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Soziale und gesundheitliche Berufe in der DRK-Wohlfahrt: Herausforderungen & Potenziale

Die Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege ist für die Gesellschaft von unermesslichem Wert – ihre Bedeutung fällt jedoch häufig erst dann auf, wenn sie nicht mehr (wie in gewohntem Umfang) gewährleistet ist. Dies zeigt sich nicht nur in Zeiten der Covid-19-Pandemie, in der viele soziale Einrichtungen wie Kitas, Pflegeeinrichtungen oder soziale Beratungsstellen temporär schließen oder ihren Leistungsumfang spürbar einschränken mussten.

Auch außerhalb dieses Krisenzeitraums kommt der sozialen, gesundheitlichen und pflegerischen Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege in ihrer Vielfalt eine wichtige gesellschaftlich stabilisierende und integrativ wirkende Rolle zu. Wohlfahrtsarbeit und die sie gestaltenden sozialen Berufe waren, sind und bleiben systemrelevant. 

Die Beschäftigungsvielfalt der DRK-Wohlfahrt

Die DRK-Wohlfahrt umfasst ein breites Spektrum an Einsatzfeldern – von unterschiedlichen Formen der Sozialen Beratung über Angebote und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Angebote und Leistungen der Eingliederungshilfe sowie einem vielfältigen Angebot an Pflegedienstleistungen und Angeboten aus dem Gesundheitswesen. Diese Tätigkeitsbereiche illustrieren die Rolle des DRK als Träger der gesellschaftlichen Wohlfahrtsarbeit und verdeutlichen den Dualismus neben der Eigenschaft als nationale Hilfsgesellschaft. 

Mit dem Leistungsspektrum der DRK-Wohlfahrt verbunden ist auch eine Heterogenität an Berufsfeldern und Berufen, die häufig allein mit dem Schlagwort der Sozialen Arbeit oder sozialen Berufen versehen sind – sich jedoch unter dieser Kategorisierung nur bedingt abbilden lassen. So fallen neben offiziell als Sozialarbeitern qualifizierte Beschäftigte auch die zahlreichen Beschäftigten in den vielfältigen Erziehungs- und Pflegeberufen in den Bereich der sozialen und gesundheitlichen Berufe der DRK-Wohlfahrt. Der Begriff soziale und gesundheitliche Berufe erscheint beim Blick auf die Heterogenität der Berufe angemessener, verdeutlicht er doch das interdisziplinär und in seinem für vulnerable Gruppen breit angelegte Angebotsspektrum angelegte Selbstverständnis der DRK-Wohlfahrt. 

Beschäftigungspolitik in der DRK-Wohlfahrt: Versuch einer Standortbestimmung 

Die Arbeit in sozialen und gesundheitlichen Berufen ist mehr „als irgendetwas mit Menschen“ – sie hat integrativen Charakter und nimmt einen wichtigen Stellenwert im sozialen Fürsorgesystem ein.  So ist es nur wenig überraschend, dass diese Berufe eine zunehmend steigende Fach- und Arbeitskräftenachfrage verzeichnen. Jedoch zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass dieser nicht ausschließlich mit den Inhalten der Berufe zu tun hat, sondern darüber hinaus auf eine Vielzahl begleitender Ursachen zurückzuführen ist. 

Insbesondere im Bereich der Pflege wird gesamtgesellschaftlich bereits seit Jahren von einem flächendeckenden Fachkräftemangel gesprochen. Bisherige politische Lösungsansätze wie etwa groß angelegte Anwerbeabkommen mit Drittstaaten oder die Konzertierte Aktion Pflege haben auf dem Weg zu einer langfristigen Beschäftigungssicherung noch keine nachhaltigen Erfolge erzielen können, die Suche geht weiter. Daneben wird insbesondere im Bereich der Erziehungsberufe angesichts des bis zum Jahr 2025 in Aussicht gestellten Anspruch auf Ganztagesbetreuung für Grundschulkinder ein Szenario genährt, das bereits heute bestehende Personalengpässe weiter verschärft. 

