Lehmann / VdS
Lehmann / VdS

Digitaler Austausch zu den Pflegeberufen 2020

„Ich begrüße Sie sehr herzlich zur ersten virtuellen Schulleitertagung des DRK. Das Jahr 2020 geht zu Ende und das finden wir sicher mehrheitlich auch gut so.“, leitete Generaloberin Gabriele Müller-Stutzer, Präsidentin des Verbandes der Schwesternschaften vom DRK e.V., das zwölfte Treffen der DRK-Schulleiterinnen und Schulleiter am 9. Dezember 2020 ein.

Ankommen

Organsiert und moderiert wurde die Gemeinschaftsveranstaltung des DRK-Generalsekretariats und des Verbandes der Schwesternschaften von Christian Hener, Referent für Pflegeberufe im DRK-GS. Zur Seite standen ihm dabei Ivona Antunović, Assistentin der VdS-Geschäftsführung, Niklas Muskulus, Referent Pflege im DRK-GS sowie ich selbst, Daniela Lehmann.

Insgesamt haben ca. 26 Schulleitungen und Lehrkräfte an der digitalen Veranstaltung teilgenommen, um gemeinsam einen Rück- und Ausblick auf die Umsetzung der neuen Pflegeausbildung und weitere aktuelle Herausforderungen in der Pflegeausbildung und Berufspolitik zu werfen.

Die Rolle der Pflegeschulen für das DRK als Nationale Hilfsgesellschaft

Den Anfang machte VdS-Präsidentin, Generaloberin Gabriele Müller-Stutzer. In ihrer gewohnt mitreißenden Art und Weise fasste sie zunächst die Learnings aus der Krise zusammen und dankte den Schulleiter:innen für ihre großartige Arbeit im vergangenen Jahr:

„In diesem Jahr waren Sie nicht ‚nur‘ als Pädagog:innen gefordert, sondern auch als Organisator:innen, Koordinator:innen, Moderator:innen, Kalkulator:innen, Digitalbeauftragte oder ganz schlicht als handelnde Gestalter:innen. Sie alle haben Außerordentliches geleistet und sollten darauf stolz sein!“

Den zweiten Teil nutzte die VdS-Präsidentin, um auf die wichtige Bedeutung der Pflegeschulen in der Aufklärung zur Rolle des DRK als Nationale Hilfsgesellschaft allgemein – und im Krisengeschehen speziell – einzugehen. Die aktuelle Situation – die Planung von Impfzentren und Mobilen Impfteams – zeige einmal mehr, wie stark wir als Teil des DRK in die Aufgabenbewältigung durch Landesregierungen und Behörden gefordert und eingebunden werden. Ihr Appell an die Teilnehmenden lautete daher:

„Wir müssen im Gesamtverband deutlich besser die national und international einzigartige Rolle und Aufgabenstellung der Rotkreuz- und Rothalbmond Gesellschaften als Nationale Hilfsgesellschaft der Behörden bei der Durchführung ihrer humanitären Aufgaben erläutern. Grundlagen der Rotkreuzarbeit, Grundsätze, Genfer Konventionen, das DRK-Gesetz und die in jedem Bundesland existierenden Gesetze zum Zivil- und Katastrophenschutz – diese Themensammlung klingt vermutlich nicht nur in den Ohren Ihrer Schüler wenig spannend.“ „Aber“,

so Generaloberin Müller-Stutzer weiter,

„nur wenn zumindest wir in unseren Reihen verstehen, warum wir als Rotkreuzfamilie tun, was wir tun, können wir unsere Ideen, Ideale und unsere Arbeit unter dem Zeichen des Roten Kreuzes kompetent nach innen und außen vermitteln. Und wo ginge das besser und mit mehr Überzeugung und pädagogischem Können als an den DRK-Pflegeschulen?“

Entwicklungen und Perspektiven in den Pflegeberufen

Nach diesen eindrucksvollen Worten gab der Referent für Pflegeberufe aus dem DRK-GS, Christian Hener, den Teilnehmenden einen Überblick zu den momentanen berufspolitischen Entwicklungen und Perspektiven in der Pflege. Nach einem kurzen Eintauchen in dieAusbildungsoffensive Pflege und den unter www.pflegeausbildung.net bestellbaren Kampagnematerialien, stellte Herr Hener den Zwischenbericht zur Ausbildungsoffensive Pflege vor, indem vier Best Practice Beispiele aus dem DRK enthalten sind.

