Eine Frau sitzt vor einem Laptop auf dem eine Videokonferenz läuft.
Recruiting und Onboarding in der digitalen Arbeitswelt

Wie gewinnt man Bewerberinnen und Bewerber digital? Wie schreibt man aus?

In den kommenden fünf Wochen veröffentlichen wir eine Reihe von Interviewgesprächen zu den Themen Recruiting und Onboarding in der digitalen Arbeitswelt. Die Reihe beginnt mit den Perspektiven und Beobachtungen von Annette Schneider, Nadja Saborowski und Dr. Joß Steinke vom Deutschen Roten Kreuz sowie Carola von Peinen von Talents4Good.

Verändern sich Ausschreibungen und Ansprachen gerade generell? Welche Trends zeichnen sich ab?

Carola von Peinen (Geschäftsführerin der Talents4Good GmbH):  

Es gibt verschiedene Trends bei der Suche nach den richtigen Kandidat*innen. Der Trend weg von Print hin zu digitalen Jobplattformen ist sicherlich der bekannteste, aber nicht der neueste. Viele Unternehmen und Organisationen versuchen, potenzielle Kandidat*innen über Social Media und Anzeigenschaltung im Netz auf Ausschreibungen aufmerksam zu machen. Häufig an Orten, wo sich Menschen über ihre Interessen austauschen und nicht direkt auf Jobsuche sind. Gleichzeitig erzielt man mit der persönlichen Ansprache immer bessere Ergebnisse, weil diese auf Empfehlung und damit auf Vertrauen basiert. Hier können der Aufbau von Netzwerken (Communities), aber auch Programme wie „Mitarbeiter*innen werben Mitarbeiter*innen“ sehr hilfreich sein. Letztendlich kommt es darauf an, wen ich suche und wo diese Person mein Jobangebot am wahrscheinlichsten sehen wird. Es wird also eher komplexer als einfacher. 

Es gibt eine Fülle von Plattformen, Newslettern und Webseiten, auf denen man eine Stelle teilen könnte. Nach welchen Kriterien sollte man vorgehen, wenn man als Verband/Sozialverband Bewerberinnen und Bewerber sucht?

Carola von Peinen: 

Die Frage ist: Wer liest die Newsletter und wer ist auf der Plattform unterwegs? Daher braucht es für jede Stelle einen individuellen Mix. Natürlich gibt es Plattformen, die man häufiger nutzt, und andere, die man nur in Einzelfällen einsetzt. Es lohnt sich, sich im Vorfeld zu fragen: Wen suche ich? Wird es einfach sein, diese Stelle zu besetzen oder eher nicht? Davon hängt ab, welcher Ausschreibungskanal der richtige ist und wie breit ich streue. 

Annette Schneider: 

Wir haben das Glück, mit „jobs.drk.de“ jetzt selbst ein verbandsweites, reichweitenstarkes Bewerberportal zu haben. Wir nutzen auch gezielt Plattformen und Newsletter, die sich auf „Jobs mit Sinn“ spezialisiert haben. Unsere Erfahrung zeigt deutlich, dass wir damit geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten finden, als wenn wir auf den allgemeinen Plattformen ausschreiben. Wir versuchen vermehrt, auch die Netzwerke unserer Beschäftigten zu nutzen.

Es gibt zwei Wege sich digital zu bewerben: Man reicht eine digitale Bewerbungsmappe als PDF per E-Mail ein oder es gibt ein Bewerbungsportal mit diversen Abfragen und Elementen für einzelne Dokumente. Welchen Pfad präferieren Sie und warum?  

Annette Schneider: 

Wir setzen auf das neue Bewerberportal. Bewerberinnen und Bewerber können sich damit mit wenigen Klicks über eine Eingabemaske bewerben. Bewerbungen auf vakante Positionen in unserem Haus sind damit schnell und einfach von jedem Endgerät aus möglich. Die Bewerbung über das Bewerberportal hat für uns entscheidende Vorteile. Wir können schnell selektieren und zuordnen und können so den Bewerbungsprozess insgesamt einfacher machen und verkürzen. Wir bekommen z.B. auch einen schnellen Überblick über die Bewerbung von Personen mit dem Status eines Schwerbehinderten oder Gleichgestellten. Als DRK haben wir diese Personengruppe als Bewerber auch stets mit im Blickfeld; in der digitalen Bewerbungsmappe sind Hinweise dazu oft gar nicht oder nur schwer auffindbar. 

