Daten für das Gemeinwohl: Wie das Civic Data Lab das DRK unterstützt

Das Civic Data Lab hilft dem DRK, gemeinwohlorientierte Ziele durch Trainings, Vernetzung und konkrete Datenprojekte zu erreichen. Im Interview erklären Nora Perseke und Angela Berger, wie diese Zusammenarbeit das DRK stärkt und welche Erfolge bereits erzielt wurden.

Das Civic Data Lab (CDL) ist ein gemeinsames Vorhaben der Gesellschaft für Informatik, CorrelAid und dem Deutschen Caritasverband und wird, ebenso wie der Data Science Hub, durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Das Civic Data Lab unterstützt dabei, gemeinwohlorientierte Ziele durch die Nutzung von Daten besser zu erreichen – durch Trainings, Vernetzung und Austausch sowie Unterstützung bei konkreten Datenprojekten.  

Im Interview erklären Nora Perseke und Angela Berger, was das Civic Data Lab macht und wie haupt- und ehrenamtlich Engagierte im DRK das Angebot nutzen können. 

Angela Berger unterstützt die Zivilgesellschaft im Civic Data Lab dabei, Daten fürs Gemeinwohl einzusetzen – in der Kommunikation und beim Scoping von Datenvorhaben.
Das CDL setzt sich für gemeinwohlorientierte Datennutzung ein.
Was war Eure Motivation, das Projekt zu starten?

Angela: Es geht uns darum, die vielen Chancen, die in Daten und KI auch für soziale Innovationen liegen, für die engagierte Zivilgesellschaft nutzbar zu machen. Aus strukturellen Gründen gibt es hier oft zu wenig Kapazitäten in Form von Netzwerken, Kompetenzen und Budgets (Zeit und Geld) für die Weiterentwicklung der eigenen Arbeit mit Daten. Hier wollen wir Brücken schlagen und zur Verfügung stellen, was fehlt. 

Als Caritasverband merken wir in der eigenen Arbeit, wie voraussetzungsreich es ist, ein verbandliches Datenmanagement auf die Beine zu stellen und gemeinsame digitale Produkte auf den Weg zu bringen. An vielen Stellen konnten wir schon Erfahrungen sammeln, zum Beispiel mit den Projekten „CariData“ und „Lernende Systeme in der Beratung“. Diese Erfahrungen möchten wir weitergeben und in neuen Partnerschaften die strukturellen Bedingungen für die Weiterentwicklung der zivilgesellschaftlichen Arbeit verbessern. 

Hat sich im ersten Jahr schon etwas an der Ausrichtung des Projektes verändert?

Angela: An unserer Grundausrichtung hat sich nichts geändert. Wir haben aber festgestellt, dass es sich dabei wirklich um eine große Transformation handelt – auf dem Weg gibt es viele kleine und große Hürden zu überwinden, auf die wir uns im Detail ausrichten müssen.

Dafür stellen wir uns Fragen wie:

  • Brauchen wir aktuell vor allem eine Koalition der Willigen oder wollen wir mehr Wert darauf legen, auch die zu sensibilisieren, die noch gar keinen Zugang zu Daten haben? 
  • Wie viel und welche Datenkompetenz benötigen Personen, deren Arbeit in erster Linie darauf ausgerichtet ist, soziale Werte zu schaffen?  
  • Womit erreichen wir insbesondere Entscheider*innen, die ihre Organisationen strategisch voranbringen?  
  • Und wie bringen wir uns als starke Stimme für die Weiterentwicklung der gesetzlichen KI-Regulierung oder der Standardsetzung ein? 
Angela, du bist selbst neben deiner Tätigkeit beim CDL auch für die Caritas aktiv. Inwiefern siehst du in den Wohlfahrtsverbänden einen besonderen Bedarf an Unterstützung beim Aufbau von Datenkompetenzen?

Angela: Als Wohlfahrtsverband ist es uns wichtig, an einem bedarfsorientierten Angebot für zivilgesellschaftliche Organisationen mitzuwirken, das auf bestehenden Strukturen aufbaut. Aus meiner Perspektive ist nämlich das besondere an Wohlfahrtsverbänden ihre Organisationsform als Verbände und ihr Zusammenschluss in der BAGFW. Diese strukturellen Voraussetzungen bieten gute Chancen, um darauf Verabredungen, Prozesse und Infrastrukturen für die gemeinsame Datennutzung aufzubauen. Die langen Erfahrungen mit kooperativen Organisationsformen (positive wie negative), das Wissen um die Relevanz des sozialrechtlichen Dreiecks und der guten Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Stellen sowie die Kenntnisse von Bedarfen der Mitarbeitenden und auch Nutzenden von Wohlfahrtangeboten sind immer wieder hilfreich, um die CDL-Angebote passend zu den Bedarfen der Mitarbeitenden von Wohlfahrtsverbänden zu gestalten.  

