Ein neues Leben in einem fremden Land zu beginnen, ist für viele Zugewanderte mit Hoffnungen, aber häufig auch mit Herausforderungen verbunden. Sie stehen nicht nur vor der Bewältigung einer neuen Kultur und Sprache, sondern müssen sich auch durch komplexe rechtliche und bürokratische Prozesse navigieren, die für Zugewanderte einen entscheidenden Unterschied in ihrem Teilhabeprozess machen können. Wir freuen uns deshalb, Frau Ali und Herrn Qahar für ein Interview zu gewinnen und ihre Erfahrungen und Perspektiven zu teilen.
Guten Tag, Frau Ali und Herr Qahar. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit uns über Ihre Erfahrungen in der MBE und dem JMD zu sprechen. Könnten Sie uns zu Beginn kurz erzählen, woher Sie kommen und wie Sie nach Deutschland gekommen sind?
Fr. Ali: Ich komme aus Syrien. Ich bin geschieden, habe zwei Kinder und lebe seit 2016 in Deutschland. Seit Juni 2023 habe ich eine Stelle als Altenpflegehelferin in einem Pflegeheim in der Nachbarstadt.
Hr. Qahar: Ich komme aus Afghanistan. Ich bin seit dem 31.08.2021 in Deutschland. Ich war zuerst einen Monat in Hamburg in einem Camp und wurde dann nach Thüringen gebracht, wo ich in einer WG mit 6 Menschen gewohnt habe.
Wie war es für Sie, in einem neuen Land anzukommen?
Fr. Ali: Am Anfang hatte ich viele Probleme: Ich wollte mich von meinem Mann trennen, ich hatte keine eigene Wohnung und Probleme mit unbezahlten Rechnungen. Ich brauchte Unterstützung und habe den Kontakt zur Beratungsstelle (MBE, Anm. der Redaktion) gesucht.
Hr. Qahar: Für mich war es sehr schwer, in Thüringen auf dem Dorf isoliert zu warten, bis ich nach einem Jahr einen Deutschkurs beginnen kann. Die lange Wartezeit war sehr schwer, weil es im Dorf keine Möglichkeit gab zu arbeiten oder einen Kurs früher zu starten. Wenn ich nicht nach München gezogen wäre, dann wäre ich dort wahrscheinlich depressiv geworden.
Für mich war es sehr schwer, in Thüringen auf dem Dorf isoliert zu warten, bis ich nach einem Jahr einen Deutschkurs beginnen könnte.
Wie konnten Sie diese Herausforderung bewältigen?
Hr. Qahar: Ein Onkel hat mir geholfen von Thüringen weg, nach Augsburg zu kommen. Danach bin ich nach München gekommen, wo ich mit Unterstützung der Beratungsstelle (JMD, Anm. der Redaktion) eine Arbeit und einen Deutschkurs angefangen habe. Vorher habe ich nur mit YouTube Deutsch gelernt.
Ich musste lange warten, bevor ich arbeiten konnte.
Fr. Ali: Die Beraterin in der Beratungsstelle hat mich sehr unterstützt. Sie hat mich an eine Familienrechtsanwältin vermittelt. Das Gericht hat meinem Mann dann gesagt, dass er nicht zu unserem Haus kommen darf. Nach der Scheidung hat die Beraterin mir geholfen, eine eigene Wohnung zu finden.
Der Umzug war schwierig: man muss dem Jobcenter viele Briefe schreiben und bekommt auch viele Briefe, die man nicht versteht. Und man braucht ja auch Umzugshelfer.
Ich kannte niemanden, aber auch hier hat die Beraterin mich unterstützt und ehrenamtliche Helfer organisiert.
Danach gab es viele Probleme wegen den Stromrechnungen aus der alten Wohnung. Zusammen mit der Beraterin bin ich in die Verbraucherberatung gegangen und habe dann die Rechnungen in Raten zurückgezahlt.
Als mein Sohn Probleme in der Schule bekam, hat die Beraterin mit mir einen Antrag auf eine Teilhabeassistenz gestellt. Sie hat mich zu Gesprächen im Jugendamt und in der Schule begleitet.
Was hat Ihnen noch geholfen, um in Deutschland anzukommen?
Fr. Ali: Geholfen hat mir am Anfang in Deutschland, dass wir zuerst in einem sehr kleinen Dorf gewohnt haben, wo jeder jeden kannte.
Die Sprache war am Anfang das Schwerste.
Trotzdem haben die Kinder schnell Freunde zum Spielen gefunden. Und auch ich hatte guten Kontakt zu meinen Nachbarinnen, die mir auch viel über Deutschland und die Regeln hier erklärt haben.
Herr Qahar, Sie sind noch recht jung. Welche Träume haben Sie für Ihre Zukunft?
Hr. Qahar: Mein großer Traum ist Deutsch fertig zu lernen und eine Ausbildung zu beginnen. Jeder hat einen großen Traum in Deutschland. Ich möchte gern eine erfolgreiche Person sein in Deutschland. Ich möchte für mich selbst sorgen und unabhängig sein.
Was denken Sie, Frau Ali - was brauchen Menschen, die neu in Deutschland ankommen?
Fr. Ali: Ich denke, wenn man neu nach Deutschland kommt, ist es wichtig, dass man die Sprache lernt, und dass man Kontakt hat zu deutschen Leuten. Und dass man weiß, wohin man bei Problemen gehen kann: zu einer Beratungsstelle wie der MBE!
Beim bundesweiten Aktionstag der Migrationsberatung für Erwachsene Zugewanderte und der Jugendmigrationsdienste stellen MBE – und JMD-Beratungsstellen mit Aktionen und Veranstaltungen in ganz Deutschland ihre Arbeit vor. In Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern setzen sie sich zudem gegen drastische Kürzungen im Bundeshaushalt ein. Die geplanten Kürzungen in MBE und JMD in Höhe von jeweils 30 Prozent haben weitreichende Folgen für Zugewanderte, sie gefährden die Teilhabe vieler Menschen in Deutschland und damit auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Zahl Zugewanderter ist ungebrochen hoch und hat letztes Jahr einen neuen Höchststand erreicht. In der MBE konnten im vergangenen Jahr in bundesweit 1.436 Beratungseinrichtungen insgesamt 557.000 Personen erreicht werden. Beim JMD werden 120.000 junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren von bundesweit 500 Jugendmigrationsdiensten beraten und begleitet.
Das DRK fordert die Beratungsangebote auszubauen, anstatt sie zu kürzen und gut ausgebildete Beratungsfachkräfte ziehen zu lassen.
Das könnte Sie auch noch interessieren
- DRK- Pressemitteilung: MBE-Aktionstag: Erfolgsmodell Migrationsberatung in Gefahr
- "Geflüchtete fragen mich sehr oft, wie sie helfen können." - Interview zum Thema Ehrenamtliches Engagement beim DRK
- https://www.migrationsberatung.org/
- https://www.jugendmigrationsdienste.de/