Digitale Alternde Gesellschaft (28.02.2023)
Das Jahresgutachten 2023 der Expertenkommission für Forschung und Innovation ist veröffentlicht, hier die zentralen Ergebnisse in aller Kürze:
Das Jahresgutachten kritisiert deutlich die Innovationspolitik der Bundesregierung, es fehlt an konkreten Vorgaben, Verpflichtungen und einer missionsorientierten Ausrichtung der Strategien. Außerdem müssen alsbald das im Koalitionsvertrag vereinbarte Globalbudget für Digitalisierung implementiert werden. Ein Schwerpunkt des Gutachtens ist das Kapitel “Innovation in einer alternden Gesellschaft.” Neben wirtschaftspolitischen Forderungen zur Nutzung der “Innovationspotenziale von älteren Bürger:innen” fordert das Gutachten den Ausbau der digitalen Teilhabe der älteren Menschen in Deutschland. Es braucht eine “gezielte Stärkung von Digitalkompetenzen” durch passgenau Förderungen. Zudem sollten im Bereich Gesundheit und Pflege "grundlegende und berufsspezifische digitale Kompetenzen" zum Standardrepertoire der Fachkräfte werden, weshalb sie in die Lehrpläne in der Ausbildung aufgenommen werden sollen.
Neues aus dem BGB: Digitale und hybride Mitgliederversammlungen von Vereinen (15.02.2023)
Der Bundestag hat den Änderungsvorschlägen des Bundesrates zur „Ermöglichung digitaler Mitgliedersammlungen im Vereinsrecht“ zugestimmt (§ 32 Abs. 2 BGB). Vereine haben somit jetzt die Möglichkeit, jederzeit ohne Satzungsänderung eine hybride Versammlung durchzuführen. Der Verein kann auch eine vollständig digitale Mitgliederversammlung durchführen, doch dies ist im Gegensatz zur hybriden Mitgliederversammlung erst von den Mitgliedern zu beschließen. Es wird außerdem vorgegeben, dass bei virtuellen und hybriden Mitgliederversammlungen die Mitglieder über die Art und Weise, wie sie „ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können“ informiert werden müssen.
Was folgt daraus im Sinne einer digitalen Teilhabe?
Eine vollständig digitale Mitgliederversammlung sollte nur einberufen werden, wenn sichergestellt werden kann, dass wirklich alle Mitglieder des Vereins auch vollständig und kompetent teilnehmen können und somit niemand von Vereinsaktivitäten ausgeschlossen wird. Den aktuellen Mitgliedern sollte außerdem bewusst sein, dass sie durch den Beschluss einer virtuellen Mitgliederversammlung, alle potenziellen zukünftigen Mitglieder und Interessierten ohne digitale Kompetenzen oder Zugang zum Internet möglicherweise automatisch vom Verein ausschließen.
Klar ist auch, dass es nicht ausreicht, einfach einen Videokonferenz-Link und Passwort an die Mitglieder zu versenden. Es sollte insb. für Mitglieder mit geringen digitalen Kompetenzen eine umfassende Erklärung über die Nutzung einer digitalen Lösung geben.
Hier findet Ihr Tipps und Hinweise zur Durchführung einer Videokonferenz und Mitgliederversammlung:
Aus dem Methodenbaukasten der DRK-Wohlfahrt:
- Acht Phasen der digitalen Veranstaltungskonzeption und -moderation
- Leitplanken für digitale Veranstaltungen
- Hinweise-Set für hybride Veranstaltungen
Auch besonders zum Empfehlen: Die Checkliste für inklusive Online-Veranstaltungen des Paritätischen Gesamtverband
Quellen:
Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht [PDF]
Der Paritätische Gesamtverband: Fachinformation zum Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht
Sichere Internetfeiertage im Feburar (08.02.2023)
Seit 2004 wird am 7. Februar der Safer Internet Day in vielen Ländern der Welt gefeiert (2023 schon knapp 180). Es ist der Tag des sicheren Internets und dessen Nutzung. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto „#OnlineAmLimit – dein Netz. dein Leben. deine Grenzen.“ Mehr über die Aktionen und diverse Unterstützungsmaterialien insb. für Kinder und Eltern findet ihr unter https://www.klicksafe.de/sid23. Bereits letzte Woche Mittwoch war der Weltpasswort-Tag, der uns allen als kleiner Reminder dient, unsere Passwörter und -phrasen zu überprüfen und anzupassen. In aller Kürze hier meine kleine To-Do-Liste für alle Lesenden: Kurze Passwörter aussortieren und durch mindestens 12-16 Zeichen mitsamt GROSS- und kleinschreibung, Zahl3n und S°nd€rzeichen ersetzen. Aber wie kann man sich das merken? Zwei Wege: 1) Nutze Merksätze statt Wörter. 2) installiere einen Passwortmanager. Nutze überall, wo möglich die 2-Faktor-Authentifizierung.