Im Weiteren ging er auf den Strategieprozess der Bundesregierung zur interprofessionellen Zusammenarbeit ein, in dem er das DRK sowie die BAGFW vertritt. Ziel der, aus der AG 3 der KAP hervorgehenden Projektgruppe ist es, Versorgungslücken und -brüche, vor allem im ländlichen Raum, zu schließen bzw. zu überwinden und den Pflegeberuf durch die Übertragung von Heilkunde und anderen Befugnissen attraktiver zu gestalten. Herr Hener vertritt die Auffassung, dass die Pflege dringend ein „Heilkundegesetz“ brauche, in dem für alle Gesundheits- und Heilberufe geregelt wird, wer was mit welcher Qualifikation machen darf.

Zum Thema Qualifikationsmix wurden folgende Thesen aufgestellt:

Die Generalistik erfordere, dass die Spezialisierung erst nach der Ausbildung komme. Daher sei es wichtig, dass sich Pflegende auch nach ihrem Abschluss weiterqualifizieren (Stichwort: lebenslanges Lernen).

Erweiterte Kompetenzen und Befugnisse in der Pflege steigerten das gesellschaftliche Ansehen sowie die Attraktivität des Berufsbildes.

Die Beziehung zwischen Personaleinsatz und Versorgungsergebnissen verlaufe in der Langzeitpflege nicht linear, d.h. mehr Personal bedeute nicht automatisch höhere Qualität. Die aktuelle Evidenz weise darauf hin, dass dies vielmehr auch durch Faktoren wie die Arbeitsatmosphäre im Team oder die Pflegekultur in einer Einrichtung vermittelt werden würde.

Der Entwicklung kompetenzorientierter Personalmixkonzepte sowie der Frage, wie die verschiedenen Rollenbilder in der Pflege zielgerichtet eingesetzt werden könnten, komme in der Praxis eine zu geringe Bedeutung zu. Die Forschung zeige, dass es besser sei, pflegerische Rollenbilder zielgerichtet einzusetzen, sodass am Ende jeder das mache, was er, seinen individuellen Voraussetzungen nach, am besten kann.

Das bedeute im Umkehrschluss allerdings nicht, dass die Anzahl und Qualifikation von Pflegefachpersonen keinen Einfluss auf die Versorgungsqualität hätten. Vielmehr müsse die Wirkungslogik mehrdimensional gedacht werden.

Es sei daher wichtig, dass im Hinblick auf das Thema Personaleinsatz bzw. Personalbemessung nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte berücksichtigt werden (nicht nur Hände, sondern auch Empathie und Verstand).

Zudem sei es vor dem Hintergrund der Etablierung des Personalbemessungsinstrumentes in der Langzeitpflege bedeutsam, dass Pflegefachfrauen und -männer von Beginn an lernen, die Verantwortung für die Steuerung des Pflegeprozesses zu tragen, da ihnen diese Aufgabe, aufgrund der vorbehaltenen Tätigkeiten nach dem PflBG, zukünftig vermehrt abverlangt werde.

Best Practice: Ausbildungsverbund Westerwald

Es folgte ein spannender Vortrag von Corinna Kronsteiner-Buschmann, Leiterin des DRK-Bildungszentrums für Gesundheitsberufe in Hachenburg.

Frau Kronsteiner-Buschmann berichtete ausführlich von der erfolgreichen Kooperation zwischen dem DRK-Bildungszentrum für Gesundheitsberufe in Hachenburg und der Berufsfachschule Pflege an der Berufsbildenden Schule Westerburg. Beide Schulen haben gemeinsam, mit den kooperierenden Einrichtungen, einen Ausbildungsverbund für den Westerwald in Rheinland-Pfalz gegründet. Ziel ist die Sicherstellung der Pflegeausbildung im Kreis Altenkirchen, Neuwied und im Westerwaldkreis.

Frau Kronsteiner-Buschmann berichtete, dass die ursprünglich 30 Träger (2019) der praktischen Ausbildung, darunter Krankenhäuser, Ambulante Dienste und stationäre Pflegeeinrichtungen von Anfang an mit großem Engagement dabei gewesen wären. Mittlerweile haben sich dem Ausbildungsverbund 88 Trägereinrichtungen angeschlossen!

Zu den Hauptmotivationen für die Ausbildungsträger gehören sicherlich die beiden gemeinsame Ziele:  

A. Den Pflegenachwuchsbedarf nachhaltig zu sichern und -

B. die Bündelung von Kapazitäten, Ressourcen und Qualifikationen unter „einem Dach“.

Hierdurch würde jungen Menschen die Möglichkeit gegeben, eine wohnortnahe Ausbildung zu machen. Zudem könne so die Versorgung im ländlichen Raum durch qualifizierte Fachkräfte, nachhaltig sichergestellt werden.

