Künstliche Intelligenz (KI) im Einsatz - “112 - KI rettet Leben”

Im Interview Carsten Schliz zum Projekt “112 - KI rettet Leben”. Er hatte die Idee zum Projekt und leitet die Stabstelle für Prozess und Qualitätsmanagement in der DRK Rettungsdienst Bodensee-Oberschwaben gGmbH. Vor 15 Jahren hat er im DRK ehrenamtlich angefangen.

Worum geht es beim Projekt “112 - KI rettet Leben”? 

“Eine tägliche Herausforderung in der Notrufabfrage ist, dass die Mitarbeitenden nicht schnell genug den Hilfeaufsuchenden lokalisieren können. Anrufer können häufig nicht genau beschreiben, wo sie sich befinden, besonders wenn sie sich in der näheren Umgebung nicht gut auskennen. KI kann Schlagworte aus dem Notrufdialog extrahieren und auf Grundlage dieser Schlagworte und zugrundeliegenden Geodaten, Vorschläge zum Aufenthaltsort des Hilfesuchenden machen. Das kann für die Mitarbeitenden aus der Notrufzentrale eine hilfreiche Unterstützung sein, besonders wenn sie selbst nicht ortskundig sind. Wir sind aber auch der Auffassung, dass der Faktor Mensch ein wesentlicher Bestandteil ist. Der Mitarbeitende in der Notrufzentrale muss in der Lage sein, die Vorschläge der KI auf Richtigkeit zu prüfen.” 

Welcher Impact wäre für die Gesellschaft wünschenswert? 

“Wir reduzieren die Zeit im Notrufgespräch und damit im Endeffekt die Zeit, bis Hilfe beim Notfallpatienten eintrifft. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Minute. Pro Minute ohne Herz-Druck-Massage, die den Kreislauf des Patienten aufrechterhält, sinkt die Überlebenschance um 10 Prozent. Ein positiver Nebeneffekt ist die Stressreduktion auf beiden Seiten der Leitung und ein höheres Sicherheitsgefühl beim Wählen der 112.” 

Wie bist du auf die Idee gekommen KI in der Notrufzentrale einzusetzen? 

Wir haben festgestellt, dass das Auffinden der Notfallpatienten viel Zeit in Anspruch nimmt, was durch technische Lösungen gar nicht nötig sein sollte. Durch Zufall war dann der Kollege Lukas Findeisen aus dem Landesverband Baden-Württemberg zu einem ganz anderen Thema bei uns im Hause und fragte mich, was es denn für die Leitstelle der Zukunft bräuchte. Meine Antwort war dann relativ schnell KI. So kam dann eine Zusammenarbeit zustande.” 

Wie bist du darauf gekommen deine Projektidee beim Ideenwettbewerb der Civic Innovation Plattform zu bewerben? 

“Der Kollege Lukas Findeisen aus dem Landesverband hatte die Idee und hat den Kontakt hergestellt. Er hatte ein bereits gut bestehendes Netzwerk und viele Erfahrungswerte zu KI-gestützten Systemen mit dem Blick auf den Impact für das Gemeinwohl. Über diese Chance waren wir sehr dankbar.” 

Wie war der Bewerbungsprozess? Was waren besondere Herausforderungen und was besonders positiv? 

Ich habe den Prozess als sehr unkompliziert und einfach empfunden. Ich würde jeden dazu ermutigen, der eine Idee hat, sich hier zu bewerben. Niemand muss ein fertiges Konzept mitbringen, sondern erhält ein Startkapital, um seine Idee voranzubringen und kann auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen. Das einzige Herausfordernde war, dass es etwas Neues war und man nicht wusste was einen erwartet. Umso größer war dann die Freude über den Zuschlag.” 

Wie ist das Projekt organisiert? Aus wem besteht das Projektteam? Welche Kompetenzen bringen die Beteiligten mit?  

“In unseren Köpfen schwirrte die Idee schon länger herum, dass technischer Optimierungsbedarf besteht und Möglichkeiten da sind. Dann kam der Kontakt zu Lukas Findeisen zustande. Der Fachbereichsleiter der integrierten Leitstelle, Jörg Pfeifer, wurde auch relativ schnell einbezogen, allein schon unter dem Aspekt, dass er die Kontakte zu allen Entscheidungstragenden hatte. Und uns war von Anfang an wichtig, jemanden aus der Basis mit ins Boot zu holen. Das hat sich wahnsinnig bewährt. Die Kollegin Silke Helfert hat eigentlich den wertvollsten Blickwinkel, nämlich die Anwendersicht."

Welche Stakeholder habt ihr einbezogen? 

“Durch einen Zufall hat mich Lukas Findeisen zu einem Austausch mit der Digital Product School aus München eingeladen. Wir haben unsere Problemstellung eingereicht und daraufhin hat uns ein interdisziplinäres und interkulturelles Projektteam mit Expertise zu KI unterstützt. Das war für uns eine unglaubliche Bereicherung. Bis Ende Juli haben sie drei Monate lang in Vollzeit an der Entwicklung des Prototyps gearbeitet. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.” 

Wie ist der aktuelle Projektstand? Welche Milestones habt ihr festgelegt? 

Wir streben eine Skalierung an und überlegen, ob das eine bundesweite Lösung sein könnte. Dazu haben wir einen zweitägigen Workshop geplant mit dem Ziel Problemstellungen zu identifizieren, Arbeitspakete zu schnüren und dann konkret Verantwortungsbereiche zu verteilen. Je unvoreingenommener wir auf das Projekt blicken, desto erfolgreicher kann es werden. Wir haben Spaß bei der Umsetzung, glauben an den Impact und lassen uns gleichzeitig nicht von starren Projektplänen einengen, sondern gehen das Thema agil an. Das hat sich bisher mehr als bewährt.” 

Wie geht es weiter? 

“Wir befinden uns in einer Phase, in der wir die Theorie in die Praxis bringen wollen. Es geht um Fragestellungen wie: Sind die Daten überhaupt da? Wie können wir die Daten generieren, die wir brauchen? Mit einem besonderen Blick auf das Thema Datenschutz. 

Wir haben außerdem die Möglichkeit über einen Kollegen der Feuerwehr aus dem Zuständigkeitsbereich unserer Leitstelle, der seine Masterarbeit zum Thema am Beispiel unseres Projektes schreibt, diese Fragestellungen theoretisch fundiert zu bearbeiten. Netzwerken ist für den Projekterfolg etwas Elementares, um viele Wegbegleiter zu gewinnen, die neue Türen öffnen können.” 

Welche Tipps würdest du anderen DRK-Organisationen mitgeben, die ebenfalls ein KI-Projekt umsetzen wollen? 

“Wir haben oft einen viel zu großen Fokus auf Probleme und sehen dann den potenziellen Erfolg nicht mehr. Es braucht Menschen, die bereit dazu sind etwas einfach mal auszuprobieren. Am Ende kann man dann bewerten was erfolgreich war und was nicht und daraus lernen. Und ein gutes Netzwerk und gute Kontakte sind wahnsinnig bereichernd. Scheut euch nicht bei anderen, die vielleicht schon weiter sind oder Ideen haben, anzudocken und euch Input zu holen.” 

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview Carsten! 

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