Sechs Bereiche auf dunklem Grund mit dem Inhalt der Umfrageergebnisse
Ergebnisse aus der IFRC-Umfrage

Die Digitale Transformation und Corona – Erkenntnisse aus dem Roten Kreuz und Roten Halbmond

Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) hat im April 2022 eine Umfrage zur digitalen Transformation während und seit Corona durchgeführt. Über 1000 Ehren- und Hauptamtliche aus den unterschiedlichen Nationalen Gesellschaften beteiligten sich. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem veröffentlicht. In diesem Blogartikel wollen wir sie für uns als Digitalisierungs-Team und für das DRK einordnen.

Umfrageergebnisse

Was lief gut und was nicht?

  • Die Nationalen Gesellschaften (NG) passten sich meist schnell an die geänderten Gegebenheiten durch Corona an – wie an das Umschwenken auf Online-Meetings, an virtuelle Angebote und digitales Ehrenamt. Je besser die NG vorbereitet waren sowie in eine gute Ausbildung und Ausstattung investierten, desto einfacher ging diese Anpassung vonstatten.
  • Für manche brachten die Veränderungen mehr Beteiligung mit sich: Durch die Teilnahme an digitalen Calls und Treffen konnten mehr Menschen miteinander verbunden werden, das Lernen von- und miteinander sowie der Wissensaustausch wurden erleichtert. Außerdem wurde der Zugang zu Führungskräften und dadurch die Möglichkeit, an Entscheidungsprozessen teilzuhaben, erhöht – insbesondere für diejenigen, die gute Verbindungen und entsprechende Fähigkeiten mitbrachten.
  • Das Ehrenamt wurde grundlegend transformiert: Es wurden neue Möglichkeiten geschaffen, sich digital zu engagieren, es entstanden neue virtuelle Angebote und die Einarbeitung und das Management in das digitale Ehrenamt verbesserten sich.
  • Corona trug zu mehr Effizienz bei: Treffen wurden weniger zeit- und kostenintensiv. Gleichzeitig wurde von vielen NG zurückgemeldet, dass die Zahl der Calls merklich zunahm und zu regelmäßiger Überforderung der Mitarbeitenden führte.
  • Nicht alles konnte digital umgesetzt werden:Kreative Sitzungen wie Brainstormings wurden durch das Umschwenken ins Digitale erschwert – genauso wie der Aufbau sozialer Kontakte, das Aufrechterhalten des Teamspirits und die Einführung neuer Mitarbeitender und Ehrenamtlicher. Auch einige Angebote konnten nicht digital geleistet werden.

Was bringt die Zukunft? Die Wünsche der Befragten

  • Nicht zurückgehen zum „alten Normalzustand“: Die Sorge ist groß, dass wir als Rotes Kreuz/Roter Halbmond zurückkehren zu den Arbeitsbedingungen, die vor Corona galten. Die Befragten wünschen sich, die Vorteile der digitalen Arbeit zu bewahren und das Gelernte für die weitere Transformation zu nutzen.
  • In Fähigkeiten und Ausstattung investieren: Digitale Kompetenzen sollten weiter auf- und ausgebaut, Hardware und digitale Tools angeschafft und gute Internetverbindungen bereitgestellt werden. Gleichzeitig wird die Gefahr größer, dass Menschen ohne diese Zugänge abgehängt werden – dass also die „digitale Schere“ weiter auseinandergeht.
  • Von jungen Menschen lernen: Junge Ehrenamtliche geben an, dass sie ihre digitalen Fähigkeiten und Ansätze an andere Menschen in den NG weitergeben konnten. Auf diesen Kompetenzen kann weiterhin aufgebaut werden.
  • Systeme stärken: Digitales Informations- und Wissensmanagement sowie die Nutzung von Daten sollten stärker fokussiert werden.
  • Die goldene Mitte (Hybridität) wählen: Die meisten Befragten wünschen sich hybride Arbeitsweisen, in denen die Vorteile der digitalen Arbeit mit denen der Arbeit vor Ort verbunden werden – und in beide Formen angemessen investiert wird.
  • Führung übernehmen: Die digitale Welt dreht sich nicht nur um Tools und Finanzierung, sondern auch um Führung, Kultur und Verbindlichkeiten, die die weitere Transformation aktiv unterstützen.

Schlussfolgerungen für das DRK

Investition in den Menschen

Unsere Welt ist zunehmend von Unbeständigkeit und Komplexität geprägt (Stichwort “VUCA”). Sie bringt ständig neue Herausforderungen hervor, die oft noch gar nicht absehbar sind. Die Pandemie war und ist dafür ein gutes Beispiel. Wir haben durch Corona (manchmal schmerzhaft) gelernt, dass wir in die Anpassungsfähigkeit des Verbands – also in seine Agilität – investieren müssen. Doch wie kann diese Investition aussehen?