Der Unterschied bei den Bedarfen liegt dabei meiner Beobachtung nach weniger zwischen Wohlfahrt und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, sondern v.a. zwischen denen, die Technik und Daten als Hauptwert erzeugen und nutzen, und denen, die sie als Hilfsmittel in einer hybriden Arbeitsform einsetzen. Die „Techies“ und die „Sozialos“, vereinfacht gesagt. Und überall da, wo die beiden Blickrichtungen sich begegnen – da wird‘s spannend. Das passiert im CDL immer wieder: In Veranstaltungen der Community und auf der Online-Plattform, in den Workshops der Academy und in den Datensprechstunden. Alle diese Angebote stehen für Kolleg*innen aus der Wohlfahrt offen und werden auch schon rege genutzt – ich kann nur empfehlen, sie für die eigenen Fragen und Themen in Anspruch zu nehmen! 

Nora leitet das Civic Data Lab, das eine souveräne Datennutzung von der Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft fördert
Das Projekt wird es noch mindestens ein weiteres Jahr geben.
Was wünscht Ihr Euch als Ergebnis?

Nora: In der ersten Förderphase läuft das Projekt noch bis März 2025, das ist gar nicht mal so lange. Wir sehen jetzt aber schon Erfolge: Eine wachsende Community, die größtenteils online unterwegs ist und sich austauscht und hilft. Alle, die ins Thema einsteigen oder bestimmte Aspekte der gemeinwohlorientierten Datennutzung vertiefen möchten, finden Lernangebote mit einem Fokus auf zivilgesellschaftlichem Engagement. Die unterschiedlichen Datenvorhaben, die wir begleiten dürfen, melden uns zurück, dass sie im CDL eine passgenaue Unterstützung finden. Wir merken, dass die Angebote, die wir machen, gut angenommen werden und sehen, dass es sehr sinnvoll ist, mit dem CDL eine Anlaufstelle zum Thema Daten und KI in der Zivilgesellschaft zu haben.  

Angela: Und wenn Daten als selbstverständliches Instrument eingesetzt werden können, um die sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen – dann ist die Wirkung erreicht, zu der wir mit dem CDL beitragen wollen. Aber wie Nora sagt: Das wird nicht im März 2025 erreicht sein und bedarf weiteren gemeinsamen Engagements. 

Wenn Daten als selbstverständliches Instrument eingesetzt werden können, um die sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen – dann ist die Wirkung erreicht, zu der wir mit dem CDL beitragen wollen

Das Civic Data Lab hat ein recht großes Netzwerk an Engagierten aufgebaut. Wie nutzen die Engagierten das Netzwerk? Wie kann man sich einbringen?

Angela: Mittlerweile sind im Online-Forum unserer Community unter https://community.civic-data.de/ über 220 Mitglieder angemeldet. Aktuell findet dort vor allem Austausch zur gegenseitigen Inspiration statt. Beispiele für Fragen sind: Was macht ihr, um eure Dateninfrastruktur gut aufzusetzen? Nutzt ihr bereits eigene Sprachmodelle in euren Organisationen? Was macht ihr mit den Daten aus euren Web-Analytics? 

Wir wollen hier einen Ort schaffen, an dem alle Ansprechpersonen finden, wenn sie für ihre konkreten Datenprojekte Erfahrungen oder Kooperationspartner*innen suchen. 
 

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Nachfrage: Kann ich auch mitmachen, wenn ich von Datennutzung noch gar nicht so viel Ahnung habe?

Nora: Ja, auf jeden Fall! Bisher gibt es im Netzwerk viele Expert*innen und das kann erst mal ein bisschen einschüchtern. Wir beobachten, dass der Ton untereinander sehr kollegial ist und dass Einsteiger*innen ins Thema freundlich aufgenommen werden. Um den Austausch zwischen den Profis und denen, die gerade anfangen zu verstärken, bieten wir verschiedene Peer-Learning- Formate an, also das voneinander Lernen. Das ist das Bindeglied zwischen der Academy, wo ich meine Datenkompetenzen erweitern kann und unserer Community. 

Ihr habt auch ein Kursangebot für Lernende aufgebaut. Wie sollten denn Einsteiger:innen aus der Wohlfahrt da rangehen?

Angela: Da kann ich nur wärmstens empfehlen unsere Website zu nutzen, um die eigene Lernreise individuell zusammenzustellen. Wir haben dort zum einen die Möglichkeit, alle Kurse nach Zeitaufwand, Format und Erfahrungslevel zu filtern. Außerdem, recht frisch veröffentlicht, gibt es ein Quiz, um den eigenen Lernstand einschätzen zu können. Hier ist das alles zu finden: https://civic-data.de/lernen/ 

> Besondere Kurs-Empfehlungen für Einsteiger:innen sind unter diesem Link zusammengestellt: https://civic-data.de/persona/anfaengerin/ 

Wie fit muss man in Sachen Datennutzung überhaupt werden, wenn man in der Wohlfahrt arbeitet?

