Die langanhaltende Schließung von Kindertageseinrichtungen und Schulen ist für alle Beteiligten eine neue und herausfordernde Situation. Plötzlich ist die Betreuung von Kindern wieder in die Kleinfamilie verlagert. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen meist ohne informelle Betreuung durch Großeltern, Freunde oder Babysitter. Eltern müssen neben der ganztägigen Betreuung ihrer Kinder weiter ihre Arbeitsleistung erbringen. Einige haben existenzielle Sorgen oder betreuen zusätzlich pflegebedürftige Angehörige. Familien sind auf sich allein gestellt, individuelle Lösungen für das Betreuungsdilemma zu finden. Den meisten Familien gelingt die Bewältigung dieser Herausforderung unter großen Anstrengungen. Finanzielle Absicherung ist auf den Weg gebracht.
Doch niemand weiß, wie lange diese Ausnahmesituation anhält. Am 15.04.2020 haben Bund und Länder entschieden, die Kindertageseinrichtungen zunächst weiter geschlossen zu halten. Die Notbetreuung soll in jetziger Form aufrechterhalten und erweitert werden. Der Schulbetrieb soll ab dem 4. Mai stufenweise zunächst für die Abschlussklassen und die oberste Grundschulklasse starten. Ein Schritt in Richtung Entlastung. Aber auch: Viele, vor allem jüngere Kinder müssen weiter zu Hause betreut werden.
Kinderschutz in Corona-Zeiten besonders wichtig
Die Isolation im engsten Familienkreis, der Wegfall sozialer Kontakte und Ansprechpersonen, räumliche Enge etc. ist für alle Beteiligten ungewohnt und herausfordernd. Die Folgen der Krisenmaßnahmen treffen Kinder und Familien sehr unterschiedlich. Druck, Existenzängste und Konflikte können insbesondere in bereits belasteten Familien in Gewalt gegen Kinder und Jugendliche münden. In der Krise gilt es besonders, den Schutz der Jüngsten im Blick zu behalten und sicherzustellen.
Das ist derzeit doppelt erschwert: Zum einen sind die meisten Beratungsstellen und unterstützende Angebote wie die Tafeln geschlossen. Zum anderen können Mitarbeitende der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Notsituationen nicht mit Vorort-Besuchen begleiten. Sie versuchen, Familien und Kinder bestmöglich zu unterstützen, indem beispielsweise Online-Beratungsangebote ausgebaut werden.
Auch im DRK halten die Mitarbeitenden von Kindertageseinrichtungen und Einrichtungen der Familienbildung, so gut wie möglich Kontakt zu Eltern und Kindern. Viele Kitas versenden regelmäßige Newsletter, Briefe mit Grüßen, Geschichten oder Bastel- und Spielanregungen. Erzieherinnen telefonieren oder chatten mit Kindern und Eltern. Verschiedene neue digitale Online-Angebote für Kinder und Eltern werden von DRK-Einrichtungen entwickelt, zum Beispiel einen Kita-YouTube-Kanal, Audio-Dateien mit Vorlese-Geschichten, Posts auf Instagram, Online-Kurse oder virtuelle Elterncafés. Das alles hilft, um trotz räumlichen Abstands in Beziehung zu bleiben. Das kann Kindern und Eltern ein Gefühl von Kontinuität und Stabilität vermitteln.
Bei allen Angeboten ist es wichtig, so gut wie möglich auf die individuelle Situation von Familien einzugehen. Einige DRK-Kindertageseinrichtungen bieten deshalb telefonische Beratungen an – als Elterntelefon oder eigene Beratungs-Hotline. Diese Angebote arbeiteten eng mit anderen Beratungsstellen zusammen, wodurch bei Bedarf auch eine telefonische Weitervermittlung erfolgen kann. So können mögliche Gefahren in Familien früh erkannt und abgewendet werden.
Sorgearbeit ist systemrelevant
In der aktuellen Corona-Krise wird einmal mehr deutlich, was Erziehende in Institutionen wie Kindertageseinrichtung, aber auch Eltern, Großeltern, Tagesmütter und Babysitter Tag für Tag leisten: wichtige – systemrelevante – Sorgearbeit für unsere Gesellschaft. Das spiegelt sich leider nicht adäquat in Anerkennung, Vergütung und Rahmenbedingungen wider.
Deshalb setzt sich das DRK für Familien- und Fürsorgefreundlichkeit als gesamtgesellschaftliches Ziel ein. In der Broschüre Yes we care! werden gute Rahmenbedingungen für Menschen mit Sorgeverantwortung beschrieben. In Kooperation mit dem Progressiven Zentrum Berlin wurde in drei Expertinnen- und Expertenrunden ein Thesenpapier zur Sorgearbeit der Zukunft erarbeitet. Aktuell geht es darum, bestehende Strukturen in Kindertagesbetreuung und Familienbildung zu sichern, für Finanzierungslücken möglichst flächendeckende und vergleichbare Lösungen zu finden. Damit Kinder und Familien weiter notwendige Unterstützung erhalten können.
Die Krise bietet uns die Chance, informelle und professionelle Tätigkeiten im Bereich der Sorgearbeit als eine zutiefst humane und unentbehrliche Leistung viel stärker als gesellschaftliche Wertschöpfung zu begreifen und entsprechend zu honorieren. Diese Chance sollten wir unbedingt ergreifen.
Informationen für Familien und Kitas in Corona-Zeiten:
- Artikel im Fachkräfteportal: Kinder- und Jugendhilfe ist systemrelevant
- Nationales Zentrum Frühe Hilfen: Übersicht Beratungsangebote für Eltern
- Deutscher Bildungsserver: Tipps für Eltern
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenfürsorge: COVID-19: Tipps für Eltern
- BMFSFJ: "Notfall-KiZ"
- BMFSFJ: Elterngeldanpassung
- Anne Sophie Winkelmann: MachtGeschichten in der Corona-Krise