Diese gesamtgesellschaftlich zu beobachtenden Entwicklungen treffen auch für die Bereich der Freien Wohlfahrtspflege und die DRK-Wohlfahrt zu und stellen perspektivisch die Aufrechterhaltung der Angebotsstruktur und die Einrichtungsqualität vor große Herausforderungen

Beschäftigungssicherung wird jedoch auch für andere soziale Einrichtungen und Angebote zum Problem, wenn die mit den Berufen korrespondierende Wertschätzung nicht mehr gegeben ist. So zeigt sich etwa auch in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, den Angeboten der Eingliederungshilfe oder den vielfältigen Formen der Sozialen Beratung, dass die Suche nach geeignetem Personal mehr und mehr zur Herausforderung mit unklarem Ausgang wird. Der Bereich der sozialen und gesundheitlichen Berufe ist inmitten eines Umbruchs begriffen, der viele Fragen vorauswirft, aber auch Potentiale bereithalten kann. 

Berufe in der DRK-Wohlfahrt: Viele Wege führen in die Wohlfahrt!? 

Soziale und gesundheitliche Berufe sind trotz ihres jeweiligen Einsatzgebiets innerhalb der DRK-Wohlfahrt hinsichtlich ihrer Qualifikationserfordernisse nicht notwendigerweise vergleichbar. So gelten etwa in den Bereichen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie in den Pflegeberufen die bekannten Ausbildungswege zur/zum staatlich geprüften Erzieher/in sowie zum Kranken-/Altenpfleger zwar als dominant, aber nicht mehr ausschließlich als die relevanten Berufsausbildungen für die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten.  Die Einführung vielzähliger neuer Ausbildungs- und Qualifizierungswege ermöglicht die Ausbildung hin zu (Hilfs-)Tätigkeiten in den sozialen und gesundheitlichen Berufen. Gleichzeitig jedoch wird auf diesem Wege auch Verunsicherung gefördert, welche Vor- und Nachteile mit welchem Ausbildungsweg einhergehen und soziale Einrichtungen werden hinsichtlich der Unterscheidbarkeit und der Einsetzbarkeit ausgebildeten Personals zunehmend vor Probleme gestellt. 

Die undurchsichtige Qualifikationsvielfalt stellt in Einzelfällen nicht selten eher ein weiteres Hindernis als einen effektiven Lösungsansatz bei der Bewältigung des Fach- und Arbeitskräftebedarfs dar. 

Wichtig ist in diesem Kontext jedoch auch die Selbsterkenntnis, dass die Beschäftigungssituation in sozialen und gesundheitlichen Berufen nicht nur alleine von der Nachfrage, sondern maßgeblich auch vom verfügbaren und attraktiven Angebot abhängt – und für dieses sind die Einrichtungen der DRK-Wohlfahrt auch mitverantwortlich. 

Thinking out of the box: Berufszugänge neu- und weiterdenken 

Dennoch ist und bleibt der Aspekt der fachlichen Qualifizierung mit Blick auf die Arbeitsfelder der DRK-Wohlfahrt zentral und es stellt sich die Frage, wie sich Ausbildung und Qualifizierung anhand der bestehenden Pfade bedarfsgerecht gestalten lassen. Weder ein Aufweichen von Qualitätsstandards noch die Einführung neuer Ausbildungswege und neuer Berufsbilder kann das beschäftigungspolitische Dilemma in den sozialen und gesundheitlichen Berufen unmittelbar lösen. Wege der Bedarfsdeckung für die Einsatzfelder DRK-Wohlfahrt müssen anders ausgestaltet sein, um auf Akzeptanz zu stoßen und das bisherige System um neue beschäftigungspolitische Ideen und Konzepte zu ergänzen.  