Nora: Das ist eine gute Frage, die ich gar nicht so pauschal beantworten kann. Grundsätzlich ist es gut zu wissen, dass Daten die Arbeit in der Wohlfahrt erleichtern können. Was im ersten Moment vielleicht wie Wissen erscheint, das ich mir zusätzlich zu meiner eigentlichen Arbeit aneignen soll, kann für mich, meine Kolleginnen und auch meine Organisation Ressourcen frei machen, die wir dann wieder für unsere Kernaufgaben nutzen können und die die Arbeit in der Wohlfahrt auch attraktiver macht.  
Daten als ein Thema des Kulturwandels in unserer Arbeit zu begreifen, das ein wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation ist, das ist die Aufgabe sowohl für die in der Wohlfahrt Tätigen als auch für die Wohlfahrtsverbände selbst. Denn wenn ich als Organisation gemeinsam mit meinen Mitarbeitenden eine gute Datenkultur etabliere, dann brauchen einige vielleicht nur ein Grundwissen und Datenkompetenzen, die sich kurzfristig aneignen lassen und andere, die strategisch und an Entscheidungsknoten im Verband arbeiten, sind Daten-Profis. 

Ihr bietet außerdem Beratung zu konkreten Datenprojekten an. Was für Vorhaben werden an Euch beispielsweise herangetragen?

Angela: In unseren Datensprechstunden, in die alle mit allen Fragen kommen können, ist das sehr unterschiedlich - von Personen, die ihre Ideen für einen größeren Projektantrag oder die Überarbeitung von internen Erhebungsprozessen diskutieren wollen, bis zu denen, die bei der Auswertung einer Umfrage konkrete Hinweise zu Automatisierungsmöglichkeiten suchen.  

Bisher waren Anfragen aus der Wohlfahrt aber noch in der Unterzahl im Vergleich zu anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen – also motiviert euch gern und kommt auf uns zu. Ab Herbst haben wir wieder Kapazitäten, um neue Datenvorhaben aufzunehmen! Alle Informationen gibt es unter https://civic-data.de/machen/. 

Welche Ressourcen sollte man mitbringen, damit das Datenvorhaben auch umsetzbar wird?

Angela: Das hängt ganz davon ab, ob man nur eine Umfrage auswerten oder ein großes Infrastrukturprojekt angehen möchte. Für diejenigen, die ihr Datenprojekt mit dem CDL angehen wollen, haben wir es genauer beschrieben: Über den Zeitraum, den das Datenvorhaben dauert (meist 3-6 Monate) ist es erforderlich, dass es eine oder mehrere Personen gibt, die ca. 2-4 Stunden pro Woche aufbringen können. Diese Personen sollten leichten Zugang zu anderen Stellen in der Organisation sowie befugt sein, Entscheidungen für die Organisation zu treffen oder sie zu ermöglichen. Ohne Beteiligung und Verankerung in der Organisation können wir nur wenig bewirken. Es braucht die Einbindung in langfristige Prozesse und den Willen, das Datenprodukt selbst weiter einzusetzen. 

Aber ganz wichtig ist mir zu betonen, dass wir damit natürlich niemanden von vornherein ausschließen wollen. Wir haben schon häufig Formen der Zusammenarbeit gefunden, die für alle vereinbar waren. Klar ist aber auch: Wenn man wirklich etwas mit Daten erreichen möchte, geht das nicht ohne Einsatz von Ressourcen, selbst wenn das CDL die technische Entwicklung übernehmen kann.

Und ganz zum Schluss: Habt Ihr einen Tipp für unsere Kolleg:innen vor Ort, wie sie das Thema in ihren Arbeitskontexten am besten angehen können?

Angela: Wenn man ganz neu aufs Thema blickt, finde ich zwei Fragen im Team empfehlenswert:  

  1. Welche Daten erheben wir bereits und wie sind sie abgespeichert?  
  2. Welche Fragen haben wir bzw. vor welchen Herausforderungen stehen wir, die wir mit Daten angehen könnten? 

Und dann kann man Schritt für Schritt prüfen, wie beide Perspektiven zusammenkommen. Dafür muss man nicht gleich programmieren können – es ist schon hilfreich, sich einige Beispiele zur Inspiration anzusehen, um Phantasien dazu zu entwickeln, was man mit Daten tun kann und welche Voraussetzungen das mit sich bringt. Deshalb sammeln wir Datenpraxisgeschichten auf unserem Blog unter https://civic-data.de/blog/. Und dann sind auch Überlegungen und erste Ideen bereits in einem frühen Stadium wieder in der Datensprechstunde willkommen. Die kann man buchen unter https://civic-data.de/machen/

Interview mit Nora Perseke (Gesellschaft für Informatik, Projektleitung des CDL) und Angela Berger (DCV und beim CDL für Stakeholdermanagement und Konzeption Datenvorhaben).