Aus einem Stapel älterer Bücher führt ein USB-Kabel in einen Comupter.
Wissen managen - analog & digital

Potenziale von Wissensmanagement in der Wohlfahrt

Welche Möglichkeiten und Chancen haben Wohlfahrtsorganisationen, wenn Sie modernste Technologien nutzen und systematisch unser Wissen managen? Was braucht es? Welche Erkenntnisse liefert die aktuelle Forschung? Spoiler-Alarm: Jede Menge ist möglich!

Im vergangenen November habe ich mich in einem ersten Beitrag dem Thema Wissensmanagement gewidmet. Dabei ging es insbesondere um die Definition des Konzeptes und dessen Anwendung in den Kompetenzzentren Digitalisierung. In diesem Anschlusstext geht es nun um aktuelle Anwendungsbeispiele und Studienergebnisse, anhand derer Handlungsmöglichkeiten für das Deutsche Rote Kreuz abgeleitet werden können.

Wissensmanagement ist der systematisierte Umgang mit Informationen und Daten von Personen und Organisationen. Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es eine Kultur des Teilens, benutzerfreundliche Systeme und einen Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer.

Das Bild zeigt eine bunte Grafik mit verschiedenen Fragen zum Wissensmanagement aus dem Text.

Lassen sich Potenziale von Wissensmanagement messen?

Wissensmanagement wird allgemein ein sehr großes Erfolgspotenzial zugesprochen. Unternehmensberatung und Coaches quer durch die Republik versprechen mit  Umsatzsteigerungen, Gewinne, bessere Teamarbeit und somit die Entfaltung des vollen Potenzials der Organisation. – Doch dies sind mehr Prophezeiungen als feste Daten.

Man muss festhalten, dass KPIs, Kosten-Nutzen oder Return-on-Investment für immaterielle abteilungsübergreifende Konzepte / Systeme kaum messbar sind. Natürlich kann man solche Berechnungen aufmachen und sich Kennzahlen (für Umsätze, Gewinne oder Kundenzufriedenheit) vor und nach Einführung eines Wissensmanagementsystems ansehen. Doch was ist mit all den unbekannten Variablen, anderen Maßnahmen und der Umwelt? Wäre es vielleicht auch ohne Wissensmanagement zu diesem Ergebnis gekommen? Es ist also eine Herausforderung, die Potenziale von Wissensmanagement zu erfassen. Aufschluss können hier aktuelle Studien mit einer Vielzahl von Ansätzen liefern, meistgenutzt sind dabei Umfragen bei Mitarbeitenden und Externen sowie Interviews mit Führungskräften.

Zusammenfassung des Status Quo / Studienergebnisse

Ein zentrales Potenzial von Wissensmanagement ist, die Kodifizierung von Wissen systematisch zu fördern. Also das sprichwörtliche Wissen aus den Köpfen aufs Papier – heute eher in die Cloud – zu bringen. In der Realität stehen dem selbstverständlich viele Hürden entgegen wie Zeitmangel oder Schwierigkeiten, das Wissen auszuformulieren. Doch diesen Schritt nicht zu versuchen, öffnet dem Wissensverlust Tür und Tor. Es ist zentral für jede Organisation, dass ihr Wissen auch nachhaltig zu erhalten. Natürlich bewahren viele Teams und Personen bereits heute ihre Informationen in Form von Akten oder Anleitungen. Doch wir alle wissen, dass wir selbst im Kopf und auf Notizen noch weitaus mehr Wissen ansammeln.

Innovationspotenzial

Joanna O’Riordan untersuchte das Wissensmanagement im irischen öffentlichen Sektor, wobei sie diverse Potenziale feststellte. Allgemein spricht sie von Innovationspotenzialen – einer Verkürzung der Reaktionszeit und besserer Anpassungskraft in den Organisationen. Hinzu kommt eine Effizienzsteigerung in ihrer Arbeit, insbesondere Zeitersparnis beim Wissenserwerb wurde beobachtet. Langfristig kann sich eine lernende Organisation entwickeln, wobei auch durch Wissen das interne Qualitätsmanagement verbessert wird.

Santoro et al. begreifen jenes Potenzial als Resultat des Teilens und Nutzens von Wissen im virtuellen Raum. Die Autorinnen und Autoren nennen für den Erfolg von Wissensmanagement digitale Lösungen und Anwendungen als notwendig – doch es bedarf dafür vor allem der Entwicklung von Beziehungen zwischen Mitarbeitenden.

Razmerita und Tan stellten bei ihrer Studie unter Freiwilligen und Mitarbeitenden bei AIESEC (eine der größten internationalen Studienorganisationen) mehrere Ergebnisse fest. Die Möglichkeit zur Kommunikation und die Benutzerfreundlichkeit eines Sozialen Intranets hat einen sehr positiven Einfluss auf den Erhalt von vorhandenem Wissen aus der Organisation. Gleichzeitig fördern diese Eigenschaften auch das Teilen von Informationen zwischen den Mitgliedern bei AIESEC. Die Teilnehmenden der Studie gaben darüber hinaus an, dass sowohl Erhalt als auch Teilen ihr eigenes Innovationspotenzial fördert.

