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Sturzprävention im Alter: Mehr Mobilität, weniger Risiken

„Ich will selbstbestimmt und eigenständig in meinem Zuhause leben und meinen Alltag bewältigen können.“ Ein Wunsch, den die meisten Menschen haben und oftmals als Marker für eine gute Lebensqualität gesehen wird. Das Gelingen ist dabei abhängig vom Grad der Selbstständigkeit der Person (und den Unterstützungsmöglichkeiten).

Selbstbestimmt im Alter

Warum Sturzprävention so wichtig ist

Stürze und sturzbedingte Verletzungen gehören zu den häufigsten Ereignissen, die zu Hause lebende ältere Menschen in ihrer Selbstständigkeit bedrohen. Sie sind die Hauptursache für Verletzungen im Alter und ein starker Prädiktoren für den Umzug oder die Einweisung in stationäre Pflegeeinrichtungen. Neben körperlichen Verletzungen können psychische Folgen von Stürzen zu Funktionsverlusten bei grundlegenden und instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens führen. Die hohe Relevanz der Sturzprävention bei älteren Menschen ergibt sich also nicht aus dem Ereignis selbst, sondern aus den potentiellen physischen, psychischen und sozialen Sturzfolgen, welche die Selbstständigkeit älterer Menschen gefährden, sowie den daraus resultierenden hohen Gesundheits-/ Pflegekosten für die Gesellschaft.   

Weltweit stürzen rund ein Drittel der über 65-jährigen Menschen mindestens einmal im Jahr. In Deutschland ereignen sich in dieser Altersgruppe jedes Jahr ca. fünf bis sechs Millionen unbeabsichtigte Stürze. Mit höherem Alter, in anderen Settings (z.B. Notaufnahmen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen) bzw. bei spezifischen Erkrankungen/Syndromen (z.B. Demenz, Parkinson, Schlaganfall) erhöht sich das Risiko. Im Zuge des demografischen Wandels ist demzufolge anzunehmen, dass die Zahl stürzender älterer Menschen weiter zunehmen wird und somit Maßnahmen zur Sturzprävention noch mehr an Bedeutung gewinnen. 

Die gute Nachricht ist: Es gibt effektive Maßnahmen, um Stürze und sturzbedingte Verletzungen zu reduzieren. Diese verbessern zugleich die Mobilität und Funktionalität und in Folge die Selbstständigkeit und Lebensqualität älterer Menschen. Ein körperliches Training gilt als das Schlüsselelement einer erfolgreichen Sturzprävention. Durch ein gezieltes Training kann die Sturzrate um bis zu 50 % reduziert werden Es bedarf jedoch der richtigen Inhalte und  der passenden Dosis). 

Rolle der aktivierenden Hausbesuche in der Sturzprävention

Aktuell besteht ein erhebliches Versorgungsdefizit an adäquaten Präventionsangeboten. Es bietet sich deswegen an, Sturzpräventionsangebote in bestehende Bewegungsangebote für ältere Menschen zu integrieren. Die Aktivierungscoaches (ehrenamtliche Besucherinnen und Besucher) des DRKs sind bereits jetzt direkt an der Zielgruppe tätig und deswegen wichtige Akteure, wenn es um das Erkennen sturzgefährdeter Personen, sowie der Prävention von Stürzen und deren Folgen geht. 

Sturzgefährdung erkennen

Im Bereich der aktivierenden Hausbesuche ist damit zu rechnen, dass die meisten Klientinnen und Klienten ein erhöhtes Sturzrisiko haben. Aktivierungscoaches sollten sich dabei aber nicht auf ein Bauchgefühl verlassen. Nur durch eine objektive Risikoeinschätzung können Maßnahmen gezielt angewendet werden. Zusätzlich erhöht eine gute Risikoeinschätzung die Sicherheit während des Hausbesuchs und Ressourcen können besser eingeteilt werden, z. B. bei der Entscheidung, wie viel zusätzliche Unterstützung bei der Aktivierung benötigt wird. Die frei verfügbaren Empfehlungen der Bundesinitiative Sturzprävention (BIS, www.bundesinitiative-sturzpraevention.de – das DRK ist Mitglied der BIS) beinhalten einen Algorithmus, um ältere Menschen in drei Sturzrisikogruppen einzustufen: 1) gering, 2) moderat und 3) hoch. Für eine erste Einschätzung empfiehlt die BIS drei Schlüsselfragen: „Sind Sie in den letzten 12 Monaten gestürzt oder gefallen?“ „Fühlen Sie sich beim Stehen oder Gehen unsicher?“, „Haben Sie Bedenken zu stürzen oder zu fallen?“. Werden alle Fragen verneint, handelt es sich um eine Person mit geringem Sturzrisiko. Ist eine Person in den letzten 12 Monaten mehrfach oder aufgrund einer vorübergehenden Bewusstlosigkeit gestürzt, hat sie sich bei einem Sturz verletzt oder war nicht in der Lage selbständig aufzustehen (bzw. lag ≥ 1 Stunde auf dem Boden) oder ist sie gebrechlich (frail) wird sie der Gruppe „hohes Sturzrisiko“ zugeordnet. Zur Differenzierung, ob bei Personen, die eine oder mehrere der Fragen bejaht haben, ein geringes oder erhöhtes Sturzrisiko vorliegt, wird die objektive Bewertung von Gang und Gleichgewicht mittels Messung der Gehgeschwindigkeit oder des Timed Up-and-Go Test empfohlen. 

