Erzieher liest Kindern vor
DRK - KiTa Löwenzahn in Großbeeren / Brandenburg: Erzieher beim Vorlesen aus dem Buch ‚Katastrophen-Willi‘

Fachkräftemangel in Kitas: Ein Blick auf die Herausforderungen, Auswirkungen und Lösungsansätze im DRK Kreisverband Herford

Kita-Schließungen, verkürzte Öffnungszeiten, zu wenig Personal. Die lokalen Medien in Nordrhein-Westfallen berichten aktuell viel zu den aktuellen Herausforderungen der Kita-Landschaft. Wir haben Ralf Hoffmann, Geschäftsführer des DRK Kreisverband Herford-Stadt e.V., zu den Auswirkungen des Fachkräftemangels im Kita-Alltag befragt.

Herr Hoffmannm, wie macht sich der Fachkräftemangel den konkret in den DRK-Kitas in Ihrem Kreisverband Herford bemerkbar?

Der DRK Kreisverband Herford-Stadt e.V. ist Träger von drei Kindertagesstätten mit insgesamt 220 Plätzen. Der Fachkräftemangel macht sich in drei Bereichen bemerkbar.

Bei freien Stellen ist es schwierig Bewerbungen zu erhalten, um die Stellen besetzten zu können. Das Gleiche gilt auch für Auszubildende im Rahmen der PIA Ausbildung.

Fast unmöglich ist es eine Krankheitsvertretung für Kolleginnen und Kollegen unterjährig zu bekommen. Dadurch, dass fast immer mit der Mindestbesetzung gearbeitet wird, kommt es bei größeren Krankheitsphasen in den Einrichtungen immer zu einer schwierigen Situation, was die Betreuung und die pädagogische Arbeit betreffen. Gruppenschließungen oder Angebotsreduzierungen lassen sich dann nicht vermeiden.

Zusätzlich haben die päd. Mitarbeitenden immer ein schlechtes Gewissen den Kindern und ihren Kolleginnen gegenüber, wenn Sie mal ihren verdienten Urlaub nehmen möchten (den sie dringend brauchen auf Grund der herausfordernden Situationen in den Einrichtungen). So ist dieses eine Spirale, die die pädagogische Arbeit nicht besser macht.

Die Kinder sind unser Fokus der Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Woran merken Kinder, dass Fachkräfte fehlen?

Kinder merken dieses immer dann besonders, wenn das Angebot in der Einrichtung reduziert wird und Betreuungszeiten eingeschränkt werden müssen. Auch wenn sich die päd. Mitarbeitenden viel Mühe geben, lässt sich nicht immer verbergen, dass viele am Rande ihrer Erschöpfung arbeiten. Auch dieses merken Kinder unterschwellig. Die Aufmerksamkeit und Zuwendung für das einzelne Kind kann dann natürlich nicht in dem Maße gegeben werden, als wenn die Gruppe optimal mit Personal besetzt wäre. Manche Aktionen können dann nicht mehr stattfinden, was natürlich sehr schade ist. Es ist dann immer wieder ein Balanceakt für die päd. Mitarbeitenden, die sich persönlich sehr viel Mühe geben.

Gibt es spezifische Herausforderungen oder Schwierigkeiten, die den Kreisverband Herford bei der Rekrutierung und Bindung von Fachkräften in den DRK-Kitas beeinträchtigen?

Die größte Herausforderung ist die Unterfinanzierung der Einrichtungen durch die Politik. Ohne Geld ist vieles nicht möglich und kann nicht umgesetzt werden. Das betrifft insbesondere das Thema Personalakquise. Gute Werbung kostet Zeit und Geld – Geld welches nicht vorhanden ist. Auch Mitarbeiterbindung kostet Geld, auch das darf nicht verschwiegen werden, auch wenn dieses gut investierte Geld ist. Mitarbeiterbindung ist für uns als DRK Kreisverband ein sehr wichtiges Thema, was weit über das finanzielle Engagement hinaus geht.

Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf die Arbeitsbelastung und das Wohlbefinden der verbleibenden Mitarbeitenden aus?

Der Fachkräftemangel wirkt sich negativ auf die Arbeitsbelastung aus. Wenn weniger päd. Fachkräfte mehr leisten müssen, wird die Arbeitsdichte größter.

Hinzu kommt, dass Kinder und Familien stärker herausgefordert sind von den Situationen und Krisen. Bei Kindern merkt man das deutlich an ihrem Verhalten, welches auch Fachkräfte in ihrer Fachlichkeit herausfordert. Kinder und Familien brauchen von uns gerade dann gute Unterstützung und Begleitung. Die Arbeit wird dadurch vielschichtiger, man muss auf mehreren Ebenen gleichzeitig denken und handeln. Fehler lassen sich nicht vermeiden und der Druck in der Arbeit wird immer größer – eine gewisse Unzufriedenheit macht sich breit, da die päd. Fachkräfte gewillt sind, immer ihr Bestes zu geben.