Vertrauensaufbau & Effizienzpotenziale

Hume et al. stellen in ihrer Studie fest, dass eine große internationale Organisation wie das Deutsche Rote Kreuz, es aufgrund ihrer Komplexität deutlich schwerer hat, ein standardisiertes Wissensmanagementsystem zu etablieren. Das Teilen und Erstellen von Wissen ist in dezentralen Netzwerken eine besondere Herausforderung, wobei bei den untersuchten Organisationen der Zeitaufwand und andere Hürden nicht überwunden werden konnten. Das Alltagsgeschäft lässt es dort kaum zu, etwas zu ändern, aber die Potenziale werden auch gesehen. Die Organisation gesteht sich ein, dass Aufgaben, Projekte und Ideen wahrscheinlich nicht das erste Mal aufkommen. Doch der ausstehende Zugang und die fehlende Dokumentation von diesen Erfahrungen zwingt sie dazu, das Rad wieder neu zu erfinden.

Caroline Fischer erkannte in ihrer Studie, dass Vertrautheit zwischen jenen Personen, die ihre Informationen bzw. Wissen innerhalb ihrer Organisation (hier Öffentlicher Dienst) teilen, ein wichtiger Baustein und Motivator ist. Klare Regeln z.B. was den Zugriff angeht und eine positive Kultur des Teilens und Nutzens stehen dabei im Mittelpunkt für Mitarbeitende. Es muss Vertrauen in die Organisation bestehen, dass es beispielsweise keine negativen Konsequenzen für intern Geteiltes gibt. Im Privatsektor wird außerdem häufig auf ein positives Anreizsystem gesetzt, das die Kultur des Teilens fördern solle. Ob so etwas in der Wohlfahrt oder im Non-Profit Sektor vorkommt und wie es aussieht wurde bisher nicht untersucht. Insgesamt lässt sich abschließend für diese und weitere Studien zusammenfassen, dass Aussagen über Potenziale in Gänze verallgemeinerbar sind, da jede Organisation ihre eigene Kultur und ihren eigenen Implementierungsprozess hat.

Eine Wortwolke, die alle Stichworte zum Thema Wissensmanagement aus dem Beitrag zusammenträgt wie Organisation oder Potenzial.

Empfehlungen für die Wohlfahrt / DRK

Eine erfolgreiche Umsetzung von Wissensmanagement braucht den Willen und eine Zielsteuerung durch die Organisationsführung. Wie bereits zuvor beschrieben, ist in einem großen Verband wie dem Deutschen Roten Kreuz ein solcher Prozess wohl eine deutlich größere Herausforderung als in einem zentral geführten Unternehmen. Gleichzeitig braucht es aber die Akzeptanz der Belegschaft und Ehrenamtlichen und individuelle Freiheiten in der Umsetzung bei lokalen Einheiten – Erfahrungen sammeln wir aktuell bei der Entwicklung der Strategie 2030.

Alles in allem haben wir die Chance, dass sich durch ein vorhandenes Wissensmanagementsystem offene-kollaborative Ökosysteme entwickeln können (vgl. Santoro et al. 2017). Es gilt die Erfahrungen und das Wissen von den Servern in den Verband zu tragen, um Potenziale zwischen Bodensee und Rügen, Emsland und Rosenheim zu entfalten – denn eins bleibt sicher: Gemeinsam wissen wir immer mehr.

Mit einer digitalen Plattform für Wissensmanagement besteht auch die Möglichkeit sich über geografische Grenzen der Zuständigkeit hinaus zu vernetzen und auszutauschen. Fachlich ist ein Austausch über Erfahrungen zwischen zwei Mitarbeitenden mit ähnlichen Aufgaben ggf. zielführender als mit Kolleginnen und Kollegen ohne thematische Überschneidungen. Ein solches Beispiel dafür ist aktuell in der Entwicklung: die Plattform Digitale Wohlfahrt. Auf ihr werden sich jene Expertinnen und Experten, Interessierte und Treiber zusammenfinden können, um u.a. ihr Wissen zu teilen und voneinander zu lernen.

Es stellen sich zum Abschluss Fragen für weitere Entwicklungen:

  • Wie weit wollen sich die DRK-Gliederungen untereinander vernetzen?
  • Wer kann jene Aufgaben des Wissensmanagements übernehmen und wichtiges Wissen kuratieren, aufbereiten und aktuell halten?
  • Wie kann die Tradition der Dezentralität mit der digitalen Vernetzung zusammenkommen?
  • Welche Potenziale und Ergebnisse sind mit den zu investierenden knappen Ressourcen (Personal und Kapital) notwendig?

Eine Leseempfehlung für alle Interessierte: Jay Liebowitz (2017) Sucessess and Failures of Knowledge Management.

Literatur 

Caroline Fischer (2018) Beraten statt Archivieren. Wie öffentlich Beschäftigte ihr Wissen am Arbeitsplatz teilen; dms - der moderne staat Vol 2: 285-307.

Hume, Craig; Peter Clarke und Margee Hume (2012) The Role of Knowledge Management in the Large Non Profit Firm: Building a Framework for KM Success; International Journal of Organisational Behaviour, Vol. 17(3): 82-104.

Hume, Craig und Margee Hume (2015) The Critical Role of Internal Marketing in Knowledge Mangagement in Not-for-Profit Organizations; Journal of Nonprofit & Public Sector Marketing Vol. 27: 23-47.

O’Riordan, Joanna (2005) A Review of Knowledge Management in the Irish Civil Service; Institute of Public Administration in Dublin, Irland.

Razmerita, Liana und Chee-Wee Tan (2018) Disentangling the Effects of Collaborative Social Platforms on Organizational Knowledge Practices and Innovation: A Mixed-Methods Study of a Non-Profit Organization; Conference Paper at Changing the Nature of Work Workshop, ICIS in Seoul, Korea.

Santoro et al. (2017) The Internet of Things: Building a knowledge management system for open innovation and knowledge management capacity; Technological Forecasting and Social Change.

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