Angesichts zunehmend brüchiger Erwerbsbiographien und der übergeordneten Individualisierung von Lebens- und Karrierewegen ist es insbesondere für soziale und gesundheitliche Berufe der DRK-Wohlfahrt wichtig, auch zukünftig nicht nur attraktiv, sondern auch „erreichbar“ zu sein. So könnten beispielsweise ergänzende und niedrigschwellige Angebote der einrichtungsseitigen Nachqualifizierung sowie die Entwicklung ergänzender und klar integrierter Aus- und Weiterbildungskonzepte, neue Impulse und Chancen für die Beschäftigungssicherung bereithalten. 

Ein „Neudenken“ von Berufszugängen und ein innovativer Blick zur Personalgewinnung sind wichtig, um das eigene Verständnis von sozialen und gesundheitlichen Berufen um neue Perspektiven zu erweitern, neue Personengruppen anzusprechen und so wertvolle Potenziale für die tägliche Arbeit zu heben und zu entwickeln.  

Attraktivität steigern: Anpassung von Arbeitsbedingungen & Karrierewege

Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen in den sozialen und gesundheitlichen Berufen zeigt sich teilweise ein umfassender Reform- und Verbesserungsbedarf. So führen etwa nur schwer zu planende Arbeitszeiten und die häufig unzureichende Personalausstattung der Einrichtungen zu zunehmenden psychosozialen Belastungen, die viele Menschen von der Aufnahme eines entsprechenden Berufs abschreckt und die Fluktuation erhöht – so jedenfalls Erfahrungsberichte aus Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe sowie der Altenhilfe. Darüber hinaus führen auch fehlende Karrierewege – etwa in Kitas und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – zu langfristigen Unmutstendenzen, die sowohl die Personalgewinnung- als auch bindung erschweren. 

Die mögliche Gestaltung von Karrierepfaden hängt jedoch nicht nur vom Gutwillen der Einrichtungen selbst und von dem Konkurrenzdruck durch private Anbieter ab, sondern wird insbesondere einerseits von landesspezifischen Vorgaben und andererseits von der zumeist sehr restriktiven Finanzierung und finanziellen Ausstattung der Einrichtungen beeinflusst. Mit Blick auf Potenziale der Arbeitsgestaltung und Anpassung der einrichtungsseitigen Rahmenbedingungen in Zeiten eines sich verschärfenden Arbeitskräftemangels ist dringend auch die Politik gefordert, bestehende Regelungen zu überdenken und gemeinsam mit der Freien Wohlfahrtspflege neue Impulse für eine langfristige Beschäftigungssicherung zu setzen. 

Die Zukunft der sozialen und gesundheitlichen Berufe liegt im Interesse und der Hand aller 

Die Diskussion um soziale und gesundheitliche Berufe und ihre Systemrelevanz braucht mehr als kurzweilige Lippenbekenntnisse und darf im Sinne der Dienste der DRK-Wohlfahrt nicht am falschen Punkt ansetzen. Mit Blick auf ihre gesellschaftliche Reichweite und Funktion brauchen soziale und gesundheitliche Berufe aus Sicht der DRK-Wohlfahrt eine stärkere Verankerung in der öffentlichen Debatte und ein damit verbundenes vorausschauendes Zukunftskonzept für die Aufrechterhaltung ihrer Strukturen und Leistungsfähigkeit. 

Damit verbunden sein müssen neben verbesserten Rahmenbedingungen und einer allgemeinen Aufwertung von sozialen und gesundheitlichen Berufen zwingend auch neue, innovative Konzepte. Diese müssen die Wohlfahrtspflege in die Lage versetzen, die Vielfalt der Beschäftigung in der Freien Wohlfahrtspflege abzubilden, neue Beschäftigungszugänge umzusetzen und den Nachwuchs von morgen qualifikationsübergreifend zu binden. 

Bei der Diskussion um die Beschäftigungssituation- und entwicklung in den Wohlfahrtsberufen handelt es sich entgegen mancher Einwände nicht um einen Selbstzweck – es geht um die systemrelevante soziale Infrastruktur unserer Gesellschaft.