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Überschuldung & Coronakrise: Herausforderungen der Schuldnerberatung

Das Nachrichtenmagazin Spiegel greift in einem aktuellen Artikel die zunehmende und in vielen Fällen drohende Überschuldung von Privathaushalten im Zuge der Coronakrise auf. Grundlage hierfür ist nicht nur das vage Gefühl, dass die Coronakrise sich früher oder später auf die finanzielle Situation der Menschen auswirken wird, sondern erstmals vorliegende Umfragen für den Pandemiezeitraum.

Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesem Bild für die Beratungsstellen des DRK? Und welchen Handlungsbedarf braucht es für das Themenfeld Schuldner- und Insolvenzberatung, um ihrer gesellschaftlich wichtigen Aufgabe nicht nur in Krisenzeiten gerecht werden zu können? [1]

Überschuldung als Ergebnis der Krise?

Von den zur ihrer Einkommensentwicklung in der Coronakrise befragten Personen geben 37% an, dass sie aufgrund der Coronakrise finanziell schlechter gestellt seien als zuvor. Etwa jeder Fünfte gibt an, finanzielle Einbußen zwischen 30 und 50% hinnehmen zu müssen. Und beinahe 30% der Befragten erklären, dass sie sich aufgrund der aktuellen Einbußen mit drohenden Zahlungsschwierigkeiten konfrontiert sehen. [2]

Die jeweiligen Gründe für die individuelle Situation der Befragten mögen unterschiedlich sein. Es zeigt sich jedoch, dass die Coronakrise zahlreiche begünstigende Faktoren für die zunehmende Überschuldung in Deutschland bietet: Kurzarbeit, wegfallende Haupt- und/oder Nebentätigkeit oder das pandemiebedingte Aufzehren von finanziellen Ressourcen.

Folgt jetzt der Ansturm auf die Schuldenberatung?

Die jetzt veröffentlichten Umfrageergebnisse bestätigen die bisherige Einschätzung der DRK-Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die angesichts der absehbaren Auswirkungen der Pandemieentwicklung auf die Überschuldungssituation, aber bisher nur begrenzt steigender Beratungszahlen von einer gewissen Ruhe vor dem Sturm sprachen.  Wie aber passt das zusammen?

Die individuellen Gründe der Betroffenen hierfür sind nur zu vermuten und reichen teilweise von Angst über Scham bis hin zur Hoffnung, selbst wieder Herr der eigenen finanziellen Lage zu werden. Ein zentraler Grund ist jedoch auch, dass eine Vielzahl von Überschuldeten nicht sofort mit Eintritt der finanziellen Überforderung professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können.

Strukturelle Schwächen des Systems der Schuldnerberatung

So besteht beispielsweise kein grundsätzlicher gesetzlicher Rechtsanspruch des Einzelnen auf kostenfreie Schuldnerberatung – weder in akuter Not noch zur Vermeidung eben dieser. Vielmehr ist der Anspruch hierzu gesetzlich auf die Rechtskreise des SGB II/XII begrenzt, sodass nur bereits Hilfebedürftigen zur Linderung ihrer Not kostenfreie Hilfe durch eine Schuldnerberatung im Einzelfall gewährt werden kann.

Dies bedeutet, dass ein Großteil derjenigen, die auf kostenfreie Beratung und Unterstützung durch Schuldnerberatungen der Freien Wohlfahrtspflege angewiesen sind, nicht von ihren Leistungen profitieren können. Diese Personen wenden sich sodann nicht selten an kommerzielle Schuldnerberatungen, die mit ihren Angeboten nicht immer allein nur das Wohl und die Interessen der Betroffenen im Blick haben.

Dies stellt nicht nur ein Problem für die Betroffenen dar, sondern auch für die Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege, die diese Leistungen grundsätzlich kostenfrei und im sozialpädagogischen Kontext der Sozialen Schuldnerberatung für das hilfesuchende Klientel erbringt.