Auch politisch gibt es in diesem Bereich News: Das Forum Privatheit (Koordination vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, finanziert vom BMBF) fordert in ihrem aktuellen White Paper ein regelmäßiges Löschen (Co-Autorin Jessica Heesen schlägt 1 Jahr vor) von Daten von Kindern im Internet aus sensiblen Kontexten, “es sei denn dies steht im Konflikt mit den Interessen [best interest] des Kindes. (Whitepaper, S. 24) Denn Kinder und Jugendliche sollten ein „Recht auf eine offene Zukunft“ haben und die bereits geltenden Schutzmaßnahmen und Rechte müssen vollständig umgesetzt werden. Dies ist eine sehr spannende Forderung, die wir weiter insb. mit Kindern und Jugendlichen diskutieren und überprüfen sollten. Ergänzend ist in diesem Kontext zentral, dass Bund und Länder die digitalen Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen, Eltern und Fachkräften dezidiert und gefördert ausbauen. Mit einem souveränen und kompetenten Umgang erhöht sich die Sicherheit jeder Gruppe im Netz.
Quelle: Privacy and Children’s Rights – White Paper
Empfehlung: Ein Interview mit einer Co-Autorin des Whitepapers, Jessica Heesen
Digitale staatliche Leistungen für alle – ein kleines Update (03.02.2023)
Aktuell werden die Reformen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und E-Government-Gesetzes (EGovG) diskutiert, ein Referentenentwurf liegt vor. Wir prüfen aktuell in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) den Entwurf. Bereits jetzt ist festzuhalten, dass ein neuer Paragraf zur Nutzungsfreundlichkeit und Barrierefreiheit kommen soll. Dieser ermöglicht es sehr vielen Menschen potenziell die digitalisierten Verwaltungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Umsetzung wird hier der Knackpunkt bleiben und zugleich ist ein Kontrollmechanismus geplant: Bei der anstehenden Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes soll das Verbandsklagerecht für OZG und EGovG eingeführt werden.
Eine vollständig digitale Leistung wird aktuell diskutiert: Das 49-Euro Deutschland-Ticket. Zum 1. Mai 2023 soll es vielleicht so weit sein. Ein „digital only“-Smartphone-Ticket fordert Bitkom-Präsident Achim Berg mit der Zusatzalternative: Chipkarte zum Auslesen. Bei diesem Vorhaben möchte ich auf die Studie der BAGSO „Leben ohne Internet – geht’s noch?“ verweisen, die zeigt, dass ältere Menschen ohne Smartphone die wenigen Verkaufsstellen und abnehmenden Kundenservice als Herausforderung sehen. Allein dieses kleine Beispiel zeigt, dass digitale Teilhabe in einem Spannungsfeld liegt und in bei allen Digitalisierungsvorhaben mitgedacht werden muss. Es liegt jetzt an Verkehrsministerien und -unternehmen hier alle Menschen im Zug mitzunehmen.
Strategie der Bundesregierung zum Fachkräftemangel (12.10.2022)
Die Digitalisierung wird als eine der treibenden Kräfte des Fachkräftemangels bzw. -bedarfes in der veröffentlichten Fachkräftestrategie der Bundesregierung benannt. Es fehlen mehr als 96.000 Fachkräfte davon auch ein Teil beim Deutschen Roten Kreuz.
Was sind die Strategien und Maßnahmen mit Digitalisierungsbezug?
Das Home-Office soll weiter standardisiert werden: Nach dem Öffnen der Möglichkeiten fürs Home-Office zur Coronapandemie bleibt die Nutzung stabil bei der Verdopplung im Vergleich zu 2020. Mit dem Programm „Arbeit: Sicher und Gesund“ sollen ein Handlungsrahmen und Standards entwickelt werden.
