Haushaltskürzungen bedrohen Digitalisierung im sozialen Sektor #SozialkürzungenStoppen

Die geplanten Haushaltskürzungenwerfen einen Schatten auf die Zukunft der Innovation und Digitalisierung in Deutschland. In unserer neuen Blog-Reihe #SozialkürzungenStoppen werfen wir mit Maximilian Kühn und Jasmin Rocha als Erstes einen kritischen Blick auf die Auswirkungen dieser Kürzungen auf Projekte und Initiativen, die darauf abzielen, unsere Gesellschaft zukunftsfit zu machen.

Warum sind Investitionen in Innovation und Digitalisierung so relevant für unsere Gesellschaft?

Die digitale Transformation und Innovationsprozesse in unserer Gesellschaft sind in den vergangenen Jahren mit hoher Geschwindigkeit in einigen Branchen vorangeschritten. Die Bevölkerung und Organisationen investieren viel Geld in Technik und Weiterbildungen, um entweder Teil der Transformation zu sein, im Wettbewerbe Anschluss zu halten oder Mängel dadurch zu kompensieren. Gerade hier sind Fortschritte jedoch mehr als dringend erforderlich.  

Die Entlastungs- und Effizienzpotenziale sind für die DRK-Wohlfahrt nicht von der Hand zu weisen, denn mit eine funktionierenden IT-Infrastrukturen können wir uns hoffentlich diverse Mehrarbeit ersparen und unsere knappen Personalressourcen möglichst optimal einsetzen. Dazu haben wir bspw. den DRK Data Science Hub gegründet. Mit Investitionen in die Wohlfahrt wird es möglich mehr Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen zu unterstützen. Zugleich sollten wir allen Menschen ermöglichen an der digitalisierten Gesellschaft souverän teilzuhaben, denn erst durch jeden Einzelnen als Teil des Ganzen werden die Investitionen Früchte tragen. 

Außerdem braucht es digitalisierte Verwaltung mit besserem und schnellerem Service für Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen wie das DRK. Dort bieten digitalisierte Prozesse, Akten und Kommunikationswege erhebliche Entlastungsmöglichkeiten für ebenfalls knappe Personalressourcen in den Behörden Deutschlands. Eine funktionierende Verwaltung, die nutzerfreundliche und einfache Prozesse ermöglicht, kann auch verlorenes Vertrauen in ihre Arbeit zurückgewinnen.  

Wie bewerten Sie die geplanten Kürzungen im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Die geplanten Kürzungen im Bereich Innovationen und Digitalisierung sehe ich mit Sorge entgegen. Die Kürzungen bei der Verwaltungsdigitalisierung lösten bereits Verschiebungen und Vertagungen bei der Bereitstellung von Online-Lösungen durch Bundesländer aus. Denn auch dort fehlt der Investitionswille für den Einzug in die Champions-League. Die zweite Auflage des Digital-Pakt Schule ist noch nicht in Sicht – kommt vielleicht erst 2025. D.h. weiterhin weiniger Medienpädagogik und weniger Fortschritte bei dem Ausbau der digitalen Kompetenzen in der Gesellschaft.  

Das DRK werden die Kürzungen auch direkt bei der Digitalisierung treffen, da das Förderprogramm Zukunftssicherung der Freien Wohlfahrtspflege durch Digitalisierung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestrichen werden soll. Wir werden aufgrund der Kürzungen unsere Projekte zur Unterstützung der digitalen Transformation im Verband nicht wie in den vergangenen Jahren fortsetzen können. Unsere erfolgreichen Produkte wie DRK-Digital: Der Projektfinder, die DRK-Checks, die Social Innovation Community [sic], das DRK-Tandemprogramm zum eLearning können wir im nächsten Jahre nur mit angezogener Handbremse fortsetzen. Unsere Aufklärungs- und Kommunikationsarbeit innerhalb des Verbandes wird ebenfalls betroffen sein. Wir sind nur eines von vielen Beispielen, wo die Kürzungen des Bundeshaushaltes 2024 deutlich zu spüren sein werden.  

Was braucht es stattdessen?