Unterschiedliche Beratungsbedarfe

Während es bei vielen der in Finanznot geratenen Personen zunächst um Konsultation, das Aufzeigen möglicher Auswege aus der Krise und das Aufstellen von Entschuldungsplänen gehen dürfte, kann bei längerem Andauern der Krise in zunehmenden Fällen auch zu einem Anwachsen des Schuldenbergs kommen. In diesen Fällen könnte früher oder später je nach Situation und Schuldenhöhe eine Verbraucherinsolvenz als einzig vertretbare Lösung erscheinen. Um aber bedarfsgerecht auf die von überschuldeten und in Not geratenen Personen Lebenslagen eingehen und sie auf dem für sie passenden Weg in die Schuldenfreiheit begleiten zu können, braucht es fachkundiges und berufserfahrenes Beratungspersonal. Die Schuldnerberater des DRK vereinen als wichtige Kompetenzen aus den Bereichen Recht, Finanzen und der der Sozialen Arbeit, die ihnen eine fachkundige, interdisziplinäre und umfassend auf soziale Bedarfe ausgerichtete Beratung der Betroffenen auf Augenhöhe ermöglichen.

Aufwertung des Berufs des Schuldnerberaters

Das Berufsbild des Schuldnerberaters profitiert angesichts dieser Kompetenzerfordernisse zwar einerseits von diversen Ausbildungshintergründen der Berater und Möglichkeiten zum fachlichen Quereinstieg. Doch gleichzeitig spiegelt das uneinheitliche Berufsbild ebenso eine bisweilen unzureichende politische Würdigung des Bereichs der Schuldnerberatung und des dahinter liegenden gesellschaftlichen Problems wider. So könnte die Schaffung eines klares Berufsprofil und vorgegebener Berufszugänge nicht nur ein möglicher Weg sein, um für das Berufsbild des Schuldnerberaters zu werben, sondern auch ein politisches Zeichen, dass das weit verbreitete Phänomen der Überschuldung ausreichend ernst genommen wird.

Fehlende Wertschätzung der Schuldnerberatung

Die unzureichende Würdigung der Schuldnerberatung begrenzt sich jedoch nicht auf das Berufsbild, sondern erstreckt sich auch auf die Rahmenbedingungen. Dies zeigt sich einerseits in den sehr uneinheitlich und zwischen Kommunen und Länder aufgeteilten Finanzierungsstruktur, die eine Leistungserbringung häufig auf das Notwendige begrenzt und die Bereitstellung eines nachhaltigen und umfassenden Beratungsangebot erschwert.

Andererseits jedoch auch an der eher unzureichenden bundespolitischen Berücksichtigung durch die Bundespolitik. Dies zeigt sich daran, dass der Themenkomplex Schuldnerberatung trotz vielzähliger Querbezüge, beispielsweise mit den Themen Recht und Verbraucherschutz oder den Rechtskreisen der Sozialgesetzbücher II und XII, keinem Fachministerium inhaltlich zugeordnet ist. Auch wenn es hierfür vielleicht Gründe geben mag, so gilt es diese angesichts Millionen überschuldeter Menschen und der Inanspruchnahme von professioneller Schuldnerberatung vielleicht zu überdenken.

Wie kann es weiter gehen?

Die Coronakrise und ihre Auswirkungen auf die individuelle Einkommenssituationen haben das Thema Überschuldung (wieder) neu in den Fokus gerückt. Die Beratungsstellen des DRK sehen sich im Rahmen ihres Selbstverständnisses und des gesetzlichen Auftrages verpflichtet, den Betroffenen in diesen Fällen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Durch die Coronakrise wird jedoch auch der gesellschaftliche Handlungsdruck sichtbar, wenn der Blick auf das System der Schuldnerberatung gerichtet wird. Vielleicht aber benötigt es gerade jetzt und angesichts der drohenden Auswirkungen der Krisenzeit den Hinweis, dass ein System selbst nur so stark und leistungsfähig sein kann, wie es die Verantwortlichen zulassen und ermöglichen.

Aus Sicht des DRK bleibt zu hoffen, dass die Politik die Potentiale der Schuldnerberatung nicht nur in der Lösung akuter, sondern auch in der Prävention künftiger Überschuldungsfälle erkennt und hieraus die richtigen Schlüsse für die dringend notwendige Aufwertung und Stärkung der Schuldner- und Insolvenzberatungen zieht. Denn die Soziale Schuldnerberatung verfügt über das Potential, Überschuldung auch präventiv entgegenzuwirken und so einen wichtigen Beitrag im Zuge der Armutsprävention und zur Vermeidung von sozial prekären Lebenslagen leisten zu können.

[1] (2020) Moers, Ines: Private Verschuldung in der Corona-Krise: Wie kann die Schuldner- und Insolvenzberatung gestärkt werden?, Friedrich-Ebert-Stiftung (Link).

[2] (2020) Gradü, Jens & Grigat, Guido (Spiegel Online): „Corona wird zum Schuldenproblem für Verbraucher“ (Link).