Nicht erst seit der Corona-Krise fokussieren wir das Thema. Aber bislang bekam es noch nicht die große Bühne. Nun konnten wir in der Atmosphäre eines Talkshow-Studios die ersten Schlüsse aus der anhaltenden Corona-Krise zum Anlass nehmen und Ideen diskutieren, wie sich das System Pflege step by step hin zu einem resilienten entwickeln kann. Spätestens seit den Berichterstattungen über die herausragende Rolle der Pflege in dieser Krise aber auch den anfänglichen Schwierigkeiten wie (Pandemie-) Planlosigkeit und Materialengpässen kann die Bedeutung der Frage Preparedness nicht mehr geleugnet werden.
Wie krisenfest ist das System Pflege? Wo liegen Ressourcen verborgen? Warum gehört die Pflege an die Verhandlungs- und Krisentische der Zukunft?
All dies wurde von Vortragenden und den Diskutierenden im Rahmen der DRK-Veranstaltung im Satellitenprogramm des Pflegetages, trotz digitalen Rahmens, hitzig erörtert. Große Einigkeit -wenig überraschend- bei der Feststellung, dass sich das System Pflege nicht erst seit dem pandemischen Ausnahmezustand in einer Krise befindet und es eine herausfordernde Aufgabe ist, die fachgerechte Pflege für die Zukunft sicherzustellen.
Natürlich kam dabei auch die angespannte Personalsituation und die hohe Belastung der Pflegekräfte zur Sprache. Covid-19 hat erneut verdeutlicht, dass unser Gesundheits- und Pflegesystem nicht nur durch die Anzahl an freien Intensivbetten, sondern durch die Anzahl an verfügbaren Pflegekräften gekappt wird.
Die Pandemie als Chance
Die Krise hat an vielen Stellen offenbart, was in der Vergangenheit versäumt wurde und wo und wie in Zukunft systemisch nachgebessert werden muss. Sie kann und sollte daher nun als Chance verstanden werden. Diese Botschaft transportierte Christian Reuter, Generalsekretär des DRK e.V. in seinem Grußwort.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus, zeigte hier gleich mehrere Beispiele auf. Er wies darauf hin, dass in einigen Einrichtungen zwar Pandemie-Pläne vorhanden waren, diese aber weder aktuell noch bei den Pflegekräften präsent waren. Schutzbekleidung und Desinfektionsmittel waren gerade zum Beginn der Pandemie äußerst knapp, da zum einen keinerlei Bevorratung in den Einrichtungen aber auch keine zentrale Erfassung von Beständen vorhanden war. Außerdem stellt er fest, dass Pflegekräften gezwungen waren, völlig unvorbereitet auf die Krisensituation zu reagieren.
Diesen Aspekt griff Prof. Dr. Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften auf. Die besondere Rolle von Pflegekräften in Krisensituationen, so Prof. Ulrichs, „setzt eine Mandatierung und eine stärkere Verankerung von Pandemieplanung und speziellen Krisenkompetenzen in die Pflegeausbildungen voraus.
Frau Müller-Stutzer, Präsidentin des Verbands der DRK-Schwesternschaften, betonte, dass Pflegefachkräfte über diese notwendigen Kompetenzen verfügen und ohnehin stets darauf angewiesen seien, Flexibilität und Lernbereitschaft zu zeigen. Nur so konnten sie auch den bisherigen Verlauf der Krise meistern. Dennoch braucht es Kompetenzerweiterungen und insbesondere Trainingsangebote, um fachgerechte Antworten auf pandemische Ausnahmelagen liefern zu können.
Die Pflege wäre gut beraten, nicht lediglich auf die Initiative der politischen Entscheider zu warten. Der Berufsstand vermag es, sich selbst zu organisieren und Konzepte vorzulegen, war eine Kernbotschaft von Matthias Moritz, Geschäftsführer der Pflegekammer Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus müsse die Kompetenz der Pflegenden ernstgenommen und diese an die Tische der Krisenstäbe berufen werden. Nur so könne es eine Entwicklung weg von reaktiver Bewältigung und hin zur aktiven Vorbeugung von Krisen kommen. Institutionen sind, laut Herrn Moritz, in der Verantwortung entsprechende Gremien zu schaffen, die wiederum beispielsweise als „Katastrophenvorsorge-Kommissionen“ auftreten.
Dabei kann man nicht auf die Kompetenzen der Pflege verzichten, sondern es ist geboten, diese Ressource nutzen und die Pflege aktiv miteinbeziehen. Um dies schließlich zu erreichen, gehört die Pflege organisiert, wie Maria Czaja, Präsident des DRK Landesverbandes Berlin und ehemaliger Gesundheitssenator Berlins, in der Diskussion betonte.
Natürlich stand die professionelle Pflege im Mittelpunkt der Diskussion.
Das aktuelle Geschehen wirft jedoch automatisch Fragen nach der Rolle der Bevölkerung in Krisen auch in Bezug auf Pflege auf. Etliche Angehörige waren betroffen, als Tagespflegen aufgrund von Covid-19 im Frühjahr schließen mussten. Das Deutsche Rote Kreuz sieht hier Handlungsbedarf und Marcus Aust, Sachgebietsleiter Ausbildung Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz im DRK-Generalsekretariat, präsentierte auf dem Pflegetag den Gedanken eines Kurses zur Befähigung der Bevölkerung, die grundlegendsten pflegerischen Handgriffe für kurze Zeit zu übernehmen – ein möglicher „Erste-Hilfe-Kurs für Pflegetätigkeiten für An- und Zugehörige“.
Ressortübergreifende AG „Krisenfeste Pflege“?
Doch wer ist eigentlich für was zuständig? Wer wird sich um die zentralen Fragen kümmern? Das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesministerium des Inneren, die oberste Bundesbehörde des BMI: das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe?
Koordinierte Aktionen und Zusammenschlüsse von mehreren Ressorts wie bei der „Konzertierten Aktion Pflege“ (KAP) haben gezeigt, dass verschiedene Arbeits- und Zuständigkeitsbereiche zusammenwirken können und es möglich ist, wirksame Maßnahmen gemeinsam zu erarbeiten. Der Zwischenbericht zum Umsetzungsstand der KAP-Maßnahmen zieht ein positives Resümee. Adäquate Krisenbewältigung beginnt vor einer Krise oder Katastrophe. Die neuen Arbeitsweisen und Zusammenschlüsse machen Hoffnung, dass sich in Zukunft eine AG zum Thema „Krisenfestigkeit“ in einem ähnlichen Rahmen zusammenfindet. Die Unterstützung und aktive Mitarbeit des Deutschen Roten Kreuzes sagen wir hiermit schon gern zu.
Denn wir sehen uns dem Thema der Resilienzsteigerung in Gesundheit und Pflege gegenüber in besonderem Maße verantwortlich und sind froh, den Deutschen Pflegetag dafür nutzen zu können, einen ersten Grundstein für zukünftige konstruktive Diskussionen zu legen.
Karolina Molter und Niklas Muskulus