Ausbau der digitalen Kompetenzen: Digitalisierung soll neben Nachhaltigkeit und Umweltschutz Teil der Mindeststandards bei Ausbildungen werden. Digitale Kompetenzen sind schon Teil der überarbeiteten „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ und in die sich im Aufbau befindende „Nationale Online Weiterbildungsplattform“ [Start voraussichtlich 2024] verankert werden.
24.06.2022: Lange Ladezeiten? - Wie auch Sie schnelleres Internet einfordern können!
Wir berichteten bereits über die Verordnung der Bundesnetzagentur zu Mindestgeschwindigkeiten (150 Mbit/s Down- und 1,7 Mbit/s Upload sowie 150 ms Latenz) im Internet. Jetzt hat diese auch der Bundesrat angenommen und sie ist im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und somit geltend.
Was ist zu tun, um eine höhere Geschwindigkeit einzufordern?
- Beginn einer s.g. Messkampagne mit breitbandmessung.de
- Innerhalb von 14 Tagen müssen an 3 Tagen je 10 Messungen durchgeführt werden
Messkriterien:
- Zwischen jedem Messtag muss mindestens ein Kalendertag liegen.
- Zwischen jeder Messung müssen mindestens 5 Minuten liegen.
- Zwischen Messung 5 und 6 müssen mindestens 3 Stunden liegen.
Wann haben Sie einen Anspruch?
Entweder wenn die „vertragliche zugesicherte maximale Geschwindigkeit“ an mindestens 2 von 3 Messtagen nicht 90 Prozent erreicht oder wenn die „normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit“ in 90% der Messungen nicht erreicht wird oder wenn an mindestens 2 von 3 Tagen einmal die Mindestgeschwindigkeit unterschritten wird. Die Werte ihrer Geschwindigkeiten muss ihr Anbieter im Produktinformationsblatt ausweisen.
Was nun?
Durch Ihren Anspruch haben Sie laut Bundesnetzagentur nun 2 Möglichkeiten. Entweder Sie wenden sich erstmal an Ihren Anbieter und machen Ihren Anspruch geltend. Damit könnten Sie entweder auf Verbesserungen des Netzausbaus oder eine Kostenminderung setzen. Oder Sie können eine außerordentliche Kündigung einreichen und an Anbieter wechseln.
Insgesamt können somit auch wir in der DRK-Wohlfahrt diesen Anspruch geltend machen und uns für eine minimale bzw. für die vertraglich zugesicherte Internetgeschwindigkeit einsetzen. Hierzu hat die Verbraucherzentrale NRW direkt das passende Tool zum Aufsetzen eines passenden Anschreibens an den Anbieter. (Link)
Die vollständige Erklärung und weitere Informationen finden Sie bei der Bundesnetzagentur.
16.05.2022: Gesetzlicher Anspruch auf Internet, bald mit Untergrenze
Ein neuer Schritt in Richtung digitale Teilhabe ist gerade in einer Verordnung festgehalten worden. Bereits mit dem neuem Telekommunikationsgesetz besteht der individuelle Anspruch auf eine Versorgung mit einem Mindestangebot an Telekommunikationsdiensten. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr beschreibt es als „ein Sicherheitsnetz zur Sicherstellung einer angemessenen sozialen und wirtschaftlichen Teilhabe, das all jene auffängt, die bislang noch nicht ausreichend mit Telekommunikationsdiensten versorgt werden.“
Doch wie die Mindestgeschwindigkeit hierfür aussehen soll, stand noch aus. Der Entwurf einer Verordnung der Bundesregierung wurde am 4. Mai veröffentlicht: 10 Mbit/s Download, 1,7 Mbit/s Upload und 150 ms Latenz. Mindestanforderungen, die sehr unterschiedlich bewertet werden. Gerade die Download- und Uploadgeschwindigkeit wird vielfach kritisiert (u.a. von der Verbraucherzentrale Bundesverband) und es werden höhere Mindestwerte verlangt, um dem aktuellen Bedarf an Bandbreitengeschwindigkeit gerecht zu werden.
Zum Vergleich: Ein aktuelles Programm der U.S. Regierung erlässt ärmeren Menschen die Internetkosten und legt fest, dass die Angebote der Telekommunikationsdienste mindestens 100 Mbit/s im Download haben, was aus der Regierungsperspektive ausreichend für den üblichen Verbrauch einer vierköpfigen Familie ist. |
Die Hauptargumente gegen höhere Mindestwerte sind einerseits, dass die aktuelle Mindestbandbreite bei 80 Prozent der Bevölkerung noch etwas niedriger ist als die Werte in der Verordnung. Außerdem würden höhere Mindestwerte auch Ressourcen und Investitionen vom Glasfaserausbau abziehen, um diese zu realisieren und dies ist ebenfalls nicht gewünscht.