Da die Pflegeschulen in Rheinland-Pfalz über verschiedene Modelle zur Gestaltung der Theorie- und Praxiszeiten verfügen, mussten sich diese innerhalb des Ausbildungsverbundes erst einmal harmonisieren. Grundlage der Zusammenarbeit in dem Ausbildungsverbund ist das gemeinsame, von den beiden Pflegeschulen entwickelte Curriculum, mit den darauf aufbauenden Handlungsaufgaben für die Praxiseinsätze.

Eine der größten Herausforderungen für die Durchführung der praktischen Ausbildung war die Sicherstellung des pädiatrischen Pflichteinsatzes, da diese Einsatzstellen, insbesondere im ländlichen Raum, sehr rar gesät waren. Hierfür hat der Ausbildungsverbund allerdings eine gute Lösung finden können, indem die pädiatrischen Einsätze auch in Kindergärten durchgeführt werden können. Die Auszubildenden haben hier die Möglichkeit, vor allem psychosoziale Kompetenzen zu erlernen (allgemeiner Umgang mit Kindern, die Durchführung von aktivierenden bzw. pädagogischen Angeboten, das Kennenlernen und Einschätzen von Entwicklungsphasen etc.).

Insofern ist der Ausbildungsverbund Westerwald ein sehr gutes Beispiel für eine gelungene und trägerübergreifende Zusammenarbeit aller an der Pflegeausbildung beteiligten Akteure, weshalb er auch als Best Practice-Beispiel in den Zwischenbericht der Konzertierten Aktion Pflege eingegangen ist.

Kostenkalkulation am Beispiel der Pflegeschulen in Bayern

Nach einer kleinen Auflockerung, in Form eines digitalen Bingos zum Thema EBN, rundete Gabriele Keymling, Leiterin der Stabstelle Bildungsarbeit im Bayerischen Roten Kreuz, mit einem Vortrag zum Thema „Kostenkalkulation am Beispiel der Pflegeschulen in Bayern“, die Veranstaltung mit einem gelungenen Beitrag ab.

Frau Keymling unternahm mit den Teilnehmenden in ihrem Vortrag einen wilden und sehr erhellenden Ritt durch die Zahlen: Demnach liege Bayern mit einer Pauschale von 11.450 Euro pro Schüler:in/Schuljahr weit über dem Durchschnitt anderer Bundesländer. Dies warf jedoch einige Fragen auf:

„Wie ist es möglich, dass die Pauschalbudgets für die Pflegeschulen, Einrichtungen, Dienste und Krankenhäuser, die durch ein Bundesgesetz geregelt werden, in den Ländern so unterschiedlich ausfallen?"

Die Referentin nutzte die Gelegenheit vor allem dazu, den Teilnehmenden Mut zu machen, die Kostensätze der Pauschalbudgets ausreichend hoch anzusetzen, um eine Abwärtsspirale der Finanzierungssituation zu vermeiden – und ggf. auch die Schiedsstelle anzurufen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Denn, so waren sich die Anwesenden einig:

„Am Ende ist es immer der Träger, der das Defizit finanzieren muss, da Nachverhandlungen nicht möglich sind – aus welchen Mitteln auch immer."

Nachklang

Insgesamt hat der digitale Austausch der Schulleiter:innen aus dem DRK und den Schwesternschaften vor allem dazu beigetragen, ein gemeinsames Problembewusstsein für die doch höchst unterschiedlichen Herausforderungen der Pflegeschulen bei der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung in den einzelnen Bundesländern zu schaffen. Darüber hinaus konnte von Best-Practice Beispielen gelernt werden, sei es im Hinblick auf die Verhandlungstaktik für die Pauschalbudgets oder den Aufbau eines Ausbildungsverbundes.

Und eines ist dabei klar geworden: Miteinander geht es dabei immer besser als gegeneinander! Das DRK und seine Schwesternschaften bilden einen starken Verbund, der im besten Falle Halt und Kraft gibt, um die beruflichen (aber auch privaten) Herausforderungen, denen wir uns im Alltag gegenübersehen, gut bewältigen zu können. Auch das ist resiliente Pflege!

Als Zugehörige des DRKund seinenSchwesternschaften richten wir unser Tun und Handeln an den Grundsätzen der weltweiten Rotkreuzbewegung aus, um Menschen in Not zu helfen; ganz gleich, wie sich diese Hilfsbedürftigkeit letztlich darstellt. Wir alle haben uns dazu entschieden,unserenpersönlichen Beitrag zum großen Ganzen beizusteuern.

Für dieses ganz persönliche Engagement möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bei Ihnen und Euch bedanken!

Bleibt gesund! Wir freuen uns auf nächstes Jahr! 

Daniela Lehmann, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation in der VdS Geschäftsstelle

Christian Hener, Referent für Pflegeberufe im DRK-GS