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DRK-Migrationsstrategie: soziale und proaktive Mitgestaltung unserer Gesellschaft

Was ist die Migrationsstrategie des DRK, warum brauchen wir sie und wie wurde sie entwickelt? Diese Fragen haben wir Barbara Kurz und Elena Lukinykh (Team Soziale Hilfe und Soziales Ehrenamt) gestellt, die die Entwicklung der DRK-Migrationsstrategie koordiniert haben.


In den letzten Jahren wurde im Deutschen Roten Kreuz die erste Migrationsstrategie für den gesamten Verband entwickelt - ein bedeutender Meilenstein. Nachdem die VG-Bund der Strategie grünes Licht gegeben hat, erhielt die Strategie kürzlich positives Feedback des Präsidiums. Nächste Station ist der Präsidialrat, wohin die Strategie final zur Information geht.   

Fangen wir von vorne an, warum braucht das DRK überhaupt eine Migrationsstrategie?  

Barbara Kurz: Mit der großen Fluchtbewegung in den Jahren 2014 und 2015 hat das DRK gezeigt, dass es in der Lage ist, in Krisen rasch und flächendeckend zu handeln. Das DRK konnte dabei auf seine bundesweiten Strukturen, die fachliche Expertise in der Arbeit mit Migrantinnen und Migranten sowie die professionelle Mobilisierung von Ehrenamt zurückgreifen. Der Verband wurde seinem Anspruch gerecht, Menschen in Not zu helfen – und der Staat wurde erheblich entlastet.  

Wichtig ist es aber auch über die langfristigen Herausforderungen von Flucht und Migration zu sprechen: über Integration, über Spracherwerb, über Arbeitsmarktchancen. Ziel ist es auch nicht nur in Krisen schnell reagieren zu können, sondern Migration unabhängig von Krisen gesellschaftlich mitzugestalten. 


Unsere Arbeit ist zwar stets geleitet von den sieben Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, doch in der langfristigen Arbeit in unserem Bereich fehlte ein gemeinsames Narrativ, das dem größeren strategischen Rahmen des Verbandes gerecht wird. Hierbei steht das Bestreben im Vordergrund, den Bereich Migration gesellschaftlich und proaktiv mitzugestalten, wobei jede strategische Ausrichtung letztendlich immer dazu dient, den Menschen bestmöglich Hilfe anzubieten.  

Was sind die Ziele einer gemeinsamen Strategie?  

B.K.: Das Ziel, dass wir uns für die Erarbeitung der Migrationsstrategie gesetzt hatten, war es verbandspolitische Ziele in der Arbeit im Bereich Flucht und Migration festzusetzen. 

Die Strategie orientiert sich dabei an zwei Leitfragen. Erstens: Wie kann eine Gesellschaft zugewanderte Menschen gut aufnehmen? Und zweitens: Wie sind ein Miteinander und gesellschaftliche Teilhabe für alle möglich? Die nun vorliegende Migrationsstrategie ist ein Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen für den Verband. Unsere Hoffnung ist, dass mit dieser Strategie die Arbeit und das Verständnis im DRK – und in der Gesellschaft – hervorgehoben und gestärkt wird. 

Wir wissen, dass das DRK sich bereits jetzt flächendeckend mit dem Thema Migration auseinandersetzt, durch die Strategie werden nun erstmals verbandspolitische Ziele gesetzt, die die bisherige Arbeit des DRK im Bereich Migration aufgreifen und künftig leiten sollen. 

Übergeordnete Ziele der Migrationsstrategie sind deshalb: 

  • Stärkung der sozialen Infrastruktur sowie der Teilhabemöglichkeiten von Gruppen in einer vulnerablen Lage – das DRK bietet breite Unterstützung und Begegnungsangebote an, um Teilhabe zu ermöglichen. 
  • Beratung, Betreuung oder Begleitung – das DRK unterstützt bedarfsgerecht und an den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe orientiert.  
  • Politische und gesellschaftliche Präsenz - das DRK wird als kompetenter und subsidiärer Partner im Bereich der Migrationsarbeit wahrgenommen. 