Alles in allem ist festzustellen, dass es jetzt erstmalig auch Mindestgeschwindigkeiten für das Internet geben wird – voraussichtlich zum 1. Juni 2022. Wer aber heute noch keinen Zugang zum Internet hat, kann aufgrund des Telekommunikationsgesetzt sich an die Bundesnetzagentur wenden. Genauso wie bei erheblichen, kontinuierlichen Abweichungen zur bestellten Geschwindigkeit. Dazu nutzen Sie https://breitbandmessung.de/
04.05.2022: Online-Beglaubigungen beim Notar kommen
Das Bundesministerium für Justiz hat einen aktualisierten Referentenentwurf zu Änderungen im Gesellschaftsrecht veröffentlicht. Die Umsetzung der EU-Digitalisierungsrichtlinie nimmt nun Fahrt auf und es wird in den kommenden Wochen im Bundestag darüber abgestimmt. Was kommt für das DRK?
Es wird bald möglich sein eine Gesellschaft online zu gründen, denn die Beglaubigung von Dokumenten zum Eintrag in bspw. das Vereins- oder Handelsregister wird per Videokonferenz mit dem Notar möglich. Noch wichtiger für den Arbeitsalltag vieler Verbände ist es, dass einstimmige Gesellschafterbeschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrags in Zukunft ebenfalls digital vom Notar beglaubigt werden können. Wir können also z.B. einstimmige Beschlüsse zur Satzungsänderung per Videokonferenz beglaubigen lassen. – Hier sind Kosten- und Zeitersparnis sicherlich die größten Vorteile für uns. Die Ausgestaltung im Detail bleibt abzuwarten und wir werden nach Verabschiedung des Gesetzes ausführlicher berichten. (Hier der Referentenenwurf)
31.03.2022: BMBF integriert Soziale Innovationen im Ministerium
Gestern meldete das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dass zum 1. April 2022 Zarah Bruhn zur Beauftragten für Soziale Innovationen ernannt wird. Die Unterstützung von Innovatorinnen und Innovatoren steht somit im Mittelpunkt der Sozialunternehmerin. Sie ist insbesondere als Gründerin und CEO von socialbee gGmbH bekannt. Socialbee unterstützt Unternehmen mit Integrations- und Einstellungsprojekten für Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen. Jetzt gilt es, die Forschung im Bereich der Sozialen Innovationen zu fördern, denn das Wissen und die Ressourcen der Zivilgesellschaft sind enorm und können dem Gemeinwohl zugutekommen.
Damit geht Hand in Hand das neue Referat 115 "Strategische Vorausschau; Partizipation; Soziale Innovation" unter der Leitung von Nicole Burkhardt. Wir sind auf die kommenden Forschungsprojekte und Maßnahmen gespannt. Sowohl Forschung als auch die Zivilgesellschaft kann von neuen Erkenntnissen sehr viel lernen und diese zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen.
Quellen: Bundesministerium für Bildung und Forschung Pressemitteilung und Organigramm
15.03.2021: Warnung des BSI zu Kaspersky
Über die aktuellen Ereignisse und Beschlüsse rund um die Ukraine werden Sie in unserem Ukraine Live-Blog ausführlich informiert. Jetzt kommt aber auch eine digitaler Warnhinweis des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hinzu. Das Bundesamt warnt ausdrücklich vor dem Einsatz von Produkten des Herstellers Kaspersky. Gerade für Antivirenprogramme braucht es umfassende Zugriffsrechte auf die Systeme der Nutzenden, welche das BSI folgendermaßen zusammenfasst:
"Antivirensoftware, einschließlich der damit verbundenen echtzeitfähigen Clouddienste, verfügt über weitreichende Systemberechtigungen und muss systembedingt (zumindest für Aktualisierungen) eine dauerhafte, verschlüsselte und nicht prüfbare Verbindung zu Servern des Herstellers unterhalten. Daher ist Vertrauen in die Zuverlässigkeit und den Eigenschutz eines Herstellers sowie seiner authentischen Handlungsfähigkeit entscheidend für den sicheren Einsatz solcher Systeme. Wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Herstellers bestehen, birgt Virenschutzsoftware ein besonderes Risiko für eine zu schützende IT-Infrastruktur."
