Katrin, der SEND e.V. hat sich gegründet, um Social Startups in Deutschland eine Stimme zu geben. Auf eurer Webseite ist zu lesen, dass ihr vor allem die Rahmenbedingungen für Sozialunternehmerinnen und -unternehmer ins Zentrum eurer Arbeit rückt. Ihr schreibt aber auch, dass ihr Brücken zur Wohlfahrtspflege in Deutschland bauen wollt. Wohin führen diese Brücken aus deiner Sicht? Oder anders: Wo steht die deutsche Wohlfahrtspflege im Jahr 2018?
Erst einmal ist uns sehr wichtig, dass wir diese Brücke gemeinsam mit der Wohlfahrt bauen. Denn es gibt, sowohl auf Seiten der „neuen“ Sozialunternehmen als auch auf Seiten der etablierteren Wohlfahrtsverbände, Berührungsängste und Vorurteile. Deshalb ist es gut, sich darauf zu besinnen, dass wir die gleichen Ziele verfolgen und uns in unseren Mitteln sehr gut ergänzen können. Die Wohlfahrt leistet ja seit Jahrzehnten gute Arbeit für die Menschen in Deutschland – aber die Herausforderungen in unserer alternden Gesellschaft, in der die Schere von Arm und Reich weiter auseinandergeht, werden ja nicht kleiner. Da greifen die bestehenden Angebote oftmals zu kurz. Und im Rahmen der eher schwerfälligen Strukturen der Wohlfahrtsverbände gibt es zu wenig Spielraum für Innovationen, neue Methoden und Technologien.
Beim DRK-Wohlfahrtskongress wollen wir uns über die Skalierung sozialer Innovationen unterhalten. Dabei geht es insbesondere um Kooperationen mit Trägern der Freien Wohlfahrtspflege, von denen es bestimmt noch viel mehr geben sollte. Doch wie sollen solche Kooperationen in Zukunft aussehen? Wie sieht deine Zukunftsvision für die Wohlfahrtspflege in Deutschland aus?
Ich glaube, dass unglaublich viel Potenzial in der engen Zusammenarbeit zwischen Social Startups und Trägern der Freien Wohlfahrtspflege liegt. Innovationen entstehen meist außerhalb bestehender Strukturen, deshalb entwickelt sich in Deutschland ja eine so aktive, sozialunternehmerische Gründerinnen- und Gründer-Szene. Viele dieser Unternehmen starten mit sehr guten Ideen für eine bessere Zukunft, zum Beispiel im Gesundheitsbereich, in der Pflege, in der Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen, und nutzen dabei häufig innovative Methoden und neue, digitale Technologien. Damit diese Initiativen wachsen und nachhaltig Wirkung entfalten können brauchen sie starke Partner, die gemeinsam mit den Startups diese Ideen weiterentwickeln. Die Stärken der Wohlfahrtspflege liegen ja in der immensen Erfahrung in den sozialen Dienstleistungen und der sehr großen Reichweite. Diese Stärken müssen sinnvoll mit denen von Social Startups verbunden werden und gemeinsam für die Skalierung von Sozialen Innovationen genutzt werden. Dann kann eine moderne, zukunftsgerichtete Wohlfahrtspflege in Deutschland dafür Sorge tragen, dass alle Menschen an Fortschritt und Innovation teilhaben können.
Und nun die 1.000.000-Frage: Was brauchen wir, um von A nach B zu kommen? Was also, würdest du der Wohlfahrtspflege der Zukunft mit auf den Weg geben?
Es braucht die Bereitschaft, sich auf neue Wege mit externen Akteurinnen und Akteure einzulassen. Das sieht man auch in der „klassischen“ Wirtschaft: wo vor einigen Jahren noch große Skepsis vom Mittelstand gegenüber den Startups herrschte, sind mittlerweile enge Kooperationen der Schlüssel zu langfristigem Erfolg.
Lasst uns also vom Ziel her denken – was können wir gemeinsam erreichen? Wenn wir uns darauf einigen, dann können wir existierende „Gräben“ in der Zusammenarbeit überwinden. Dazu benötigen wir aber auch viel mehr Beispiele, die zeigen, wie es funktionieren kann: mehr Pilotprojekte, die testen und experimentieren dürfen, gemeinsame Inkubatoren und Akzeleratoren von Sozialen Innovationen mit Social Startups und mehr Sichtbarkeit von bestehenden Kooperationen!
Aller besten Dank, liebe Katrin, für das Interview!