 Leider ist dieses unter den gegebenen Bedingungen dann nicht immer möglich. Es fehlt oftmals die Zeit zum Durchatmen, der Stresspegel steigt und es gibt immer weniger Auszeiten, die aber dringend gebraucht werden. Da Stress bekanntlich krank macht, bleiben auch hier die Krankheiten beim päd. Personal nicht aus, was wieder in einem „Teufelskreis“ endet.

Welche Maßnahmen und Strategien haben Sie entwickelt, um den Fachkräftebedarf in Ihren Einrichtungen zu decken, und wie erfolgreich waren Sie damit?

Wann immer es ging, finanziell und personell, haben wir versucht Praxislernort für die Ausbildung angehender pädagogischer Fachkräfte zu sein. Wir konnten bislang sehr gut offene Stellen mit Mitarbeitenden besetzten, die wir selbst ausgebildet haben. Da wir ein sehr gutes Betriebsklima in den Einrichtungen haben, bleiben die jungen päd. Fachkräfte gerne.

Teamarbeit wird bei uns großgeschrieben. Flache Hierarchien und ein gutes Fortbildungsangebot und die Möglichkeit seine Arbeit zu reflektieren, tragen ebenso zu einem guten Betriebsklima bei, wie die Anerkennung der geleisteten Arbeit als auch eine gute päd. Ausstattung.

Gemeinsame Aktionen außerhalb der Arbeit flankieren und stärken das gute Betriebsklima.

Welche Rolle spielen Fortbildungen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten, um Fachkräfte langfristig zu binden und ihre berufliche Entwicklung zu fördern?

Für mich persönlich ist die Weiterentwicklung der päd. Fachkräfte durch Fortbildungen, aber auch der Möglichkeit ihr päd. Handeln zu reflektieren ein sehr wichtiger Baustein in der Mitarbeiterbindung.

Jeder Mensch ist an einer persönlichen und beruflichen Entwicklung interessiert. Hier den nötigen Raum zu geben, ist eine originäre Aufgabe der Leitungskräfte und des Trägers im Rahme von lebenslangem Lernen. Nur wer sich fortbildet, reflektiert und Raum für „Neues“ hat, kann langfristig seine Arbeit und den gestiegenen Ansprüchen gerecht werden. Die persönliche Zufriedenheit spielt hierbei eine besondere Rolle.

Inwiefern könnten Partnerschaften zwischen den DRK-Kitas und anderen Bildungseinrichtungen, wie z.B. Fachschulen und Universitäten dazu beitragen, dem Fachkräftebedarf langfristig zu begegnen?

Eine Partnerschaft oder besser gesagt eine gute Netzwerkarbeit ist für die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen unerlässlich. Eine gute, vertrauensvolle Basis, das voneinander wissen, sich kennen und gegenseitige Information bilden das Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit auf beiden Seiten und leisten damit einen wichtigen Beitrag für eine solide Ausbildung. Genau dieses spricht sich vielfach rum.

Eine qualitativ gute Ausbildung mit ausreichend Praxisanteilen, Raum für die persönliche Entwicklung und Wachstum, aber auch eine wertvolle Begleitung während der Ausbildung, sowie die Möglichkeit eigene Erfahrungen zu machen sind ein guter Beitrag dem Fachkräftebedarf langfristig zu begegnen.

Diesen Beitrag leisten wir sehr gerne, jedoch ohne ausreichende Finanzierung durch die Politik ist dieses nicht möglich. Ausbildung kostet Zeit und Geld und darf nicht auf dem Rücken der Träger oder der päd. Mitarbeitenden ausgetragen werden. Auch hier ist politisches Handeln notwendig, wenn man langfristig den Fachkräftebedarf decken und den Beruf der Erzieherin/ des Erziehers attraktiv gestalten will.

Was könnte zu einer verbesserten öffentlichen Wahrnehmung und Wertschätzung der Arbeit in der frühkindlichen Bildung und Betreuung beitragen? Wie könnt das auch qualifizierte Fachkräfte anziehen und langfristig halten?

Erst einmal muss das politische „Geschacher“ um Geld, welches in die frühkindliche Bildung fließt, aufhören und die Politik muss ihre „Taschenspielertricks“ in der Finanzierung einstellen. Für die Zukunft braucht es eine grundsolide, auskömmliche und angemessene Finanzierung. Bleibt dieses weiterhin aus, wird es immer eine öffentliche Wahrnehmung geben, dass der Beruf der Erzieherin/ des Erziehers nur was für echte Idealisten ist und dieser keine angemessene Wertschätzung erfährt.

