Wie führt man digitale Vorstellungsgespräche?

Wie führt man digitale Vorstellungsgespräche?

Im 2. Teil unserer Interviewreihe zum Recruiting und Onboarding in der digitalen Arbeitswelt beantworten Carola von Peinen von Talents4Good sowie Annette Schneider, Nadja Saborowski und Gisela Wedler vom Deutschen Roten Kreuz Fragen zur Führung von digitalen Vorstellungsgesprächen. Sie schätzen die Bedeutung der neuen Formate ein und vergleichen sie mit der analogen Variante.

In der Pandemie gibt es ja fast nur noch digitale Vorstellungsgespräche. Ist das ein Trend oder kehren alle bald wieder zu analogen Gesprächen zurück oder entsteht etwas Neues?

Carola von Peinen: 

Ich denke, dass wir beides in Zukunft haben werden. Das erste Gespräch digital, die finale Auswahl in Persona. Gerade für Organisationen, in denen viele Leute in die Gespräche involviert sind, ist die digitale Variante bequemer, schneller und kostengünstiger umzusetzen. 

Annette Schneider:

Ich meine schon, dass etwas Neues entsteht. Das aus der „Pandemienot“ geborene Format wird das analoge Gespräch sicherlich nicht komplett verdrängen. Für Erstgespräche und eventuell auch im Falle größerer räumlicher Entfernung zwischen Bewerber und potenziellem Arbeitgeber wird das digitale Vorstellungsgespräch fest „im Programm bleiben“, davon bin ich auch überzeugt. Es wird dabei aber viel Fingerspitzengefühl gefragt sein. Für manche Menschen stellt ein digitales Vorstellungsgespräch eine größere Hürde oder möglicherweise sogar ein Ausschlusskriterium dar. Man sollte hier offen und flexibel sein, auf welches Format man sich im Einzelfall einigt. Auch die Erfahrungs- und Gefühlswelt der am Rekrutierungsprozess befassten Kolleginnen und Kollegen muss dabei Berücksichtigung finden. 

Welche neuen Elemente und Fragen sind durch digitale Bewerbungsgespräche hinzugekommen?  

Nadja Saborowski:  

Für die inhaltlich Vorbereitung eines Gesprächs sehe ich kaum Unterschiede zwischen digital und analog. Eher bieten digitale Gespräche eine zusätzliche Möglichkeit, bestimmte Skills zu testen. Hierfür kann man jedoch auch analog Wege finden.  

Gisela Wedler:  

Digitale Bewerbungsgespräche beinhalten auch immer eine zusätzliche Hürde, den Umgang mit den digitalen Anwendungen. Das fängt beim Umgang mit dem ausgewählten Videokonferenzanwendung an und kann, falls sich über Inhalte und Formate ausgetauscht wird, auch weitere digitalen Anwendungen, Office-Tools oder digitale Whiteboards, beinhalten. Wer mit dem digitalen Arbeiten Erfahrung hat, ist hier klar im Vorteil. Bei der Auswahl sollte man also wissen, wie wichtig die digitalen Vorkenntnisse für die zu besetzende Stelle sind, und eventuelle technische Schwierigkeiten im Gespräch nicht überbewerten. Der Umgang mit digitalen Anwendungen kann auch Teil des Onboarding-Fahrplans werden. 

Kann man die Persönlichkeit einer Bewerberin oder eines Bewerbers über eine Videokonferenz wirklich gut erfassen?  

Nadja Saborowski:  

Auch in Präsenz bieten Bewerbungsgespräche kaum eine Chance eine Persönlichkeit zu erfassen. Ich nehme wahr, dass sich die Bewerberinnen oder der Bewerber zum Teil deutlich wohler fühlen, in ihren eigenen vier Wänden zu sein, und ggf. die Vorbereitung griffbereit haben. Damit hat man sogar eher die Chance, Authentizität zu erleben. Gespräche nehme ich zumeist als lockerer wahr. Dennoch bieten digitale Formate auch eine Herausforderung. Man kann bspw. nicht mehr erkennen, ob die Bewerberin oder der Bewerber nur mit der ranghöchsten Person im Raum spricht, oder ob alle Anwesenden einbezogen werden, oder ob Blickkontakt gehalten wird. Hier gilt es neue Lesarten zu entwickeln.