Das DRK nimmt sich vor, auch zukünftig in der Gestaltung der Migrationsarbeit als zentraler Akteur aktiv zu sein, Strukturen und Netzwerke weiter zu stärken, Mitarbeitende und Ehrenamtliche zu unterstützen und ihnen Sicherheit im Auftreten zu geben.  

An wen richtet sich die Strategie?  

B.K.: Die Strategie adressiert vorrangig:  

  • Menschen, die Hilfe brauchen,  
  • die aufnehmende Gesellschaft und  
  • DRK-Mitarbeitende sowie Ehrenamtliche, die einen verlässlichen Rahmen für ihr Handeln benötigen 

Wie wurde die Strategie entwickelt?  

Elena Lukinykh: Da die Strategie für den gesamten Verband gelten soll, haben wir dafür gesorgt, dass der Prozess der Strategieentwicklung sehr partizipativ gestaltet wurde.  

Für uns war es entscheidend, eine Strategie zu entwickeln, die nicht in der hintersten Ecke der Rollcontainer landet, sondern praktisch genutzt wird und unsere gemeinsame Arbeit in den kommenden Jahren steuert.


Nachdem die VG-Bund das DRK-Generalsekretariat offiziell beauftragt hat, die Entwicklung einer ersten Migrationsstrategie für den Verband zu koordinieren, haben wir zunächst eine Arbeitsgruppe für die Entwicklung gegründet. Aufgrund der Pandemie wurde der Prozess leicht verschoben, aber im Herbst 2021 setze sich die AG zusammen. Vertreten waren die Mitarbeitenden des Generalsekretariats und der Landesverbände, die hauptsächlich im Bereich Flucht und Migration und sowohl in Deutschland als auch im Ausland arbeiten.  

Die Kernpunkte der Strategie wurden in zwei offenen Workshops im Sommer letzten Jahres vorgestellt, die allen DRK Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen aus allen KV, LV und allen Bereichen des GS offenstanden. Die Strategie wurde auch in mehreren anderen Runden, u.a. beim Wohlfahrtskongress im September 2022, vorgestellt und diskutiert. Wir haben dafür gesorgt, dass der Entwurf der Strategie von verschiedenen Abteilungen des GS (bspw. von den Kolleginnen beim Suchdienst und bei den Bereitschaften) kommentiert wurde – und haben die Rückmeldungen fleißig eingepflegt. Es ist wichtig, dass wir uns alle in der Strategie wiederfinden – das macht die Implementierung für alle viel transparenter und nachvollziehbarer. 

Was findet man in der Strategie? 

E.L.: Für uns in der AG war es wichtig, unsere Mission als DRK in der Strategie zu formulieren. Was bedeuten unsere DRK-Grundsätze für die Arbeit im Themenfeld Flucht und Migration? Es ist wichtig, dass wir zugewanderten Menschen helfen – unabhängig vom Herkunftsland, von der sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen, dem Aufenthaltsstatus oder der Religionszugehörigkeit, allein nach dem Maß ihrer Not. Das spiegelt sich schon jetzt in unseren zahlreichen Angeboten für Migrantinnen, Migranten und Geflüchtete wieder.

Als DRK liegt bei uns ein besonderes Augenmerk auf Gruppen, die in besonders vulnerabler Lage sind.


Als Verband sind wir auch ein bekannter und vertrauter Partner für migrationsspezifische Akteure in der Politik und darüber hinaus.  

Ebenso wichtig war für uns eine gemeinsame Vision für den Bereich Migration zu formulieren: Was wollen wir erreichen? Wie soll die Gesellschaft aussehen und wie wollen wir unsere Angebote weiterentwickeln? Was bedeutet die Vielfalt für uns im DRK – und wie bildet der Verband diese Vielfalt ab? 