Wie finden Arbeitssuchende freie Stellen in der Wohlfahrt (z.B. beim DRK) heutzutage?  

Annette Schneider:  

Im Bereich des DRK finden Interessierte bundesweit und über verschiedene Qualifikationen hinweg über das Bewerberportal freie Positionen. Das DRK ist damit mit seinen vielen Angeboten in verschiedenen Arbeitsfeldern in der Fläche präsent. Einige DRK-Verbände setzen zudem stark auf Programme wie „Mitarbeitende werben Mitarbeitende“. 

Nadja Saborowski: 

Daneben nutzen wir spezifische Kanäle je nach Themenbereich und sprechen damit gezielt bestimmt Fachcommunitys an. Ich überlege mir, ob eine Stelle eine bestimmte fachliche Expertise und Berufserfahrung benötigt und wähle dann gezielt bestimmte Kommunikationskanäle aus. Für Berufseinstiege kann man bspw. breit streuen für Expertenstelle wähle ich eher wenige aber gezielte Kanäle. Ein weiterer Strang sind die Netzwerke unser Kooperationspartnerinnen und -partner. Damit erreichen wir auch neben den Arbeitssuchenden auch Kolleginnen und Kollegen, die sich weiterentwickeln oder umorientieren wollen.     

Was ist generell zu beachten, wenn man als Verband künftig erfolgreich rekrutieren möchte 

Carola von Peinen: 

1. Was bieten wir? Wir empfehlen allen unseren Kund*innen sich darüber im Klaren zu sein, was sie im Angebot haben. „Warum arbeiten die Menschen hier gerne?“. Oft ist das von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich. Daher ist eine sehr allgemeine Employer Branding Strategie, die viele Verbände haben oder gerade erstellen sinnvoll, aber nur die Basis – für die einzelne Stelle braucht es dann die spezifischen Details, die diesen Job in dieser Einrichtung interessant machen. 

2. Klare Prozesse: Wenn alle Beteiligten im Auswahlprozess immer im Bilde sind, wo der Prozess gerade steht und was der nächste Schritt ist, dann springen Bewerber*innen nicht so schnell ab. Und es ist eine gute „Werbung“ für die Zusammenarbeitskultur in der Organisation. 

3. Praktikant*innen und Bufdis genauso wertschätzend behandeln wie Festangestellte. Hier zeigt sich die wahre Organisationskultur. Für viele junge Menschen entscheidet sich in dieser Zeit, ob für sie ein Beruf im sozialen Bereich in Frage kommt. 

Annette Schneider: 

Den Spagat schaffen, den bekannten Namen des DRK zu nutzen, und gleichzeitig deutlich zu machen, dass DRK-Arbeitgeber vielfältig und unterschiedlich sind und hier mehr angeboten wird, als die klassisch mit dem DRK verknüpften Arbeitsfelder in Rettungsdienst und Altenpflege. Jede einzelne Organisation im Gesamtverband ist herausgefordert, zu analysieren in welchem Wettbewerb man regional und thematisch steht, um auf dieser Grundlage das eigene Profil zu schärfen. Um diesen Prozess zu unterstützen, hat der DRK-Bundesverband z.B. Schulungen für die Personalarbeit in den Gliederungen entwickelt. Offen zu sein für neue Arbeitnehmerzielgruppen, für Quereinsteiger und Menschen mit ungewöhnlicheren Berufs-Biografien und für diese attraktiv zu werden, scheint ebenfalls ein wichtiger Aspekt zu sein. 

Braucht man heute andere Leute, andere Typen, verändern sich die Suchmuster gerade generell? 

