Laura-Kristine Krause, Geschäftsführerin More in Common Deutschland

Neue Narrative braucht das Land – Interview mit Laura-Kristine Krause (More in Common)

Sprache ist zentral für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das geschriebene und gesprochene Wort, die Sprachbilder und ›Frames‹ entscheiden darüber, ob Kommunikation gelingt – ob sie anschlussfähig ist oder vielleicht auch spaltend wirkt. Ein Interview mit Laura-Kristine Krause zu neuen Narrativen für die Zivilgesellschaft.

Laura, seit 2018 leitest du More in Common Deutschland, den Ableger einer neuen internationalen Initiative mit weiteren Zweigen in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Frankreich. Auf eurer Webseite ist zu lesen, dass ihr euch der Resilienz-Stärkung von Gesellschaften widmet; insbesondere den sozialen Zusammenhalt wollt ihr stärken. Wie macht ihr das? Gesellschaften stehen heute eigentlich überall unter großem Druck – Globalisierung, Klimawandel, soziale Spaltung, Migration, unsere Welt verändert sich und das hat auch Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima. Viele Menschen merken gerade, dass der Zusammenhalt in Zeiten von großen Herausforderungen keine Selbstverständlichkeit ist – wenn er es denn ja war. Als More in Common sich 2017 gegründet hat war das deshalb auch genau die Frage, der wir uns widmen wollten: Wie können demokratische Gesellschaften in ihrem Kern gestärkt werden? Wir glauben, dass neue Herausforderungen auch neue Herangehensweisen brauchen und dass wir auch alle noch besser verstehen können, was sich gerade gesellschaftlich verändert. Deshalb führen wir einerseits große Meinungsforschungsstudien durch, die uns und anderen Organisationen ein tieferes Verständnis der aktuellen gesellschaftlichen Lage liefern. Andererseits führen wir gemeinsam mit Partnern in ganz Deutschland Projekte rund um das Thema Gesellschaft und Zusammenhalt durch und sammeln so nach dem „Austesten und Lernen“-Ansatz praktische Erkenntnisse, was den Zusammenhalt zwischen Menschen in der Praxis tatsächlich stärken kann – und was vielleicht weniger gut funktioniert als gedacht. Anfang Juni habt ihr in das Hauptstadtbüro der Robert Bosch Stiftung zu einem spannenden Workshop zu ›Framing‹ und ›neuen Narrativen‹ eingeladen. Magst du diese beiden Begriffe bitte kurz erläutern und erzählen, was beim Workshop rauskam? „Narrative“ heißt so viel wie „Erzählung“, also das fokussieren darauf, welche Geschichte man mit seiner Arbeit erzählen möchte, um andere zu erreichen. „Framing“ kommt aus der Kommunikationsforschung und meint das Auswählen und Einbetten von Begriffen in einen Deutungsrahmen. Die Kognitionsforschung hat nämlich gezeigt, dass verschiedene Begriffe mitunter völlig unterschiedliche Emotionen oder Assoziationen wecken, selbst wenn sie per Definition dasselbe bedeuten mögen. (So reagieren Menschen z.B. unterschiedliche Reaktionen darauf, ob man von „90% Überlebenswahrscheinlichkeit“ oder von „10% Sterbewahrscheinlichkeit“ spricht, obwohl es faktisch dasselbe bedeutet.) Im Grunde genommen geht es bei beiden Begriffen also um den bewussten Einsatz von Sprache. Viele Organisationen verwenden Begrifflichkeiten, die eher ihrer internen Logik entsprechen (weil sie z.B. schon immer verwendet wurden) und weniger darauf ausgerichtet sind, wer mit einer konkreten Aktion oder Kampagne eigentlich erreicht werden soll. Dabei entstehen schon einmal sehr sperrige Begriffe oder eine eher neutrale, manchmal schon fast kühle Sprache. Bewusste und vor allem lebendige Sprache ist jedoch besonders dann essenziell, wenn – wie es derzeit ja in aller Munde ist – außerhalb der eigenen „Blase“ kommuniziert werden soll, also wenn neue Zielgruppen angesprochen werden sollen, die einem bisher verschlossen geblieben sind. Genau dafür haben wir im Workshop sensibilisiert und Organisationen versammelt, die alle aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Gesellschaft gestalten – darunter das Deutsche Rote Kreuz. Das war sehr spannend, insbesondere zu sehen, wie ähnliche die Begrifflichkeiten und auch die Fragen waren, die sich viele derzeit stellen. Ja, da hast du Recht, das war spannend! Wie geht es denn jetzt weiter? Wir veröffentlichen im Herbst unsere große More in Common-Studie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland, an der wir seit Jahresbeginn arbeiten. Diese wird ganz konkrete Erkenntnisse liefern, wie der Zusammenhalt in Deutschland praktisch gestärkt werden kann und mit welchen Anliegen verschiedene Bevölkerungsgruppen eingebunden werden können. Wir hoffen, dass das auch für andere zivilgesellschaftliche Akteure spannende Hilfestellung für ihre Arbeit ist und freuen uns auf neue Kooperationen – gerne auch wieder mit den Organisationen, die bei unserem Workshop dabei waren. Auf die Studie freue ich mich auf jeden Fall schon mal! Vielen Dank liebe Laura.