Anhörung zum PflStudStG im Deutschen Bundestag

Als Sachverständiger im Gesundheitsausschuss - Anhörung zum PflStudStG im Bundestag

Am 27.09.23 fand im Deutschen Bundestag die Anhörung zum Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG) statt, zu der eine Vielzahl von Sachverständigen in den Gesundheitsausschuss eingeladen wurden. Beinahe alle von Rang und Namen waren vertreten: vom DPR, über den DBfK, bis hin zur DGP. Von ver.di und bpa, zu DKG und GKV - alle waren sie da. Mir kam die Ehre zu, gleich in meiner ersten Anhörung im Deutschen Bundestag nicht nur das DRK, sondern die gesamte Freie Wohlfahrtspflege zu repräsentieren. Eine Aufgabe, die definitiv ein Highlight meines bisherigen Berufslebens darstellte.

Akademisierung der Pflege - ein Herzensanliegen

Hierzu muss ich zunächst erklären, dass ich dem Thema Pflegestudium nicht ganz unvoreingenommen gegenüberstehe, bin ich doch selbst beruflich Pflegender (GKP) und studierter Pflegewissenschaftler (MSc). Die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege war mir persönlich stets ein Herzensanliegen, für das ich mich im Verband [1], aber auch schon weit vor meiner Referenten-Tätigkeit im DRK-Generalsekretariat stark gemacht habe [2].

Insofern ging mit meiner Teilnahme an der Anhörung zum PflStudStG im Deutschen Bundestag ein kleiner Traum in Erfüllung, wenngleich ich hier nicht als Privatperson, sondern als Vertreter für die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege eingeladen war. Dementsprechend habe ich hier auch nicht meine Privatmeinung, sondern unsere in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) geeinten Positionen dargestellt, die wir zuvor in einer umfangreichen Stellungnahme [3] formuliert und eingereicht hatten. Und trotzdem: der Magie, die von der Ausschusssitzung ausging, konnte ich mich letztlich nicht vollständig entziehen.

Fehlentwicklungen der Pflegeberufepolitik korrigieren

Entgegen der meisten Industrienationen, in denen die Pflegeausbildung auf einem akademischen Niveau erfolgt, wurden Pflegefachpersonen hierzulande eine lange Zeit ausschließlich beruflich ausgebildet. International besitzen registrierte Pflegende in der Regel einen Bachelorabschluss, an den sich in Folge ein spezialisiertes Masterstudium anschließen kann. Neben einigen Modellprojekten, die in den späten 2000er Jahren begannen, wurde das primärqualifizierende Pflegestudium erst mit dem Inkrafttreten des PflBG im Jahr 2020 etabliert. Aus diesem Grund beziehen sich die meisten, der seit den frühen 1990er Jahren entstandenen Pflegestudiengänge in Deutschland eher auf praxisferne Tätigkeitsfelder, etwa im Pflegemanagement, in der Pflegepädagogik oder aber in der Pflegewissenschaft.

Diese historische Fehlentwicklung in der Professionalisierung der Pflege, die sich m.E. primär über die direkte Pflegepraxis, und nicht das berufsständische Umfeld definieren sollte, könnte sich angesichts der momentan (zu) geringen Auslastung der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge durchaus fortsetzen, sofern das Ruder nicht bald herumgerissen wird. Denn im Mittel sind die Kurse an den jeweiligen Hochschulen nur zur Hälfte besetzt [4]. Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass sich das nicht lange rechnen wird. Insofern ist es gerade fünf vor Zwölf, was die hochschulische Pflegeausbildung angeht, denn diese steht somit kurz vor dem Aus, was wir uns angesichts des bereits jetzt bestehenden Fachkräftemangels, und den für die Zukunft prognostizierten Bedarfen, schon rein quantitativ nicht leisten können.

Darüber hinaus weisen Studien darauf hin, dass der Einsatz von akademisch qualifizierten Pflegenden die medizinisch-pflegerische Versorgung verbessert, bis dahin dass sich die Gesundheitsoutcomes darunter messbar verändern. Am bekanntesten ist sicher die Arbeit von Linda Aiken und Kollegen [5], die im Rahmen des RN4CAST-Projekts publiziert wurde. Demnach haben Patienten in Krankenhäusern, in denen das Pflegepersonal zu 60% aus bachelorqualifizierten Pflegenden besteht, die im Mittel 6 Personen betreuen, ein 30 % niedrigeres Mortalitätsrisiko, als Patienten in Krankenhäusern, in denen sich das Pflegepersonal nur zu 30% aus bachelorqualifizierten Pflegenden zusammensetzt, die im Schnitt 8 Personen betreuen. Auch wenn hier die Einflussvariablen (Qualifikationsniveau und Personalaustattung) nicht trennscharf voneinander unterschieden werden, ist die Senkung des Mortalitätsrisikos um 30% in jedem Fall klinisch relevant.