In den Kapiteln der Strategie tauchen wir in verschiedene Dimensionen der Migrationsarbeit des DRK ein, wobei wir in gewisser Weise chronologisch den Weg der Zugewanderten in Deutschland verfolgen. Die Dimensionen sind:  

  • Vor einer Ankunft in Deutschland / Migrationsarbeit außerhalb Deutschlands 
  • Ankunft in Deutschland  
  • Unterbringung 
  • Beratungsarbeit 
  • Personalmanagement und Ehrenamt 
  • Finanzierung sozialer Arbeit 
  • Angrenzende Themenbereiche und ihre Berührungspunkte mit Migration 
  • Anwaltschaftliche Vertretung 

In jedem Kapitel beginnen wir mit der Beschreibung, wie wir unsere Arbeit gestalten wollen und kommen dann zu strategischen Zielen für jede Dimension. Jeder Landes- und Kreisverband kann eine oder mehrere Dimensionen finden, die am besten zu seiner aktuellen Arbeit im Bereich Migration passen, und kann somit die Planung seiner zukünftigen Arbeit anhand der Strategie machen. 

Und für wie lange soll die Strategie gelten? 

B.K.: Die Strategie ist für fünf Jahre geplant. Wie bereits erwähnt ist es so, dass dies die erste Strategie für das Themenfeld im DRK ist. Wir wollen diese – gemeinsam mit den Landesverbänden und Kreisverbänden – nun umsetzen. Aufbauend auf dieser Strategie und der Umsetzung können wir unser Verständnis und die Arbeit für jene, die Unterstützung brauchen, stärken, verbessern und bestmöglich versorgen.  

Gab es besondere Herausforderungen bei der Entwicklung der Strategie? Das Themenfeld Flucht und Migration ist ja sehr breit. 

E.L.: Ja, die Entwicklung einer Strategie für eine so große Organisation wie das DRK ist nicht immer einfach und geradlinig. Bei der breiten Palette an unterschiedlichen Angeboten und Themenfeldern des DRK kann eine Herausforderung sein, ein gemeinsames Verständnis über den Bereich Migration hinaus zu verankern. Es kann auch nicht so einfach sein, im Prozess alle mitzunehmen und möglichst viele Stimmen einzufangen – aber umso bereichernder ist es für die Strategie. All das dient letztlich wiederum dazu, die bestmöglichen Angebote für jene zu schaffen, für und mit denen wir arbeiten. 

Bei der Entwicklung der Strategie war es wichtig, die Verbindungen zwischen verschiedenen bestehenden Strategien, z.B. der DRK-Strategie 2030, sowie Strategien und Policies der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung und deren Komponenten (bspw. IFRC Strategie 2030, IFRC Policy on Migration von 2009, IFRC Strategy on Migration 2018–2022, sowie der Globalen Migrationsstrategie der RKRH Bewegung, die zurzeit noch erarbeitet wird), und den ggf. bestehenden Migrationsstrategien der Landesverbände zu erkennen und sicherzustellen, dass sie soweit wie möglich aufeinander abgestimmt sind. 

Wie soll die Implementierung der Strategie erfolgen? Was sind die nächsten Schritte? 

B.K.: Nach Verabschiedung der Strategie kann es nun in den nächsten Schritt übergehen – die Implementierung. Hierfür werden wir wieder gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Landesverbänden und dem Generalsekretariat arbeiten. Im ersten Schritt wird ein Plan erstellt werden mit notwendigen und möglichen Maßnahmen, einem Zeitplan und einem begleitenden Monitoring.  

In die Umsetzung der Strategie wird die vielfältige Expertise verschiedener Bereiche einfließen und wir hoffen, die Ziele der Strategie so weit wie möglich erreichen zu können.  

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass es einige Landesverbände gibt, die bereits damit begonnen haben, die Strategie in ihrer Arbeit umzusetzen - ein großartiges Beispiel! 



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