibel an neue Bedarfe, Ansprüche und Regelungen angepasst werden.
Die alljährlich anstehenden Vertragsverhandlungen sind ein wichtiger Motor für einen regelmäßigen Austausch zwischen den Vertragspartnern: dem Schulträger sowie den Schul- und Hortleiter/-innen. Die Kommunikation zwischen diesen läuft – so Adrienne Jähnig - reibungslos und auf Augenhöhe. Hinzu kommt - und auch das ist vermutlich ein wichtiger Erfolgsfaktor für die gute Kommunikation an dem Betreuungsstandort: Der Hort verfügt über einen eigenen Mietvertrag mit der Kommune und ist damit in seiner Raumnutzung und -gestaltung weitgehend unabhängig von der kooperierenden Schule.
Viele Kinder - wenig (bezahlbare) Fachkräfte
Im Hinblick auf die Einführung des GaFöG 2026 hat Adrienne Jähnig aktuell noch die meisten Fragezeichen in Bezug auf die Frage, wie der damit wachsende Personalbedarf in dem Handlungsfeld zukünftig finanziert werden soll.
Weniger Raum - wachsende Risiken
Auch hat sie Sorge, dass mit einem Aufwuchs der Betreuungsplätze die eigenen Spielräume, bzw. die im Hort den Kindern zur Verfügung stehenden Betreuungsräume und -flächen kontinuierlich kleiner werden. Denn damit, so weiß sie aus ihrer langjährigen Erfahrung als Erzieherin, wächst automatisch die Gefahr, dass eine alters- und bedarfsgerechte Betreuungsqualität nicht stabil gewährleistet werden kann und die betreuten Kinder ggf. gravierenden physischen und psychischen Gesundheitsrisiken ausgesetzt werden.
Wachsende Risiken - wenig Zusammenarbeit mit Eltern
Gerade da die Einführung des GaFöG 2026 noch mit einigen ungeklärten Fragen, Ungewissheiten und Risiken verbunden ist, wird eine gute Kommunikation und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Eltern aus Sicht von Adrienne Jähnig immer wichtiger. Im Gegensatz dazu beobachtet sie jedoch zunehmend, dass diese in vielerlei Hinsicht fragiler und weniger selbstverständlich werden. Diese ungünstige Entwicklung nimmt sie als weitere Baustelle im Kontext der Überlegungen, wie eine qualitativ gute, ganztägige Schulkindbetreuung ausgestaltet sein sollte, wahr und treibt sie um.
Plädoyer für ein Platz-Limit
Um eine qualitativ gute, ganztägige Schulkindbetreuung gewährleisten zu können, plädiert Adrienne Jähnig deshalb in erster Linie für ein klares Platz-Limit in den Horten (und sonstigen ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten). Sowie vorzugsweise einen Neubau statt eines Flächenausbaus bestehender Einrichtungen. Nur so kann ihres Erachtens wirksam verhindert werden, dass Horte über 2026 hinaus zu quantitativ maximal ausreizbaren Aufbewahrungsstätten leistungsberechtigter Schulkinder mutieren und das fachliche Mindestniveau sukzessive unterschritten wird.
Mehr gesundheitspädagogische Angebote
Dies v.a. auch vor dem Hintergrund, dass Gesundheitsförderung zu einem immer bedeutsamer werden pädagogischen Auftrag der ganztägigen Bildung und Betreuung, insbesondere von Schulkindern wird. Gerade Schulkinder benötigen zum Ausgleich hoher schulischer Leistungserwartungen und Drucks sowie der schnelllebigen und dynamischen Zeit, in der sie leben, vermehrt Angebote für Ruhe und Achtsamkeit. Hier neue innovative gesundheitspädagogische Konzepte und Projekte zu entwickeln, zu finanzieren und fest im Hortalltag zu etablieren, sieht Adrienne Jähnig als einen zentralen pädagogischen Lösungsweg an. Vor diesem Hintergrund stellt seit einiger Zeit auch der pädagogische Ansatz der Tiergestützten Pädagogik einen konzeptionellen Schwerpunkt der „Bunten Welt“ dar. Dazu zählt derzeit die Ausbildung zum Therapiebegleithundeteams.
In der Entwicklung ebd. Projekte sieht Adrienne Jähnig auch eine klare pädagogische Trennlinie im Bildungsauftrag von Schule und Hort: I.E. ein gemeinsames Bildungskonzept beider Systeme für den Schulkind-Ganztag - wie sonst öfters gefordert – gar nicht erforderlich. Ihr ist es wichtiger, sich jenseits der unterschiedlichen schul- und sozialpädagogischen Bildungsziele über elementare gemeinsame Schnittpunkte zu verständigen. Und diese lassen sich schnell identifizieren und auf einen Schnittpunkt bringen: Die Ausrichtung am Kind. Und damit immer auch an dessen Gesundheit.
Elternarbeit
Zu guter Letzt schließlich wünscht sich Adrienne Jähnig mehr Qualitäts-Anreize und Impulse zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit Eltern. Wenn nach 2026 noch Mittel zur Finanzierung von Fachpersonal in den Horten übrigbleiben sollten, wünscht sie sich für diese Zwecke unbedingt noch eine Hortsozialpädagogin an die Seite.
Im Kleinen sorgt sie selbst jetzt schon mal selbst dafür und plant derzeit, eine ihrer Erzieherinnen explizit in Richtung Elternberatung ausbilden zu lassen. Man sieht - gute Lösungen gibt es immer, man muss sie nur sehen und wollen!