Das SGB VIII als Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG): Die Umsetzung des SGB VIII in der Praxis

Im dritten Teil der Workshopreihe stand die Säule „Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien“ auf dem Programm. Eine zentrale Neuerung im KJSG sind die nun mit § 9a SGB VIII verankerten Ombudsstellen. Beate Frank, Vorstandsmitglied im Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe e.V., gab einen Einblick in die Entwicklung der Ombudsstellen, in deren Arbeit und die mit der Verankerung im SGB VIII verbundenen Herausforderungen.

Mit § 9a SGB VIII sind Ombudsstellen nun fester Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe. Für die verpflichtende Einrichtung von Ombudsstellen, die unabhängig beraten und im Falle von Konflikten die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken, als ein Ausdruck „ein[es] umfassende[n] Recht[s] auf Beteiligung bei allen Maßnahmen und Entscheidungen in der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe“ (Diskussionspapier Weiterentwicklung des SGB VIII, DRK: 2015) haben wir uns als DRK seit langem eingesetzt.

Beteiligung von jungen Menschen vs. strukturelle Macht: Assoziationen

Welche Bedeutung (tatsächlicher) Beteiligung in der gelebten Kinder- und Jugendhilfe zugemessen werden darf, zeigte sich eindrücklich im Stimmungsbild zu Beginn des Workshops. Ausgehend davon, dass die Leistungsempfangenden in den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe Machtstrukturen ausgesetzt sind, assoziierten die Teilnehmenden den Begriff „Macht“ mit Begriffen wie „Grenzüberschreitung“, „Angst“ und „Bevormundung“ bis hin zu „Kindeswohlgefährdung“. Der Begriff „Beteiligung“ löste hingegen durchweg positive Assoziationen wie „Offenheit“, „Lebensweltorientierung“, „Selbstwirksamkeit“ und „Bedürfniswahrnehmung“ aus. Setzt man in der Kinder- und Jugendhilfe Beteiligung der Macht bewusst strukturell entgegen, können Möglichkeiten der Selbstwirksamkeit, Sichtbarkeit von Schwachstellen sowie Ansätze zur weiteren Qualitätsentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe entstehen.

Junge Menschen und ihre Familien, die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen, verfügen nach bisherigen Erfahrungen oft über wenig Kenntnis über die Strukturen und über Möglichkeiten, sich in Konfliktfällen mit ihren Anliegen zu behaupten. Mit den unabhängigen Ombudsstellen werden nun Anlaufstellen etabliert, die sie fachkundig beraten, in der Wahrnehmung ihrer Interessen und Rechte unterstützen und damit zu einem Machtausgleich beitragen.

Ausgangspunkt und ursprüngliches Handlungsfeld für die Beratung der Ombudsstellen waren Konflikte in den Hilfen zur Erziehung. Mit der gesetzlich beschriebenen Ausweitung der Zuständigkeit auf alle Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe haben nun Leistungsbeziehende in allen Feldern explizit die Möglichkeit, sich an eine Ombudsstelle zu wenden. Das stellt die Ombudsstellen vor eine Reihe von Herausforderungen, z.B.:

  • Aufbau der Strukturen, Abdecken der unterschiedlichen Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe, damit verbunden Qualifikation quantitativer Personalbedarf.
  • Mit dem inklusiv weiterentwickelten SGB VIII zunehmende Relevanz von Themen der Eingliederungshilfe als zusätzliches Thema und Kooperation mit den zu etablierenden Verfahrenslotsen.
  • Information der jungen Menschen und ihrer Familien über die Existenz und Möglichkeiten der Ombudsstellen.

Die Strukturen gilt es nun in der Praxis flächendeckend weiter aufzubauen und auszugestalten – die Anfänge wurden mit der ersten Ombudsstelle im Jahr 2002 gelegt – und weiter mit Leben zu füllen. Um jungen Menschen und ihre Familien die Möglichkeiten der Ombudsstellen zu eröffnen, sind neben Informationen über die Existenz, z.B. in Einrichtungen, insbesondere niedrigschwellige Zugänge hilfreich, z.B. als digitale Anlaufstelle.

Wie geht es weiter? Herausforderungen und Chancen

Der Gesetzgeber hat mit der strukturellen Verankerung der Ombudsstellen eine Stärkung der Beteiligungsrechte intendiert. Diese Stärkung findet auch in der Notwendigkeit externer Beschwerdemöglichkeiten im Rahmen des Gewaltschutzkonzepts Ausdruck. Für Träger der freien Jugendhilfe bieten sich dazu Kooperationen mit Ombudsstellen an.

Mit der Ausweitung der Zuständigkeit der Ombudsstellen auf alle Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe liegt nahe, dass es künftig mehr externe Beschwerdefälle geben wird, nicht zuletzt weil der Adressatenkreis auch auf solche Personenkreise ausweitet wird, die sich entgegen der obigen Annahme gegen strukturelle Macht zu behaupten wissen. Ob sich diese Vermutung bewahrheitet, wird die fortlaufende Praxis der Ombudsstellen zeigen und sich daran weiterentwickeln, ebenso wie sich die gesamte Kinder- und Jugendhilfe mit den Erfahrungen aus den dokumentierten Konfliktfällen weiterentwickeln kann.

Dokumente:

Powerpoint-Präsentation Beate Frank

Literatur:

Smessaert, Angela: Ombudsstellen (§ 9a SGB VIII). In: Meysen, Thomas; Lohse, Katharina; Schönecker, Lydia; Smessaert, Angela: Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG. Baden-Baden: Nomos, 2022, S. 58ff.

Links:

Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe e.V.: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/

§ 9a SGB VIII: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__9a.html