Keynote beim Thüringer Engagement- und Stiftungstag

Digitalisierung, Teilhabe & Inklusion

Als Thüringer, der ich bin, war es mir ein besonderes Vergnügen, auf dem Engagement- und Stiftungstag in Erfurt über den digitalen Wandel in der Bürger- und Zivilgesellschaft sprechen zu dürfen. Mit meiner kurzen Keynote wollte ich den Teilnehmenden Anregungen mit in den Tag geben, wie sie den digitalen Wandel im Ehrenamt selbst gestalten können. Für alle, die nicht dabei waren, hier eine kurze Zusammenfassung.

Wer in den Koalitionsverträgen dieser Zeit nach dem Wörtchen »digital« sucht, wird ziemlich schnell fündig – zuweilen übersteigen die Treffer die Zahl der Seiten im PDF. Bemerkenswert dabei: An keiner Stelle wird erläutert, was mit »digital« eigentlich gemeint ist. Geht es um die ›Verdatung‹ nicht maschinenleserlicher Informationen wie beim Einscannen alter Bücher? Geht es um Social Media, um Plattformen und um Algorithmen? Oder geht es um datenbasierte Geschäftsmodelle und Finanzierungsformen?

Die Chance im Nebel: Digitalisierung als Diskursbegriff

Dass so oft im Nebel bleibt, was Digitalisierung eigentlich sein soll, finde ich gar nicht schlimm. Ich glaube sogar, dass es uns die Chance gibt, diesem Diskursbegriff – von denen ja immer wieder welche durch den politischen Raum geistern – selbst Bedeutung zu verleihen; und zwar im Sinne guten Miteinanders und aktiver Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Mit eben diesem Vorschlag, im Nebel die Chance zu suchen, bin ich am 18. Juli nach Erfurt gefahren. Im Gepäck die Überlegungen, die ich gemeinsam mit Mike Weber im Band »Digitalisierung und Teilhabe« aufgeschrieben hatte: Nämlich die Digitalisierung als beschleunigte Fortsetzung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse zu verstehen, die schon lange laufen und auch am Ehrenamt nie spurlos vorbeigingen.

Die Beschleunigung des Sozialen: Digitalisierung als Wandlungsprozess

Schon seit Jahrzehnten wird über Megatrends wie »Individualisierung«, »Flexibilisierung« und »Globalisierung« viel gesprochen und geschrieben. Die »Digitalisierung« kommt hier nicht einfach nur dazu, sie legt sich, wenn man so will, quer über alle Wandlungsprozesse und beschleunigt sie:

  • Mit dem Internet und den Sozialen Medien ist die Neu- und Mehrfachvergemeinschaftung für jeden Einzelnen vergleichsweise ›billig‹ geworden – rasant wachsende Vielfalt und große Unbeständigkeit sind die Folgen.
  • Mit digitalen Tools wird das Tätigsein in allen Lebensbereichen immer weiter flexibilisiert. Alltägliche Aufgaben können und werden in ›Zwischenzeiten‹ gequetscht und zum Beispiel mit dem Smartphone an der Bushaltestelle erledigt – das Gefühl, nie wirklich Zeit zu haben, ist die Folge.
  • Mit den sinkenden Kosten für die Produktionsmittel der Digital-Wirtschaft (insb. Verhaltensdaten) steigt die Dichte globaler Vernetzungen und Verschränkungen (auch ›Interdependenzen‹) immer weiter an – sinkende Einflussmöglichkeiten demokratischer Institutionen auf nationaler und supranationaler Ebene sind die Folge.

Diese Beschleunigung des Sozialen beschreibt der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa als Wesenskern moderner Gesellschaften. Das Problem daran: Desynchronisierung gesellschaftlicher Systeme (bspw. Politik und Wirtschaft) und Zunahme von Depressionserkrankungen (bspw. Burnout-Syndrom) – alles andere als gutes Miteinander und aktive Teilhabe!

Die Vielfalt der Stimmen: digitale Bürgergesellschaft als Resonanzraum

Was also tun, um den digitalen Wandel im Sinne einer guten Bürgergesellschaft zu gestalten? Was tun, um gutes Miteinander und aktive Teilhabe in der sich beschleunigenden Moderne zu ermöglichen? Auch hierzu hat Hartmut Rosa einen Vorschlag: Resonanz; ein Beziehungsmodus, in dem beide Seiten mit eigener Stimme sprechen und sich gegenseitig in Schwingung versetzen.

Ein Raum für horizontale Resonanz, also Resonanz zwischen Menschen, ist die demokratische Bürgergesellschaft, zu der Hartmut Rosa schreibt:

Demokratie bezeichnet dabei nicht mehr nur und nicht in erster Linie das Aushandeln und Verhandeln von (Rechts-) Ansprüchen und Interessenkonflikten, sondern meint einen anhaltenden Prozess der Sensibilisierung für die Vielfalt der Stimmen im Sinne von Perspektiven, Existenzweisen und Weltbeziehungen (ebd. 2017: 368).

Diese Sensibilisierung für die Vielfalt von Perspektiven, Existenzweisen und Weltbeziehungen kann man gut mit dem Begriff der »Inklusion« übersetzen. Einen Hebel also für die positive Gestaltung des digitalen Wandels sehe ich im inklusiven Denken – in der aktiven Wahrnehmung alternativer Daseins- und Engagementformen mitsamt der Fähigkeit, darüber zu staunen und davon zu lernen.

In meiner Keynote auf dem 3. Thüringer Engagement- und Stiftungstag war der Gedanke der Inklusion zentral. Die Botschaften: Packen Sie’s pragmatisch an, gehen Sie Schritt für Schritt nach vorn und seien Sie dabei achtsam – nehmen Sie wahr, was um Sie herum passiert, aber laufen Sie nicht jedem Bimmeln hinterher. Sinn und Zweck unseres Engagements in der Bürgergesellschaft ist gutes Miteinander und aktive Teilhabe. Digitale Tools können dabei durchaus helfen, sind aber keine Zaubermittel, mit denen irgendwie schon alles gut wird. Wählen Sie also mit Bedacht und fragen Sie ruhig mal nach, was den Menschen wichtig wird im post-digitalen Zeitalter.