Die geeignete Aktivierung für die Klientinnen und Klienten Körperliche Aktivität fördern 

Grundsätzlich gilt für alle Risikogruppen: Das Erreichen eines angemessenen Levels (unspezifischer) körperlicher Aktivität hat viele positive körperliche und psychische Auswirkungen, welche für ältere Menschen bedeutend sind. Für ältere Personen, die bisher wenig körperlich aktiv waren, ist sogar jede zusätzliche Bewegung mit einem gesundheitlichen Nutzen verbunden! Um jedoch gezielt Stürze und sturzbedingte Verletzungen zu vermeiden, bedarf es eines spezifischen Trainings mit Fokus auf anspruchsvollen Gleichgewichts- und funktionellen Übungen (z. B. Sitz-Stand-Transfer, Gehen unter wechselnden Umweltbedingungen) das mindestens 3mal pro Woche über mindestens 12 Wochen durchgeführt wird. Ein alleiniges Krafttraining, sowie eine reine Erhöhung der allgemeinen körperlichen Aktivität scheint nicht wirkungsvoll zu sein. 

Fordernde Gleichgewichtsübungen und funktionelle Übungen 

Die Herausforderung ist es, das Training ausreichend progressiv zu gestalten und Trainingsreize zu setzen, die zu einer Anpassung führen. Um die Gleichgewichtsübungen effektiv durchzuführen, muss es wackelig sein. Übende sollten sich so wenig wie möglich festhalten und lieber eine leichtere Übung ohne Festhalten durchführen, als eine schwierigere Übung mit Festhalten. Natürlich hat die Sicherheit dabei höchste Priorität. Neben statischen Gleichgewichtsübungen sollte der Fokus so bald wie möglich auf das Üben des dynamischen Gleichgewichts (proaktives, dynamisch-kontinuierliches, reaktives) gelegt werden. Zusätzlich sollten Gleichgewichtsübungen mit Zusatzaufgaben (motorisch, kognitiv, sensorisch) ins Training integriert werden, da dies im Alltag von Relevanz ist. 

Zusätzliche Kraftübungen 

Kraftübungen können zusätzlich durchgeführt werden. In der Sturzprävention ist vor allem die Verbesserung der Schnellkraft von Bedeutung. Bei bereits eingeschränkten Älteren sollte auch ein funktionell orientiertes Maximalkrafttraining stattfinden. Damit die Kraftübungen möglichst exakt durchgeführt werden, sollen die Übenden sich dabei an einem stabilen Gegenstand festhalten (anders als beim Gleichgewichtstraining!). Nach dem Krafttraining ist ein Tag Pause sinnvoll, an dem z.B. Gleichgewichtsübungen durchgeführt bzw. andere Muskelgruppen trainiert werden können. 

Ausreichende Trainingsdosis 

Um die empfohlene Trainingsdosis zu erreichen (3-mal pro Woche über mind. 12 Wochen), sollten die Klientinnen und Klienten zusätzlich zum aktivierenden Hausbesuch trainieren. Um sie dazu zu befähigen, müssen neben der reinen Übungsvermittlung weitere Aspekte besprochen werden, wie die Gewährleistung eines sicheren Trainingsorts und Motivationsstrategien. Gegebenenfalls bietet es sich auch an, Angehörige mit einzubeziehen. 

 

Zusätzliche Maßnahmen für Menschen mit hohem Sturzrisiko bedenken

Zusätzlich zum körperlichen Training könnten bei Personen mit hohem Sturzrisiko weitere Maßnahmen sinnvoll sein (z.B. Anpassung der Medikation, Verbesserung der Sehfähigkeit und/ oder des Gehörs oder eine Umgebungsanpassung). Anders als beim Training, das für sturzgefährdete ältere Personen empfohlen wird, müssen diese Maßnahmen jedoch individuell bestimmt werden. 

Manche Risikofaktoren können  Aktivierungscoaches erheben und bei der Planung und Durchführung ihrer aktivierenden Hausbesuche positiv beeinflussen (z. B. Gibt es Stolperfallen im Trainingsbereich? Werden geeignete Schuhe/Kleidung getragen? Sind Hörgeräte/Sehhilfen vorhanden und sind diese geladen bzw. sauber?). 

Auch bietet sich der aktivierende Hausbesuch an, um Klientinnen und Klienten und ggf. deren Angehörigen bzgl. der Risikofaktoren und möglicher passenden Maßnahmen zu sensibilisieren (z. B. der Einfluss von Medikamenten, Fußproblemen, Schwindel oder Mangelernährung) und auf weiterführendes Material (z. B. kostenlose Broschüren der „Aktion Sicheres Haus“) bzw. Experten zu verweisen (z.B. Haus-/ Augenarzt, Hörakustiker oder Podologen). 

 

Fazit

Die Aktivcoaches des DRKs leisten mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit einen unschätzbaren Beitrag und können wesentlich dazu mitwirken, das Sturzrisiko ihrer Klientinnen und Klienten zu senken und deren Selbstständigkeit zu erhalten oder sogar zu erhöhen. 

 

Ein Gastbeitrag von Michaela Groß  - Physiotherapeutin (M.Sc.) und aktives Mitglied der Bundesinitiative Sturzprävention im Rahmen ihres Online-Vortrags Aktivierender Hausbesuch – “Mobil und sicher im Alter: Sturzprävention im eigenen Zuhause" am 18.10.2024 

 

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