Wie aus den Umfrageergebnissen des IFRC hervorgeht, ist vor allem der Faktor Mensch entscheidend bei der Bewältigung der digitalen Transformation: Insbesondere diejenigen Nationalen Gesellschaften konnten sich schnell an die Veränderungen durch die Pandemie anpassen, die die digitalen Kompetenzen der Ehren- und Hauptamtlichen gezielt aufbauten. Zusätzlich wird die technische Ausstattung (Hard- und Software, stabiles Internet) als ausschlaggebend für gelingende Anpassung angegeben. Dies deckt sich mit unseren Erfahrungen als Kompetenzzentren Digitalisierung bei Beratungen und in den Netzwerken während der Hochphase des ersten Lockdowns.

Arbeitsweisen – zurück auf Null?

Auch die Investition in die Arbeitsbedingungen lohnt sich: Der Wunsch nach anhaltenden hybriden Arbeitsweisen, die die Vorteile der digitalen und analogen Welt miteinander vereinen, ist groß – auch im Deutschen Roten Kreuz. Als Forderung steht also im Raum, dass mobiles Arbeiten weitgehend ermöglicht wird (was z.B. Arbeitswege verkürzt, Partizipation durch Online-Formate erhöht sowie Sorgearbeit und Vereinbarkeit von Freizeit und Arbeit erleichtert) und dabei auf die mentale Gesundheit sowie (wo machbar) feste Arbeitszeiten der Mitarbeitenden geachtet wird. Und gleichzeitig die wunderbaren Möglichkeiten und Vorteile der Zusammenarbeit vor Ort ausgeschöpft werden – etwa bei kreativen Brainstormings, Teamtreffen und (Un-)Konferenzen.

In Gesprächen mit Menschen aus dem Verband (z.B. in den Innovationsnetzwerken) nehmen wir gerade hingegen wahr, wie viele digitale Errungenschaften der letzten zwei Jahre wieder zurückgedreht werden, ohne die Vorteile angemessen in Betracht zu ziehen. Genug Ehren- und Hauptamtliche im DRK fragen sich, warum Entscheidungstragende nicht auch weiterhin Vertrauen in die Fähigkeiten zur Selbstorganisation und in die Autonomie ihrer Mitarbeitenden stecken. Hier ist ein Kulturwandel – maßgeblich getragen von Führungskräften – nötig und die Katze beißt sich gewissermaßen in den Schwanz: Denn kultureller Wandel gelingt eher in agilen Organisationen.

Das Risiko von Ungleichheit steigt

An mehreren Stellen der Umfrage wird außerdem deutlich, dass die Gefahr steigender Ungleichheiten zunimmt – sowohl gesamtgesellschaftlich (“Digitale Schere”) als auch in der Organisation selbst: Denn die Zugänge innerhalb des Verbandes zu Wissen, Finanzierung und Einfluss auf Entscheidungsprozesse sind ungleich verteilt. Gleichzeitig werden sie jedoch als ausschlaggebend für die Anpassungsfähigkeit der Organisation eingestuft, sodass manche Mitarbeitende, aber auch DRK-Gliederungen enorme Vorteile gegenüber anderen haben. Hier besteht das Risiko, dass sich die Ungleichheiten entlang von gesellschaftlichen Diskriminierungslinien vollziehen – also etwa hinsichtlich Gender, Klasse und Race. Unter diesen Gesichtspunkten wird die Frage drängender: Wie wollen wir die “neue Normalität” unseres Verbandes, aber auch der Gesellschaft, gestalten?

Quelle:Link zur Studie der IFRC zu Digital Transformation

Mehr lesen zur digitalen Transformation im Deutschen Roten Kreuz:

Während der Pandemie haben wir uns als Digitalisierungs-Team an mehreren Stellen mit der digitalen Transformation und den Veränderungen durch Corona beschäftigt. Hier ist eine Auswahl unserer Blogartikel:


Weiter diskutieren und austauschen

Sie wollen sich weiterhin mit Fragen rund um die digitale Transformation im DRK auseinandersetzen? Dann kommen Sie gerne in die Social Innovation Community, ein Netzwerk, das für alle im DRK offen ist und in dem nicht nur der inhaltliche Austausch im Mittepunkt steht, sondern vor allem auch praktische Lösungen erprobt werden! Einfach melden bei Anna-Lena Kose und Jennifer Geiser: sic(at)drk(dot)de