Gisela Wedler: 

Digitale Begegnungen haben natürlich nicht die gleiche Qualität und sind meist viel fokussierter und dadurch eindimensionaler. Man bekommt nicht die unterschiedlichen Facetten, Neben- und Zwischentöne mit, die bei einer persönlichen Begegnung zumeist mitschwingen. Deswegen ist es bei einem digitalen Vorstellungsgespräch umso wichtiger, die Fragen und den Ablauf des Gesprächs gut zu planen, um Kompetenzen und Herangehensweisen der sich Bewerbenden gut zu erfassen.  

Haben Menschen, die sich digital vorstellen, die gleiche Chance eine Stelle zu erhalten wie jene, die sich persönlich vorstellen können? Wie kann man sicherstellen, dass dies geschieht?  

Annette Schneider: 

Die Wahrung von Chancengleichheit muss klares Ziel bleiben. Insoweit ist notwendig, dass Ablauf und Gestaltung der Gespräche unabhängig vom Format gleichförmig und standardisiert erfolgen, sonst wird der Vergleich zwischen den sich auf unterschiedliche Weise vorstellenden Bewerbern schwierig. Im Übrigen – hierauf hat die Kollegin Gisela Wedler schon zutreffend hingewiesen - gilt es sich bewusst zu machen, dass eine überzeugende und sichere Präsentation im digitalen Format mit Erfahrung und Sicherheit im Umgang mit digitalen Instrumenten erfordert. Bei demjenigen, der damit in seinem bisherigen Berufsalltag weniger konfrontiert und gefordert war, wird man hier nachsichtiger und entsprechend wohlwollender bewerten müssen. 

Dies ist der 2. Beitrag in einer vierteiligen Interviewreihe. Sie haben den ersten Beitrag über das Gewinnen von neuen Mitarbeitenden auf dem digitalen Weg verpasst? Hier können Sie diese finden. In der kommenden Woche setzen wir die Interviewreihe fort und stellen unseren Interviewpartnerinnen und Partnern u.a. die Frage: Wie kommt man im Haus an, wenn niemand da ist? Wie funktioniert ein digitales Onboarding?

Teilgenommen am Interview haben:

Carola von Peinen (Talents4Good GmbH) ist studierte Betriebswirtin. Sie war 9 Jahre in verschiedenen Positionen für das Personaldienstleistungsunternehmen Randstad tätig. 2012 gründete sie mit weiteren Mitstreiter*innen das Sozialunternehmen Talents4Good, das sich auf die Personalberatung und Rekrutierung von Fach- und Führungskräften für soziale, ökologische und nachhaltige Organisationen spezialisiert hat. Dort ist sie bis heute als Geschäftsführerin tätig. Digitales Arbeiten und moderne Arbeitswelten, die die Bedürfnisse von Mitarbeiter*innen und Arbeitgeber in einen sinnvollen Einklang bringen, sind ein wichtiger Teil der DNA von Talents4Good. 

Annette Schneider ist seit dem Jahr 2000 für den DRK e.V. tätig und u.a. mit arbeitsrechtlichen und personalrechtlichen Aufgabenstellungen befasst. Sie leitet im DRK-Generalsekretariat das im Bereich Zentrale Dienste verortete Team Personal. Dieses ist zuständig für die Betreuung von derzeit ca. 350 Arbeitsverhältnissen im Inland sowie durchschnittlich 90 Arbeitsverhältnissen mit Auslandsdelegierten, die in Not- und Krisengebieten dieser Welt eingesetzt sind. (E-Mail-Adresse)

Nadja Saborowski ist seit 2016 im DRK und leitet seit 2019 das Team Soziale Arbeit und Bürgerschaftliches Engagement. Themenbezogen werden im Team sozialpolitische Vorhaben aus Politik und Verbänden mitgestaltet, Positionen des DRK vorbereitet und sowohl innerverbandlich als auch nach außen vertreten. Es werden Rahmenvorgaben für den Gesamtverband entwickelt und die Mitgliedsverbände werden bei deren Umsetzung fachlich unterstützt. In ihrer Arbeit ist es ihr wichtig, die Verbandsperspektiven und die konkreten Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen der Einrichtungen und Diensten einzubringen und sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Arbeit einzusetzen sowie passgenaue Angebote zu etablieren. (Kontaktinformationen)

Gisela Wedler ist seit 2020 im DRK und leitet das Team Gesellschaftliche Trends und Innovationen im Bereich Jugend und Wohlfahrtspflege. Die Aufgaben ihres Teams beinhalten die Querschnittsthemen Digitalisierung und soziale Innovation, Diversity Management, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie Europapolitik, die eng mit den anderen Teams und Fachbereichen verknüpft sind. (Kontaktdaten)