Der Klima-Sozialfonds – guter Ansatz, viele Unklarheiten
Im Juni letzten Jahres hat die Europäische Kommission mit „Fit für 55“ ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem sie die ambitionierten Zielsetzungen des europäischen Grünen Deals umsetzen möchte. Konkret soll bis zum Jahr 2030 der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU um 55% gegenüber dem Niveau von 1990 gesenkt werden. Hierfür sind neue Regulierungen unter anderem für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft, für die Verbesserung von Energieeffizienz, sowie über die Ausweitung des Emissionshandels auf Gebäude und Straßenverkehr vorgesehen. Um die absehbare Kostensteigerung aufgrund des erweiterten Emissionshandels für Verbraucher abzufedern, soll ein Klima-Sozialfonds eingerichtet werden, der Kleinstunternehmen, einkommensschwache Haushalte und Verkehrsteilnehmende unterstützen soll. Der Klima-Sozialfonds wird aus den Einnahmen des erweiterten Emissionshandels finanziert und soll 72,2 Mrd. Euro umfassen, die nach einem festgelegten Schlüssel unter den Mitgliedsstaaten aufgeteilt und durch nationale Eigenmittel ergänzt werden sollen. Die Unterstützung erfolgt über direkte Einkommenshilfen, sowie durch Investitionen in Energieeffizienz und Zugang zu emissionsarmer Mobilität.
Obwohl der Ansatz eines sozialen Ausgleichsmechanismus für einen erweiterten Emissionshandel grundsätzlich breite Unterstützung fand, gab es von vielen Seiten Kritik an dem Vorschlag. Auch das Rote Kreuz äußerte sich im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zu dem Vorschlag und kritisierte vor allem die ungenaue Definition der Zielgruppen und die vielen Unklarheiten, wie die Zielgruppen von dem Fonds tatsächlich profitieren können. Größter Kritikpunkt ist aber die vorgesehene Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten. Demnach obliegt es den Mitgliedstaaten, welche konkreten Maßnahmen aus dem Klima-Sozialfonds finanziert werden sollen. Eine Einbindung von zivilgesellschaftlichen Partnern in die Erarbeitung von nationalen Klimaschutzplänen ist nicht vorgesehen (das sogenannte „Partnerschaftsprinzip“ findet u.a. Anwendung in der Umsetzung der EU-Strukturfonds und sorgt für Transparenz und eine bedarfsgerechte Verwendung von EU-Mitteln). Diese Vorgehensweise führte schon bei den umfangreichen Wirtschaftshilfen (NextGenerationEU, genauer die Aufbau- und Resilienzfazilität), die als Reaktion auf die Corona-Krise insgesamt 672,5 Milliarden Euro an die Mitgliedsstaaten ausgab, zu Intransparenz und fehlgeleiteten Investitionen – und es sparte zivilgesellschaftliche und gemeinnützige Akteure in vielen Mitgliedsländern komplett aus, so auch in Deutschland. Das der Klima-Sozialfonds einen ähnlichen Ansatz verfolgt, untergräbt die gut etalierten Partnerschaften in der Umsetzung von EU-Mitteln mit zivilgesellschaftlichen Partnern ein weiteres Mal.
Parlamentsvorschlag setzt auf Partnerschaft und Bedarfsorientierung
Der diese Woche verabschiedete Bericht des Europäischen Parlaments sieht konkrete Verbesserungen des Kommissionsvorschlags vor, die sehr zu begrüßen sind und in vielen Punkten auch den Empfehlungen des Roten Kreuzes entgegenkommen (entsprechendes Dokument ist am Ende des Eintrags verlinkt). So wurde die Problematik der Mobilitäts- und Energiearmut in den Parlamentsbericht integriert bzw. umfassend ausdefiniert. Damit wird ein besseres Verständnis dafür geschaffen, wer von den steigenden Kosten am stärksten betroffen ist und wie Nebeneffekte wie bspw. steigende Mieten aufgrund von Gebäudesanierungen vermieden oder adressiert werden können.
Eine zweite wichtige Verbesserung sieht sie Einbindung von Partnern bei der Entwicklung der nationalen Klimaschutzpläne vor und führt somit das Prinzip der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in den Klima-Sozialfonds ein! Die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Partnern wie den Wohlfahrtsverbänden aber auch lokalen und regionalen Akteuren ist unabdingbar, um sicherzustellen, dass Maßnahmen zielgerichtet diejenigen entlasten, die am meisten unter den Auswirkungen erhöhter Energie- und Transportkosten zu leiden haben. Das Partnerschaftsprinzip kann sicherstellen, dass der Klima-Sozialfonds zu einem zielgerichteten und transparenten Finanzinstrument und wichtiger Bestandteil einer sozial-gerechten Transformationspolitik wird. Entsprechend sollte es in den interinstitutionellen Verhandlungen Berücksichtigung finden. Es liegt nun auch an der deutschen Bundesregierung, diese Verbesserungen zum Kommissionsvorschlag in den Verhandlungen aufzunehmen und Geltung zu verleihen.
Zurückhaltung seitens der Bundesregierung
Seit Vorlage des Vorschlags zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds sind aus Deutschland jedoch kritische bis ablehnende Töne zu vernehmen. Dabei ist es vor allem die Bundesregierung, die sich sowohl unter der Führung Angela Merkels, als auch unter Olaf Scholz für eine Erweiterung des Emissionshandels auf den Gebäude- und Verkehrssektor stark macht. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass mit der Erweiterung auch ein sozialer Ausgleich stattzufinden hat. Bis heute gibt es jedoch keine offizielle Stellungnahme dazu, wie dieser Ausgleich konkret erfolgen soll.
Um dem europäischen Versprechen eines sozial-gerechten Übergangs hin zur Klimaneutralität gerecht zu werden, ist ein europäisches Instrument des sozialen Ausgleichs, dass in allen Mitgliedsstaaten sicht- und spürbar wird, von seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Die guten Impulse seitens des Europäischen Parlaments sollten daher auch von der Bundesregierung nicht unbeachtet bleiben und in den anstehenden Verhandlungen Berücksichtigung erfahren.
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