Aber ist das so? Kann sich eine Pflegeeinrichtung beispielsweise bei einem langanhaltenden Stromausfall auf die Hilfestellung von außen verlassen? Sollte die Altenhilfe des Deutschen Roten Kreuzes nicht auch selbst für mögliche Krisenszenarien vorsorgen?
Im Forum
"Kälteeinbruch.Schneesturm.Stromausfall. Handlungsfähige Altenhilfe auch in der Krise?" auf dem DRK-Wohlfahrtskongress hat André Solarek (CHARITÉ – Universitätsmedizin Berlin) in seinem
Input dargestellt, welche Auswirkungen ein Stromausfall auf Pflegeeinrichtungen haben kann – so ist beispielsweise die Benutzung vieler Pflegegeräte (elektrische Pflegebetten, Patientenlifter etc.) nicht mehr möglich. Personen, die auf Beatmungs- oder Dialyseapparate angewiesen sind, müssen unmittelbar mit Notstrom versorgt oder in andere Einrichtungen verlegt werden. Aber haben alle stationären Pflegeeinrichtungen überhaupt eine Notstromversorgung? Werden tatsächlich alle wichtigen Bereiche mit diesem versorgt?
Auch Heidi Oschmiansky (Sachgebiet Forschung im Bevölkerungsschutz, DRK-GS) und Christine Scholl (Kreisgeschäftsführerin DRK-KV Unna e.V.) kamen in ihrem
Beitrag zum Forschungsprojekt KOPHIS u.a. zu dem Ergebnis, dass der professionelle Pflegebereich unzureichend auf Krisen und Großschadenslagen vorbereitet ist. So gibt es weder einheitliche Vorschriften zur Notstromversorgung in Pflegeeinrichtungen noch eine Verpflichtung zum Aufstellen von Notfallplänen.
Und das obwohl wissenschaftlich belegt ist: Ältere Menschen sind in Krisensituationen besonders vulnerabel und überdurchschnittlich stark gefährdet.
Wir haben uns auf den Weg gemacht!
Mit dem Forum wollten wir ein Signal in den Verband senden – Wir haben uns auf den Weg gemacht. Im Generalsekretariat erachten wir das Thema Krisenvorsorge (auch) in der Wohlfahrtspflege für sehr relevant und sehen hierin ein wichtiges strategisches Thema. Zunahme extremer Wetterereignisse wie Starkregen, Sturm, Schneestürme, Hagel und Gewitter oder auch lange Trockenperioden und Hitze- bzw. Kältewellen, die häufig die Ursache für Schadenslagen wie langanhaltende Stromausfälle sind, nehmen in den letzten Jahren weltweit zu. In seiner Doppelfunktion als Nationale Hilfsgesellschaft und Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege sollte das DRK für dieses Thema besonders sensibilisiert sein. Nicht zuletzt weil es ein entsprechendes Erwartungsbild in der Gesellschaft gegenüber dem DRK gibt: Das Rote Kreuz hilft in Notsituationen und seine Leistungen und Angebote werden auch in der Krise sichergestellt.
Wir wollen daher zum Thema Krisenvorsorge mit dem Bereich der Nationalen Hilfsgesellschaft noch enger zusammenarbeiten. Mit gemeinsamen Veranstaltungsformaten wie dieses Forum oder auch der Beitrag "Partizipation auch in der Krise? Pflegerische Versorgung bei Stromausfall – Ein Krisenszenario, das Fragen aufwirft" im
Sammelband „Digitalisierung und Teilhabe. Mitmachen, mitdenken, mitgestalten!“ von meinem Kollegen Björn Stahlhut und mir sollen das Interesse in der Wohlfahrtspflege für dieses Thema wecken und Problemfelder greifbarer machen.
Das Thema Krisenvorsorge muss auf verschiedenen Ebenen bearbeitet werden
Unsere Aufgabe ist es nun, Forschungsergebnisse aufzunehmen und das Thema Krisenvorsorge systematisch in unseren Strukturen der Wohlfahrtspflege zu verankern.
Für den Bereich der Altenhilfe wurde im Forum herausgearbeitet, dass zunächst eine Sensibilisierung aller Akteure erfolgen muss. So sollten ältere Menschen und deren Angehörige ebenso wie Geschäftsführungen und Einrichtungsleitungen auf die Thematik aufmerksam gemacht und zur Selbstvorsorge angeregt werden. Zugleich sollten wir Strategien entwickeln, die zur strukturellen Verankerung der Thematik im Feld der Altenhilfe beitragen können. Die Ideen reichten von Handlungsempfehlungen, erarbeitet durch eine Projektgruppe aus Wissenschaft und Praxis, über Simulationen, die ein denkbares Krisenszenario wie `10h ohne Strom im Pflegeheim´ durchspielen bis hin zu einem Pilotprojekt, dessen Ergebnisse dann in den Verband wirken. Schließlich wurde auch das neue Pflegeberufegesetz, in dem die Durchführung von Maßnahmen in Krisen- und Katastrophensituationen explizit genannt wird, als Chance für das DRK gesehen. So könnten wir beispielsweise DRK-Pflegeschülern bereits in der Ausbildung das Thema und das Besondere des Roten Kreuzes anschaulich vermitteln.
Klar wurde aber auch: Ohne finanzielle Ressourcen kann keine nachhaltige Krisenvorsorge erfolgen. Hierfür müssen wir Lobbyarbeit betreiben und für die Schaffung guter gesetzlicher Rahmenbedingungen eintreten. Wir nehmen diese Impulse auf und werden verschiedene Finanzierungsoptionen ausloten.
Krisenvorsorge als Teil unseres Resilienzansatzes
Krisenvorsorge ist ein wichtiger Bestandteil unseres Resilienzansatzes. Mit Resilienz meinen wir Widerstandsfähigkeit. Dieser Ansatz beschreibt die Fähigkeit von Individuen und Gemeinschaften, Notlagen zu verhindern, deren Auswirkungen zu verringern und zu bewältigen. Und wir sind sicher – Pflegeeinrichtungen können aufgrund ihrer personellen, räumlichen und materiellen Ressourcen grundsätzlich einen entscheidenden Beitrag in der Bewältigung von Krisensituationen spielen. Die Stärkung der organisationalen Resilienz, also die Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Organisationen gegen schwierige Einflüsse und Gefährdungen, wird in diesem Zusammenhang als Schlüsselgedanke verstanden. So wären in der stationären Altenhilfe beispielsweise die Sicherstellung einer unabhängigen Energieversorgung und die Bevorratung von Lebensmitteln, Pflegmaterialien und Medikamenten erste gute Ansätze auf dem Weg der eigenen Resilienzstärkung.
Wir sind davon überzeugt – Krisenvorsorge und Resilienz sind für die Wohlfahrtspflege des Deutschen Roten Kreuzes wichtige Themen. Wir sollten hierin eine Kernkompetenz entwickeln und das Besondere der Leistung DRK ausdrücken.
Das Forum hat mir viele gute Impulse mitgegeben und ich gehe mit einer klaren Aussage zurück an die Arbeit: Krisenvorsorge und Resilienz sind (auch) Themen der DRK-Wohlfahrt!