Ehrenamtliches Engagement ist ein Grundpfeiler gesellschaftlicher Integration und sozialer Teilhabe. In Deutschland engagieren sich vier von zehn erwachsenen Menschen ehrenamtlich. Allein beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) engagiert sich fast eine halbe Million Menschen. Fast jede zehnte Person über 14 Jahren hat sich in den letzten Jahren für Geflüchtete und Asylsuchende engagiert. Gerade auch viele Menschen mit einer eigenen Migrationsgeschichte engagieren sich auf vielfältige Weise.1
Das DRK hat in diesem Zusammenhang die Programmbereiche "Zusammen stark! – Ehrenamt" und „Zusammen stark! – Empowerment“ ins Leben gerufen, die im Rahmen ehrenamtlicher Integrationsarbeit die Zivilgesellschaft für ein solidarisches Miteinander begeistern und befähigen sollen. Insbesondere der Programmbereich „Ehrenamt“ bot zwischen 2016 und 2022 vielfältige Angebote für die Gewinnung, Unterstützung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen im Bereich Flucht und Integration. Ein Kernziel war die Vereinfachung von Zugängen in das Ehrenamt für Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte. Zum Angebotsspektrum zählten insbesondere Sprache und Sprachmittlung, Beratung und Alltagsbegleitung sowie Begegnung und Austausch. Im Programmbereich „Empowerment“ wurden diese Aspekte im Kontext spezifischer Bedarfe besonders vulnerabler Gruppen betrachtet, um Zugangs- und Teilhabebarrieren abzumildern. In den genannten Handlungsfeldern haben sich der Einbezug und die Befähigung ehrenamtlicher Strukturen besonders bewährt.
Im Jahr 2022 wurden die Programme durch das unabhängige Forschungsinstitut Camino evaluiert.2 Die Programmevaluation »Orte des Ankommens und des Engagements« stellt heraus, dass insbesondere die Mitarbeit und das Engagement von Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte einen erheblichen Beitrag zu gelingender Zielgruppenerreichung und Angebotsgestaltung leisten konnten.
Aus den Erkenntnissen wurden konkrete Empfehlungen abgeleitet, um eine Verstetigung und Stabilisierung solcher Engagementstrukturen zu ermöglichen:
Aus der Reflexion des Evaluationsberichts im Kreis der bundesweiten Projektverantwortlichen aus Kreis- und Landesverbänden sowie dem Generalsekretariat wurde außerdem deutlich, dass gerade auch personelle Kontinuität, geeignete Räumlichkeiten und vernetzte Arbeit wichtig für eine erfolgreiche Arbeit vor Ort sind. So sollten (hauptamtlich) Mitarbeitende sicherstellen, dass zum Beispiel Räumlichkeiten einladend gestaltet und für Ehrenamtliche gut erreichbar sind. In der Vergangenheit bewährte sich die Praxis, Räume gemeinsam mit Ehrenamtlichen und Personen aus der Zielgruppe zu gestalten. Für die Bereitstellung und Gestaltung angemessener Räumlichkeiten sollten unbedingt zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Als Herausforderungen erlebten Projektverantwortliche insbesondere bürokratische Hürden, auch von Seiten des Mittelgebers, sowie häufige Personalwechsel. Lösungsansätze, wie etwa gemeinsame Treffen zu Beginn einer Förderperiode, bei denen alle Formulare mit allen Beteiligten durchgesprochen werden, werden teilweise schon umgesetzt und sollen beibehalten werden.
Weiterhin stellen Fördermittel mit kurzen Laufzeiten (unter drei Jahre), die auch relativ kurzfristig wegfallen können, ein Risiko für die Nachhaltigkeit der Angebote dar. Fachkräfte, die zum Beispiel nur für ein Jahr eingestellt werden können, suchen sich eher wieder eine andere Tätigkeit. Auch der Aufbau eines Projektes ist erstmal aufwändig. Bei einem einjährigen Projekt bleibt kaum genug Zeit, Personal zu finden, einzustellen, einzuarbeiten und die Projektstrukturen selbst aufzubauen, um nachhaltig wirken zu können. Insofern passt die Förderlogik oft nicht zu den tatsächlichen Bedarfen einer langfristig ausgelegten programmatischen Arbeit.
Eine Aufgabe für die Zukunft stellt die kritische Auseinandersetzung mit ungleichen Zugangsmöglichkeiten zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit dar. Nicht alle Personen haben die nötigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Hier braucht es angemessene Angebote und Rahmenbedingungen, um die Zugangsbarrieren zu minimieren.
Eine weitere Herausforderung betrifft das Aufbrechen bestehender thematischer Säulen, auf allen Verbandsebenen des DRK. Wo dies gelingt, arbeiten Personen oft schon seit vielen Jahren miteinander und können an persönliche Beziehungen anknüpfen bzw. haben selbst bereits unterschiedliche Stationen im DRK durchlaufen.
Schließlich besteht eine fortwährende Herausforderung im verbandlichen Wissenstransfer. Wie können Erfahrungen aus einem Projektkontext für andere Kontexte sinnvoll nutzbar gemacht werden? Wie kann ein systematischer Austausch im Verband gestärkt werden? Auch hier kann das Generalsekretariat in Abstimmung mit den Gliederungen eine koordinierende Rolle einnehmen.
Zum Ende des Jahres 2022 wurden die Folgeanträge zur Weiterförderung der Programme durch die Integrationsbeauftragte des Bundes negativ beschieden. Die aus der Programmarbeit und der Evaluation gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen konnten dementsprechend nicht für die Weiterentwicklung der Programme genutzt werden. Sie fließen aber in künftige Strategien und Folgeprojekte ein und werden das DRK somit weiterhin in seiner Arbeit für ehrenamtliches Engagement im Bereich Flucht und Migration begleiten und stärken. Denn klar ist: Nur gemeinsam können wir etwas bewegen und eine solidarische Gesellschaft fördern.
1Vgl. BMFSFJ (2019): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Zentrale Ergebnisse des Fünften Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019), Freiwilliges Engagement in Deutschland (bmfsfj.de) (01.09.2023)
2Kaps, Christina, Imhof, Willi (2023): Orte des Ankommens und des Engagements, Evaluation der DRK-Programmbereiche Zusammen stark! – Ehrenamt und Zusammen stark! Empowerment, Bericht_Zusammen_stark_20230629.pdf (drk-wohlfahrt.de) (01.09.2023)