Kinder auf einem Sportplatz springen in die Luft
Ganztagsbetreuung - ein gemeinsamer Sprung für Grundschulkinder

Ganztagsbetreuung: Einigung noch in dieser Legislatur erreichen

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Erziehung, Bildung und Betreuung für Grundschulkinder muss mehr sein als nur ein politisches Willensbekenntnis. Das DRK macht deutlich, wie dringend es einer Einigung zwischen Bund und Ländern zur nachhaltigen Finanzierung der Ganztagsbetreuung bedarf, damit der Rechtsanspruch noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden kann. Die Umsetzung eines Rechtsanspruchs benötigt ein strukturell abgesichertes und qualitativ hochwertiges Angebot, das das Wohl von Kindern in den Mittelpunkt stellt, Partizipation lebt und die Chancengerechtigkeit für die junge Generation in unserer Gesellschaft fördert.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wurde vereinbart, bis 2025 bundesweit einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuungsplätze für Kinder im Grundschulalter zu schaffen. Ein wichtiges Vorhaben „auf dem Weg zu einer chancengerechten Gesellschaft“, wie DRK- und BAGFW-Präsidentin Gerda Hasselfeldt für die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege kürzlich betonte. „Durch flächendeckend hochwertige Angebote können die Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern deutlich verbessert werden.“[1]

Ausbau der Ganztagsbetreuung nur gemeinsam erfolgreich

Um einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse gewährleisten zu können, sind bis 2025 mehr als 1 Millionen neue Betreuungsplätze zu schaffen. Die gesamten Kosten hierfür belaufen sich nach Schätzungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) auf 7,5 Milliarden Euro. Nach der Einführung des Rechtsanspruchs kommen jährlich weitere 4,5 Milliarden für den Betrieb hinzu.[2] Eine Aufgabe, die Bund und Länder nur gemeinsam erfolgreich schaffen können. Immer mit dem Ziel vor Augen, die Lebensverhältnisse und -chancen der jungen Generationen nachhaltig zu verbessern.

In dieser Hinsicht ist in den vergangenen Jahren bereits einiges passiert. 3,5 Milliarden Euro war der Bund zuletzt bereit, den Ländern für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Außerdem signalisierte der Bund, sich an den laufenden Betriebskosten zu beteiligen. Auf der anderen Seite haben sich die Länder darauf geeinigt, einen Rechtsanspruch über das SGB VIII mit zu tragen und den Ausbau ganztägiger Betreuungsstrukturen ebenso zu fördern. Ein Ergebnis zahlreicher Arbeitstreffen und Verhandlungen.

Trotz der pandemischen Lage dieses Jahres kamen Spitzenpolitiker von Bund und Ländern mehrfach zusammen, um über weitere nötige Schritte und Rahmenbedingungen zu beraten. Die Signale waren positiv. Dennoch konnte am 2. Dezember bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin weiterhin keine einheitliche Linie bei wichtigen Finanzierungsfragen gefunden werden. Generell sei man sich bei dem Verfahren zur stufenweisen Einführung des Rechtsanspruchs ab 2025 einig geworden. Jedoch scheinen die Auffassungen über die Höhe der Beteiligung des Bundes an den laufenden Betriebskosten noch voneinander abzuweichen. Eine weitere Arbeitsgruppe werde nun erneut vermitteln und zügig Lösungen erarbeiten.

Das DRK geht davon aus, dass die nächsten Monate gut genutzt werden, um den Weg für ein flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Angebot für alle Kinder im Grundschulalter zu ermöglichen. Viel Zeit für den parlamentarischen Prozess bleibt nicht mehr, wenn man den Rechtsanspruch noch in dieser Legislaturperiode bundeseinheitlich verankern möchte.      

Die Qualität im Blick behalten

Damit die Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ein Erfolg wird, ist bei den politischen Debatten zur Finanzierung auch immer die Qualität wichtig zu berücksichtigen. Dabei müssen das Wohl der Kinder und ihre Perspektive auf die Veränderungsprozesse im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen. Denn der Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsstrukturen bedeutet auch eine zunehmende Verlagerung der kindlichen Lebenswelt vom privaten in den institutionalisierten Raum: Weniger Zeit des Tages im häuslichen Umfeld als zuvor, mehr Zeit in Hort und Schule.

Die Bedürfnisse von Grundschulkindern für Spiel, Ruhe, Bewegung, Kreativität und Mitbestimmung müssen berücksichtigt werden, damit sie sich im Setting des Ganztags auch gesund und ganzheitlich entwickeln können. Eine Fixierung der Ausbaubemühung auf eine rein zeitliche Ausdehnung von klassisch-schulischen Unterrichtsstunden wäre zum Beispiel hoch problematisch. Hier bestünde das Risiko, bei Kindern zusätzlichen Druck zu erzeugen und psychische Belastungen zu erhöhen. Deshalb braucht es zentrale Beteiligungsprozesse für Kinder und Eltern im Reformprozess und ein gutes pädagogisches Gesamtkonzept, um diesen Risiken frühzeitig zu begegnen. Mit pädagogisch hochwertigen und partizipativ gestalteten Angeboten steckt im Ganztag ein großes Potential zur Sicherung von Zukunftsperspektiven, ein großes Potential für gesellschaftlichen Fortschritt.

Das Ziel in greifbarer Nähe

Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern seien weit fortgeschritten. Das Ziel des Rechtsanspruchs in greifbarer Nähe. Dies brachte Berlins regierender Bürgermeister und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller, am 02. Dezember gegenüber der Öffentlichkeit zum Ausdruck. Für Bund und Länder gilt es nun, in kurzer Zeit die letzten Unstimmigkeiten zur Finanzierung zu lösen.

Das DRK macht den Verhandlungsparteien deutlich, dass das Thema eine besondere gesellschaftliche Tragweite hat. Millionen Kinder, Mütter und Väter profitieren nachhaltig von einem gut ausgebauten Netz verlässlicher, bedarfsgerechter und qualitativ hochwertiger Angebote. Für sie – also für einen großen Teil der Bevölkerung – braucht es über ein Willensbekenntnis hinausgehend, einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, der dem Rechtsanspruch den Weg öffnet. Als DRK begleiten wir auch weiterhin den Gesetzgebungsprozess, setzen Akzente und stehen mit unseren Expertinnen und Experten für Fragen zur Umsetzung in der Praxis zur Seite. „‘Nur gemeinsam kann der Ganztag ein Erfolg für alle werden.‘“[3]

[1]BAGFW (2020): Ganztagsangebote für Grundschulkinder qualitätsvoll ausgestalten und nachhaltig finanzieren. Pressemitteilung der BAGFW. URL: https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/ganztagsangebote-fuer-grundschulkinder-qualitaetsvoll-ausgestalten-und-nachhaltig-finanzieren 

[2]DJI (2019): Kosten des Ausbaus der Ganztagsgrundschulangebote. Bedarfsgerechte Umsetzung des Rechtsanspruchs ab 2025 unter Berücksichtigung von Wachstumsprognosen. URL: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/_Hintergrundinformation_DJI_Kosten_Ganztag_Oktober_2019.pdf

[3] BAGFW (2020)