Es empfiehlt sich somit, die eigene IT-Sicherheit auf Kaspersky-Produkte zu überprüfen und abzuwägen, ob man entsprechend der Warnung des BSI auf eine andere Software setzten möchte.
Quelle: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
30.11.2021: Digitalpolitik im Koalitionsvertrag
„Wir wollen einen grundlegenden Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet” (Auszug aus dem Koalitionsvertrag, S. 8).
Die Ampel kommt. Früher als erwartet haben die zukünftigen Regierungsparteien SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN den mit Spannung erwarteten Koalitionsvertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit” und die dazugehörige Ressortverteilung vorgestellt. Es wird zwar kein eigenes Ministerium für Digitale Transformation geben (stattdessen wird das Verkehrsministerium unter der Führung des jetzigen FDP-Generalsekretärs Volker Wissing um das Thema „Digitales” ergänzt), aber dennoch hat sich die Ampel im Bereich Digitalpolitik viel vorgenommen.
Positiv fällt bei der Lektüre der 177-seitigen Vereinbarung zunächst auf, dass Digitalisierung in allen Bereichen des Koalitionsvertrages verankert ist, nicht als Silo-Thema behandelt wird und die Bedeutung des Digitalen Transformationsprozesses endlich erkannt wird. Ausdrücklich wird erwähnt, dass die Regierung das Potenzial der Digitalisierung in Staat und Gesellschaft besser nutzen will. Es wird ein eigenes Digitalbudget und ein Digitalcheck für Gesetze angestrebt. Digitale Kompetenzen und Innovationen sollen ausdrücklich gefördert werden. Neben der Digitalisierung der Verwaltung ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard eines der zentralen Vorhaben des neuen Bündnisses, was wir ausdrücklich begrüßen.
Hier ein erster Einblick in weitere (teilweise leider noch sehr unkonkrete) Digitalisierungsvorhaben der zukünftigen Regierung (Auszüge aus dem Koalitionsvertrag):
Demokratie:
Es wird ein digitales Gesetzgebungsportal geschaffen, über das einsehbar ist, in welcher Phase sich Vorhaben befinden. Dort werden öffentliche Kommentierungsmöglichkeiten erprobet werden.
Digitaler Staat:
Die Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) geht mit einer ausreichenden Folgefinanzierung einher, mit der eine klare Standardisierung und Vereinheitlichung von IT-Verfahren nach dem Einer-für-alle-Prinzip (EfA) unterstützt wird.
Auf Basis einer Multi-Cloud Strategie und offener Schnittstellen sowie strenger Sicherheits- und Transparenzvorgaben wird eine Cloud der öffentlichen Verwaltung aufgebaut.
Ein vertrauenswürdiges, allgemein anwendbares Identitätsmanagement sowie die verfassungsfeste Registermodernisierung haben Priorität.
Digitale Infrastruktur:
Es werden Wege hin zu einer besseren digitalen Teilhabe für alle geprüft, z. B. durch Barrierefreiheit.
Netzneutralität soll gesichert werden.
Digitale Bürgerrechte und IT-Sicherheit:
Die digitale Souveränität wird gesichert, u. a. durch das Recht auf Interoperabilität und Portabilität sowie das Setzen auf offene Standards, Open Source und europäische Ökosysteme, etwa bei 5G oder KI.
Digitale Gesellschaft:
Das digitale Ehrenamt soll sichtbarer gemacht, unterstützt und rechtlich gestärkt werden.
Die Zivilgesellschaft soll besser in digitalpolitische Vorhaben eingefunden und unterstützt werden, insbesondere in den Bereichen Diversität und Civic Tech.
Mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt sollen rechtliche Hürden für Betroffene, wie Lücken bei Auskunftsrechten, abgebaut und umfassende Beratungsangebote aufgesetzt werden.
Anonyme und pseudonyme Online-Nutzung wird gewahrt werden.
Die Einrichtung einer Bundeszentrale für digitale Bildung wird geprüft.
Digitale Schlüsseltechnologien:
Investitionen in Künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologien, Cybersicherheit, Distributed-Ledger-Technologie (DLT), Robotik und weitere Zukunftstechnologien werden messbar gestärkt.