Das Pflegestudium vom Kopf auf die Füße stellen

Dementsprechend begrüßen wir als BAGFW die im Rahmen des Gesetzesvorhabens geplante Umwandlung des primärqualifizierenden Pflegestudiums in ein vollwertiges duales Studium, sowie die damit verbundene Einführung einer Ausbildungsvergütung sehr, was wir einzelverbandlich teilweise schon seit längerer Zeit fordern. Als DRK haben wir dies immer wieder im Laufe des Beratungsprozesses der Ausbildungsoffensive Pflege thematisiert und aktiv beworben [6, 7], um der hochschulischen Pflegeausbildung vom Kopf auf die Füße zu verhelfen.

Insofern war es mir eine besondere Freude, dass ich dies für die BAGFW in der Anhörung genauso deutlich positionieren durfte. Weitere Schwerpunkte der an die BAGFW gerichteten Fragen der Mitglieder des Deutschen Bundestages bezogen sich auf die Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung nach § 64d SGB V, sowie die Ausbildungssituation in der ambulanten Pflege. Insgesamt, so mein Eindruck, werden die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege im politischen Berlin ernst genommen, und in ihrer Praxisexpertise geschätzt. Dies zeigte nicht nur das parteiübergreifende Interesse an unserer Fachlichkeit, sondern auch das Aufgreifen unserer Positionen im politischen Diskurs.

Die geeinte Bewertung der BAGFW-Verbände zu dem PflStudStG, sowie ausgewählter fachfremder Änderungsanträge kann der gemeinsamen BAGFW-Stellungnahme entnommen werden. Die Sitzung der öffentlichen Anhörung zu dem PflStudStG im Gesundheitsausschuss kann in der Mediathek des Deutschen Bundestages abgerufen werden.

Sachverstand der Freien Wohlfahrtspflege einbinden

Für das nächste Abenteuer der Pflegeberufe, bei dem es sich wahrscheinlich um die Schaffung heilkundlicher Kompetenzen - oder die Etablierung von Community Health Nursing handeln wird [8], erhoffe ich mir dann auch ein wenig mehr Weitsicht der politisch Verantwortlichen. Es muss nicht immer soviel Krimi und Dramatik sein. Es wäre auch vollkommen in Ordnung, wenn die weitere Entwicklung der Pflegeberufe etwas geschmeidiger vorangeht. Die Freie Wohlfahrt steht mit ihrer Expertise für Gespräche zur Verfügung. Und wir als DRK sowieso.

Quellen

[1] Deutsches Rotes Kreuz e. V. (2023). Wege zu Community Health Nursing in Deutschland. Szenarien für die Etablierung eines gemeinde-basierten und gesundheitsfördernden Angebots. Thesenpapier der DRK-Wohlfahrt. Online im Internet.

[2] Hener, C. (2015). Entwicklung und Analyse einer Advanced Practice Nurse Rolle innerhalb des deutschen Primary Care Systems. Bachelorarbeit. Evangelische Hochschule Berlin. Berlin.

[3] Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz – PflStudStG) vom 25.09.2023. Online im Internet.

[4] Meng, M., Peters, M. Dorin, L. (2022). Erste Sondererhebung des BIBB-Pflegepanels. Ein aktueller Überblick zu berufsqualifizierenden Pflegestudiengängen. Online im Internet.

[5] Aiken LH, Sloane DM, Bruyneel L, Van den Heede K, Griffiths P, Busse R, Diomidous M, Kinnunen J, Kózka M, Lesaffre E, McHugh MD, Moreno-Casbas MT, Rafferty AM, Schwendimann R, Scott PA, Tishelman C, van Achterberg T, Sermeus W; RN4CAST consortium. Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European countries: a retrospective observational study. Lancet. 2014 May 24;383(9931):1824-30. doi: 10.1016/S0140-6736(13)62631-8. Epub 2014 Feb 26. PMID: 24581683; PMCID: PMC4035380. Online im Internet.

[6] Stellungnahme des Deutschen Roten Kreuzes und des Verbandes der Schwesternschaften vom DRK zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz – PflStudStG) vom 04. Mai 2023. Online im Internet.

[7] Empfehlungen zu Aufgabenprofilen akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen. Arbeitsgruppe der Ausbildungsoffensive Pflege (2019 - 2023). Veröffentlichung für den 17.10.2023 geplant.

[8] Koalitionsvertrag 2021— 2025. Zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90 / Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP). Online im Internet.