Hierzu muss ich zunächst erklären, dass ich dem Thema Pflegestudium nicht ganz unvoreingenommen gegenüberstehe, bin ich doch selbst beruflich Pflegender (GKP) und studierter Pflegewissenschaftler (MSc). Die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege war mir persönlich stets ein Herzensanliegen, für das ich mich im Verband [1], aber auch schon weit vor meiner Referenten-Tätigkeit im DRK-Generalsekretariat stark gemacht habe [2].
Insofern ging mit meiner Teilnahme an der Anhörung zum PflStudStG im Deutschen Bundestag ein kleiner Traum in Erfüllung, wenngleich ich hier nicht als Privatperson, sondern als Vertreter für die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege eingeladen war. Dementsprechend habe ich hier auch nicht meine Privatmeinung, sondern unsere in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) geeinten Positionen dargestellt, die wir zuvor in einer umfangreichen Stellungnahme [3] formuliert und eingereicht hatten. Und trotzdem: der Magie, die von der Ausschusssitzung ausging, konnte ich mich letztlich nicht vollständig entziehen.
Entgegen der meisten Industrienationen, in denen die Pflegeausbildung auf einem akademischen Niveau erfolgt, wurden Pflegefachpersonen hierzulande eine lange Zeit ausschließlich beruflich ausgebildet. International besitzen registrierte Pflegende in der Regel einen Bachelorabschluss, an den sich in Folge ein spezialisiertes Masterstudium anschließen kann. Neben einigen Modellprojekten, die in den späten 2000er Jahren begannen, wurde das primärqualifizierende Pflegestudium erst mit dem Inkrafttreten des PflBG im Jahr 2020 etabliert. Aus diesem Grund beziehen sich die meisten, der seit den frühen 1990er Jahren entstandenen Pflegestudiengänge in Deutschland eher auf praxisferne Tätigkeitsfelder, etwa im Pflegemanagement, in der Pflegepädagogik oder aber in der Pflegewissenschaft.
Diese historische Fehlentwicklung in der Professionalisierung der Pflege, die sich m.E. primär über die direkte Pflegepraxis, und nicht das berufsständische Umfeld definieren sollte, könnte sich angesichts der momentan (zu) geringen Auslastung der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge durchaus fortsetzen, sofern das Ruder nicht bald herumgerissen wird. Denn im Mittel sind die Kurse an den jeweiligen Hochschulen nur zur Hälfte besetzt [4]. Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass sich das nicht lange rechnen wird. Insofern ist es gerade fünf vor Zwölf, was die hochschulische Pflegeausbildung angeht, denn diese steht somit kurz vor dem Aus, was wir uns angesichts des bereits jetzt bestehenden Fachkräftemangels, und den für die Zukunft prognostizierten Bedarfen, schon rein quantitativ nicht leisten können.
Darüber hinaus weisen Studien darauf hin, dass der Einsatz von akademisch qualifizierten Pflegenden die medizinisch-pflegerische Versorgung verbessert, bis dahin dass sich die Gesundheitsoutcomes darunter messbar verändern. Am bekanntesten ist sicher die Arbeit von Linda Aiken und Kollegen [5], die im Rahmen des RN4CAST-Projekts publiziert wurde. Demnach haben Patienten in Krankenhäusern, in denen das Pflegepersonal zu 60% aus bachelorqualifizierten Pflegenden besteht, die im Mittel 6 Personen betreuen, ein 30 % niedrigeres Mortalitätsrisiko, als Patienten in Krankenhäusern, in denen sich das Pflegepersonal nur zu 30% aus bachelorqualifizierten Pflegenden zusammensetzt, die im Schnitt 8 Personen betreuen. Auch wenn hier die Einflussvariablen (Qualifikationsniveau und Personalaustattung) nicht trennscharf voneinander unterschieden werden, ist die Senkung des Mortalitätsrisikos um 30% in jedem Fall klinisch relevant.
Dementsprechend begrüßen wir als BAGFW die im Rahmen des Gesetzesvorhabens geplante Umwandlung des primärqualifizierenden Pflegestudiums in ein vollwertiges duales Studium, sowie die damit verbundene Einführung einer Ausbildungsvergütung sehr, was wir einzelverbandlich teilweise schon seit längerer Zeit fordern. Als DRK haben wir dies immer wieder im Laufe des Beratungsprozesses der Ausbildungsoffensive Pflege thematisiert und aktiv beworben [6, 7], um der hochschulischen Pflegeausbildung vom Kopf auf die Füße zu verhelfen.
Insofern war es mir eine besondere Freude, dass ich dies für die BAGFW in der Anhörung genauso deutlich positionieren durfte. Weitere Schwerpunkte der an die BAGFW gerichteten Fragen der Mitglieder des Deutschen Bundestages bezogen sich auf die Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung nach § 64d SGB V, sowie die Ausbildungssituation in der ambulanten Pflege. Insgesamt, so mein Eindruck, werden die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege im politischen Berlin ernst genommen, und in ihrer Praxisexpertise geschätzt. Dies zeigte nicht nur das parteiübergreifende Interesse an unserer Fachlichkeit, sondern auch das Aufgreifen unserer Positionen im politischen Diskurs.
Die geeinte Bewertung der BAGFW-Verbände zu dem PflStudStG, sowie ausgewählter fachfremder Änderungsanträge kann der gemeinsamen BAGFW-Stellungnahme entnommen werden. Die Sitzung der öffentlichen Anhörung zu dem PflStudStG im Gesundheitsausschuss kann in der Mediathek des Deutschen Bundestages abgerufen werden.
Für das nächste Abenteuer der Pflegeberufe, bei dem es sich wahrscheinlich um die Schaffung heilkundlicher Kompetenzen - oder die Etablierung von Community Health Nursing handeln wird [8], erhoffe ich mir dann auch ein wenig mehr Weitsicht der politisch Verantwortlichen. Es muss nicht immer soviel Krimi und Dramatik sein. Es wäre auch vollkommen in Ordnung, wenn die weitere Entwicklung der Pflegeberufe etwas geschmeidiger vorangeht. Die Freie Wohlfahrt steht mit ihrer Expertise für Gespräche zur Verfügung. Und wir als DRK sowieso.