Biometrische Erkennung im öffentlichen Raum sowie automatisierte staatliche Scoring Systeme durch KI sind europarechtlich auszuschließen.
Nachhaltigkeit und Digitalisierung:
Die Potentiale der Digitalisierung sollen für mehr Nachhaltigkeit genutzt werden. Durch die Förderung digitaler Zwillinge (z. B. die Arbeit an einem virtuellen Modell eines analogen Produktes) soll der Verbrauch an Ressourcen reduziert werden.
Innovation und Transfer:
Das Ziel ist die Stärkung von anwendungsorientierter Forschung und Transfer zur Schaffung und Stärkung regionaler sowie überregionaler Innovationsökosysteme. Dazu wird die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) gegründet, um soziale und technologische Innovationen insbesondere an den HAW und kleinen und mittleren Universitäten in Zusammenarbeit u. a. mit Startups, KMU sowie sozialen und öffentlichen Organisationen zu fördern.
Digitale Plattformen:
Bei der Gestaltung von KI in der Arbeitswelt setzt die Koalition auf einen menschenzentrierten Ansatz, soziale und wirtschaftliche Innovation ebenso wie Gemeinwohlorientierung.
Frühkindliche Bildung:
Den fachlich fundierten Einsatz von digitalen Medien mit angemessener technischer Ausstattung in der frühkindlichen Bildung wird gefördert und die Medienkompetenz soll gestärkt werden
Senioren:
Seniorengerechte Ansätze sollen auf allen staatlichen Ebenen und im digitalen Raum gefördert werden. Dabei geht es u. a. um Partizipation, Engagement, soziale Sicherung, Alltagshilfen, Wohnen, Mobilität, Gesundheitsvorsorge, Bildungs- und Begegnungsangebote und die Überwindung von Einsamkeit.
Fazit:
Insgesamt begrüßen wir es, dass die zukünftige Bundesregierung Digitalisierung zu einem Schwerpunktthema macht und bewerten einige der Digitalisierungsprojekte wie den Ausbau der digitalen Infrastruktur als sehr positiv. Wir sind jedoch auf die konkreten Umsetzungsvorhaben gespannt und ob die neue Koalition wirklich eng mit der Zivilgesellschaft als Treiber für soziale Innovationen daran arbeiten wird, Digitalisierung gemeinwohlorientiert für den Menschen zu gestalten.
Deswegen werden wir in den nächsten Wochen hier auf unserem LiveBlog einige der konkreten Vorhaben im Bereich Innovation und Digitalisierung detaillierter vorstellen und die Umsetzung der Koalitionsversprechen begleiten.
14.10.2021: Die DRK-Forderungen im Überblick
In einer Umfrage im Auftrag des Verbandes der Internetwirtschaft erklärten 71,4 Prozent der Befragten, dass sie in keinem digitalpolitischen Bereich mit der Politik der ehemaligen Bundesregierung zufrieden sind. Besonders große Defizite werden in der Verwaltung, der Bildung und der digitalen Infrastruktur gesehen (vgl. Quelle).
Auch das DRK erwartet von der neuen Bundesregierung und dem Bundestag deutliche Fortschritte in der Digitalisierung, Netzpolitik und bei den sozialen Innovationen:
Eine soziale und gemeinwohlorientierte Digitalisierung, die keine gesellschaftlichen Gruppen ausschließt, sondern zu einem Mehr an Teilhabe insbesondere von DRK-Zielgruppen führt;
Die digitalen Angebote in ihrer Vielfalt, Barrierefreiheit und Transparenz ausbauen sowie einen freien Zugang zu Wissen im Internet;
Einen Digitalpakt Kinder-, Jugend- und Familienhilfe;
Die Anbindung des gesamten Pflegebereichs an die Telematikinfrastruktur;
Eine vorrangige Berücksichtigung gemeinnütziger Organisationen in Förderprogrammen zu Digitalisierung und Innovationen;
Den Ausbau digitaler Angebote im Rahmen sozialer Dienstleistungen und eine verstärkte Förderung der Digitalisierung in der Freien Wohlfahrtspflege;
Eine nachhaltig-ökologische Digitalisierung zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele.
Lesen Sie auch die Erwartungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege an die 20. Legislaturperiode.
In den kommenden Wochen werden wir die Koalitionsverhandlungen eng beobachten und hier im Liveblog fortlaufend kommentieren sowie auf die einzelnen Forderungen vertiefend eingehen.