Carola von Peinen: 

Die sogenannte VUCA* Welt erfordert eine hohe Anpassung von Menschen an sich ständig ändernde Rahmenbedingungen. Das spiegelt sich als Herausforderung vor allem für die Führungskräfte wider: Menschen anzuleiten und zu begleiten, darin eine innere Stabilität zu erlangen und Sicherheit in unsicheren Zeiten zu geben. Zudem werden immer mehr digitale Qualifikationen gesucht. Neben Fachpersonal auch Menschen, die die Digitalisierung verstehen und mitdenken können und Kolleg*innen mit auf die digitale Reise nehmen können. 

* Erklärung VUCA: https://www.business-wissen.de/artikel/digitalisierung-was-bedeutet-vuca/

Dr. Joß Steinke: 

Mit neuen Anforderungen verändern sich natürlich immer auch die Suchmuster. Beispielsweise ist die gesamte Kommunikation durch Referentinnen und Referenten komplett anders ausgerichtet als noch vor wenigen Jahren. Digitaler Wandel spielt zudem überall eine Rolle, daher brauchen wir in allen Arbeitsfeldern Leute, die in der Lage und willens sind, den Verband hier gut zu begleiten. Die Pandemie hat diese Trends noch einmal beschleunigt. Klar ist: Wir sind offen für verschiedene Typen von Mitarbeitenden und wollen noch mehr Diversität in der Belegschaft, aber die Tätigkeiten sind anders ausgerichtet und es braucht mehr Gespür und Offenheit für gute Kommunikation als früher. Darauf achten wir. 

Dies ist der erste von vier Interviews zur Rekrutierung, Einstellung und Einarbeitung in einer digitalen Arbeitswelt. Nächsten Dienstag stellen sich die Teilnehmenden am Interview die Frage: Wie führt man digitale Vorstellungsgespräche? 

Teilgenommen am Interview haben:

Carola von Peinen (Talents4Good GmbH) ist studierte Betriebswirtin. Sie war 9 Jahre in verschiedenen Positionen für das Personaldienstleistungsunternehmen Randstad tätig. 2012 gründete sie mit weiteren Mitstreiter*innen das Sozialunternehmen Talents4Good, das sich auf die Personalberatung und Rekrutierung von Fach- und Führungskräften für soziale, ökologische und nachhaltige Organisationen spezialisiert hat. Dort ist sie bis heute als Geschäftsführerin tätig. Digitales Arbeiten und moderne Arbeitswelten, die die Bedürfnisse von Mitarbeiter*innen und Arbeitgeber in einen sinnvollen Einklang bringen, sind ein wichtiger Teil der DNA von Talents4Good. 

Annette Schneider ist seit dem Jahr 2000 für den DRK e.V. tätig und u.a. mit arbeitsrechtlichen und personalrechtlichen Aufgabenstellungen befasst. Sie leitet im DRK-Generalsekretariat das im Bereich Zentrale Dienste verortete Team Personal. Dieses ist zuständig für die Betreuung von derzeit ca. 350 Arbeitsverhältnissen im Inland sowie durchschnittlich 90 Arbeitsverhältnissen mit Auslandsdelegierten, die in Not- und Krisengebieten dieser Welt eingesetzt sind. (E-Mail-Adresse)

Nadja Saborowski ist seit 2016 im DRK und leitet seit 2019 das Team Soziale Arbeit und Bürgerschaftliches Engagement. Themenbezogen werden im Team sozialpolitische Vorhaben aus Politik und Verbänden mitgestaltet, Positionen des DRK vorbereitet und sowohl innerverbandlich als auch nach außen vertreten. Es werden Rahmenvorgaben für den Gesamtverband entwickelt und die Mitgliedsverbände werden bei deren Umsetzung fachlich unterstützt. In ihrer Arbeit ist es ihr wichtig, die Verbandsperspektiven und die konkreten Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen der Einrichtungen und Diensten einzubringen und sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Arbeit einzusetzen sowie passgenaue Angebote zu etablieren. (Kontaktinformationen)

Dr. Joß Steinke ist seit 2016 Bereichsleiter Jugend und Wohlfahrtspflege im DRK-Generalsekretariat. Im Bereich arbeiten rund 100 Mitarbeitende. Er hat die Verantwortung für ein Budget von rund 50 Mio. Euro, ca. 65 Programme und Projekte sowie für die strategische und thematische Ausrichtung der Wohlfahrtsarbeit (siehe Link).