Caroline Haga / IFRC

Familien gehören zusammen – auch in Zeiten von Covid-19

Die COVID-19-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Restriktionen haben uns alle verunsichert. „Wie geht es meinen Angehörigen und wann können wir uns wiedersehen?“ - wohl jeder und jede hat sich diese oder ähnliche Fragen gestellt. Für Familien, die auf Grund von Flucht vor Verfolgung oder bewaffneten Konflikten getrennt voneinander sind, sind solche Sorgen leider Alltag. Durch die Corona-Pandemie ist ein Wiedersehen für viele von ihnen in noch weitere Ferne gerückt.

Das EU-Büro des Roten Kreuzes appelliert anlässlich des bevorstehenden Weltflüchtlingstages am 20. Juni 2021 an die EU-Mitgliedsstaaten, Lehren aus der Pandemiezeit zu ziehen und die bestehenden bürokratischen Hürden für den Familiennachzug zu international Schutzberechtigten zu reduzieren. Gerade in diesen Wochen, in denen die Pandemiebeschränkungen gelockert oder gar aufgehoben werden, benötigen die betroffenen Familien konkrete Perspektiven und Lösungen.  

Die Hürden für betroffene Familien sind hoch

In den vergangenen Jahren wurden Regelungen des Familiennachzugs zu international Schutzberechtigten in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten teilweise verschärft. Vielerorts werden die gesetzlichen Nachzugsvoraussetzungen zudem restriktiv ausgelegt und angewandt. Im deutschen Kontext sind hier die im August 2018 in Kraft getretene Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte sowie der enge Familienbegriff des Aufenthaltsgesetzes zu nennen. So existiert zum Beispiel keinerlei gesetzliche Regelung für einen Geschwisternachzug, wodurch Eltern, welche ein Nachzugsrecht zu ihren schutzberechtigten Kindern in Deutschland erhalten haben, in den allermeisten Fällen gezwungen sind, weitere Kinder zurückzulassen – fast immer unter sehr gefährlichen und prekären Bedingungen, wie sie z.B. in Gegenden bewaffneter Konflikte vorherrschen.  

Die Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft

Durch die Pandemie sind zusätzliche Erschwernisse beim Familiennachzug und der Wiederherstellung der Familieneinheit entstanden. Wer das Visum zur Einreise nach Deutschland in den Händen hält, hat in aller Regel die meisten Hürden beim Familiennachzug erfolgreich genommen. Doch während der Pandemie war die Nutzung der Visa zum Familiennachzug auf Grund der internationalen Grenzschließungen und Einreisebeschränkungen in der Regel meist nicht mehr möglich und viele bereits ausgestellte Visa verfielen ungenutzt. Die Schließung von Auslandsvertretungen oder Einschränkungen des Publikumsverkehrs führten zu Verzögerungen bei der Bearbeitung und Entgegennahme von Visaanträgen. Momentan sind die meisten Botschaften zwar wieder erreichbar, sie kämpfen jedoch mit einem Verfahrensstau und die Wartezeiten für Termine sind lang. Europaweit befindet sich die Zahl der aus familiären Gründen erteilten Visa auf einem nie dagewesenen Tiefstand. Dies stellt nicht nur für die nachziehenden Familienangehörigen eine große Last dar: auch für die bereits in Deutschland lebenden Schutzberechtigten sind die andauernde Trennung und die damit einhergehenden Sorgen eine Belastung, die sich negativ auf den Prozess der Integration und Inklusion auswirken kann.

Mögliche Lösungsvorschläge

Zumindest teilweise Abhilfe schaffen könnte eine bedarfsorientierte Anpassung der konsularischen Kapazitäten und eine regelmäßige entsprechende Evaluation. Wenn eine Vorsprache in der deutschen Botschaft nicht möglich ist, könnte auf Alternativen zurückgegriffen werden, wie die Vorsprache in den Auslandsvertretungen anderer EU-Mitgliedsstaaten oder den Büros von IOM oder UNHCR. Ebenso wichtig sind eine erleichterte Verfügbarkeit von Rechtsberatung, Informationen und Reiseunterstützung für die betroffenen Familien.

Bei allen Schwierigkeiten hat sich in der Pandemie auch gezeigt, dass innovative und kreative Lösungen möglich sind. Einige Botschaften führten Anhörungen per Videokonferenz durch und verwendeten digitale Tools, um die Antragstellung und die Bearbeitung von Visumsanträgen zu ermöglichen. Andernorts wurden Visa, die aufgrund von Reisebeschränkungen ungenutzt abgelaufen waren, unbürokratisch verlängert. Hier gilt es, dranzubleiben und derartige Ansätze auszubauen.

Die Aktivitäten des DRK-Suchdienstes  

Der DRK-Suchdienst unterstützt seit Jahrzehnten Menschen, die durch bewaffnete Konflikte, Katastrophen, Flucht, Vertreibung oder vergleichbar schwerwiegende Ereignisse von ihren Nächsten getrennt wurden. Er hilft, Angehörige zu suchen und sie wieder miteinander in Kontakt zu bringen. Der DRK-Suchdienst berät in diesem Zusammenhang auch zu rechtlichen Fragen bei der Familienzusammenführung in Deutschland. Zudem unterstützt der DRK-Suchdienst bei praktischen Problemen der Familienzusammenführung, indem er mit dem internationalen Suchdienst-Netzwerk der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften weltweit und dem Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie mit anderen humanitären Organisationen eng zusammen arbeitet.

Auf die Pandemie reagierten die Suchdienst-Beratungsstellen, indem sie z.B. Beratungen per Telefon und Videokonferenzen anboten und ihre Räumlichkeiten pandemiegerecht ausstatteten. Die Fachreferentinnen und -referenten der DRK-Suchdienst-Leitstelle Berlin und des DRK-Suchdienst-Standorts Hamburg standen und stehen in engem Dialog mit den zuständigen Ministerien und Behörden, um auf drängende Fragen beim Familiennachzug von und zu Flüchtlingen aufmerksam zu machen und Lösungen zu erwirken.

Als DRK setzen wir uns – auch unabhängig von der Pandemie – gemeinsam mit unseren Schwestergesellschaften und dem Rot-Kreuz-EU-Büro dafür ein, dass die Schicksale von auseinandergerissenen Familien nicht aus dem Fokus geraten und die bestehenden Hürden für den Familiennachzug abgebaut werden. Auf europäischer Ebene wurden hierzu bereits Vorschläge gemacht. Der Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Asyl- und Migrationsmanagementverordnung (2020/0297(COD) enthält etwa einen erweiterten Familienbegriff und es gilt nun sicherzustellen, dass derartige Vorstöße nicht von anderen Normen des vorgeschlagenen „Neuen Paktes für Migration und Asyl“ nivelliert werden. Zudem sollten die während der Pandemie erprobten innovativen Ansätze auch in der Zukunft beibehalten werden!

Weiterführende Links:

- DRK-Suchdienst: https://www.drk-suchdienst.de/

- Rot-Kreuz-EU-Office: https://redcross.eu/

- Restoring Family Links, ICRC: https://familylinks.icrc.org/europe/en/Pages/home.aspx