 Das gleiche gilt für die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastung für die päd. Arbeit in der frühkindlichen Bildung. Wenig im Bewusstsein der öffentlichen Wahrnehmung ist, was der Bereich der frühkindlichen Bildung eigentlich leistet, dass hier die Grundlage für ein lebenslanges Lernen, für die persönliche Entwicklung und damit auch für die Zukunft der einzelnen Kinder, aber auch für unser Land gelegt wird. Der Output im Verhältnis zur Investition ist in keinem Bereich so optimal, wie im Bereich der frühkindlichen Bildung. Hier werden Chancen und Fundamente gelegt für individuelle Bildung, aber auch für eine Gesellschaft. Dieses muss mehr ins Bewusstsein der Politik und der Entscheidungsträger, aber auch der Eltern.

Politisch geht es also nicht nur darum Ziele zu setzen und Mittel zu verweigern, sondern um ein ausgewogenes System aus Fördern, Fordern und Begleiten. Wenn die Arbeit der päd. Fachkräfte keine Mangelverwaltung mehr ist, sondern Erfolge sichtbar und transparent sind, Arbeitsbedingungen den Herausforderungen angemessen gestaltet werden, werden sich auch mehr Menschen für die Arbeit im Bereich der frühkindlichen Bildung interessieren und es auch als eine persönliche Chance sehen, sich in dem Bereich beruflich zu engagieren.

Am Ende müssen die Bedingungen so sein, dass man gerne zur Arbeit geht, nicht ausgenutzt wird und für alle Unzulänglichkeiten herhalten muss. Erfolge im päd. Handeln müssen sichtbar werden. Dafür braucht es jedoch angemessene Rahmenbedingungen.

In NRW ist das Thema Finanzierung der Kindertagesbetreuung gerade ein Kernthema vieler öffentlichkeitswirksamer Proteste. Was würde für Sie als Träger von 3 Kindertageseinrichtungen eine sinnvolle Finanzierung der Kindertagesbetreuung ausmachen?

Eine sinnvolle Finanzierung ist die Grundlage oder besser gesagt das Fundament für eine gute Kindertagesbetreuung. Eine Unterfinanzierung ist Mangelwirtschaft, die sich negativ für die Kinder, die Familien und die päd. Fachkräfte ausdrückt. Die Herausforderungen in der Kinderbetreuung heutzutage sind aber vielfältig. Neben der Finanzierung sind es die Arbeitsbedingungen in der frühkindlichen Bildung, die Ansprüche, die von Seiten der Politik gestellt werden in Bezug auf Qualität und Formalien, und die sich verändernden Lebensbedingungen von Kindern und Familien.

Alle dem muss Rechnung getragen werden. Nur alleine mit einer auskömmlichen Finanzierung auf dem heutigen Niveau reicht nicht aus, um das System der frühkindlichen Bildung zukunftsfähig zu machen. Berücksichtigt man dabei nicht die veränderten Lebensbedingungen von Kindern und Familien, wird das System auf der Strecke bleiben. Nur da will keiner ran, weil man immer nur „Flickschusterei“ betreibt und es am Ende teurer werden wird.

Wird es für die Gesellschaft aber nicht richtig teuer, wenn man diesen Perspektivwechsel nicht angeht? Braucht nicht eine Volkswirtschaft eine verlässliche, qualitativ gute Kinderbetreuung und Bildungsmöglichkeiten, damit Eltern ihrer Arbeit nachgehen können und Kinder trotzdem die bestmöglichen Chancen zum Lernen und Wachsen haben? Brauchen wir am Ende nicht mündige Bürger – und Partizipation und Teilhabe fängt schon in der Kita an.

Am Ende müssen wir uns die Frage stellen: „In welch einer Gesellschaft wollen wir leben – und welchen Stellenwert hat für uns frühkindliche Bildung?“ Ein Luxus für wenige oder eine angemessene, auskömmliche Grundversorgung für jedes Kind, welches kein Kind zurücklässt und jedem Kind die gleichen Bildungschancen und Fördermöglichkeiten bereitstellt, wo Lernen Spaß macht, Freude bereitet und individuelle Erfolge sichtbar werden und jedes Kind sich in seinem eigenen Tempo entwickeln kann?

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Besuchen Sie auch die Website des DRK Kreisverband Herford um mehr über die Arbeit von Ralf Hofmann und seinen Mitarbeitenden zu erfahren. https://www.drk-herford.de/index.html