Die Bundesregierung und der Bundestag sollten die digitale Transformation als eine Schlüsselaufgabe und Zukunftsinvestition erkennen und entsprechend handeln, um 1.) digitale Teilhabe und Souveränität allen Menschen in Deutschland zu ermöglichen und 2.) die positiven Effekte wie Innovationen und mehr Effizienz zu ermöglichen und ggf. sogar auszulösen. 

Zunächst sollte grundsätzlich das geplante Digitalbudget (Zusammenfassung aller Ausgaben) endlich umgesetzt werden, um von dem zentralisiertem Prozessablauf zu profitieren. Anschließend sollten die finanziellen Mittel entsprechend der relevanten Bedarfe auch ausgegeben werden:  

Erstens heißt dies, dass der Ausbau der Breitband- und Glasfaser- sowie Mobilfunk-Infrastruktur schnell und flächendeckend erfolgt. Für letztere ist die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) zuständig, diese hat seit ihrer Gründung 2020 bisher für 25 von 600 förderfähigen Gebieten einen Bescheid ausgestellt (98 ist das Jahresziel der MIG, Stand: 16.10.2023, Link). Wir haben alle positiv gemerkt, dass der Glasfaserausbau zumindest in den Straßen Deutschlands deutlich Fahrt aufgenommen hat – es werden immer mehr Häuser angeschlossen, aber wichtig: nicht unbedingt die Wohnungen. Zugleich können sich viele Menschen in Deutschland einen Glasfaser-Vertrag nicht leisten: Mit 50 bis 80 Euro pro Monat ist Glasfaser für viele Haushalte nicht attraktiv oder bezahlbar (z.B. beim Bürgergeld gibt’s 44,88 Euro für Internet- und Handy-Ausgaben sowie Post). Mehr als 2 Mio. Menschen haben nicht genügend Geld sich überhaupt einen Internet-Anschluss leisten zu können (laut EU-Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen, Link). Das Deutsche Rote Kreuz ist als Teil der Initiative Digital für Alle – das Motto ist genau hier Programm: Wir müssen allen Menschen, die möchten, einen Zugang zum Internet ermöglichen und dürfen niemanden zurücklassen. 

Zweitens müssen die Investitionen in die digitale Bildung und Medienpädagogik massiv ausgebaut werden. Deutschland hat sich verpflichtet bis 2030, dass mindestens 80 Prozent der Bevölkerung über digitale Grundkompetenzen verfügen - heute sind wir bei unter 60 Prozent (Link). Viele Studien, Umfragen und Statistiken zeigen, dass insb. mit niedrigem Einkommen und Bildungsabschluss die digitalen Kompetenzen massiv abnehmen – hier müssen wir gegensteuern. Neben einem starkem Digitalpakt Schule fordert das DRK einen Digitalpakt für Kinder- und Jugendhilfe, sodass wir auch in außerschulischen Einrichtungen mit moderner Technik und medienpädagogischen Elementen die jungen Menschen bei ihrem Weg in der digitalen Transformation unterstützen. Ansonsten lege ich allen Bildungspolitikerinnen und -politiker im Bundestag und in den Bundesländern das Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz nahe – hier sind sehr viele Schritte klar formuliert, wie Deutschland das Bildungssystem digitalisieren sollte (Link). 

Als letztes Beispiel möchte ich die bereiten Reformbedarfe bei Finanzierungsfragen im Raum der Digitalisierung aufgreifen. Neben der Erhöhung des Bürgergeldes, Grundrente und weitere lebenserhaltender Finanzmittel zur Absicherung der digitalen Bedarfe, wie etwa digitale Assistenzsysteme und Endgeräte, braucht es insb. Reformen im Bereich der Sozialgesetzgebung. Im Bereich der Pflege fordern wir die vollständige Refinanzierung der technischen und administrativen Investitionen, die für Teilnahme von Einrichtungen und Diensten an der Telematik-Infrastruktur erforderlich sind. Es fehlt in diversen Paragraphen eine Klarheit zur Förderung und Finanzierung von digitalen Leistungen und Assistenzen. Hier gibt es viele klare Formulierungshilfen und Vorschläge, die juristisch – aber vielleicht nicht politisch – umzusetzen wären. Ich würde mich freuen, wenn Menschen in finanziellen schwierigen Lagen nicht Steine in den Weg gelegt werden, sondern sie durch Reformen auch an der digitalen Transformation umfassend teilhaben können.