Fast genau vor einem Jahr hat die Pandemie-Lage unser aller Lebenswelten verändert. Noch heute sind die besonders sensiblen Gesellschaftsgruppen diejenigen, welche am meisten unter den Auswirkungen der Pandemie leiden. Darunter fallen auch Eltern, welche im letzten Jahr ihr Kind bekommen haben. Für diese Zielgruppe sind von einem auf den anderen Tag ein wesentlicher Teil der ursprünglichen Angebote weggefallen. Zugleich standen unsere DRK Gliederungen plötzlich vor der Herausforderung, nach Alternativen zu ihren physischen Kursangeboten zu suchen. Denn ohne diese verlieren sie langfristig den Kontakt zu ihren Zielgruppen.
Daher mussten wir nach Lösungen suchen und haben mit Eltern über ihre Situation gesprochen. So konnten wir verstehen, was unsere Zielgruppe beschäftigt, welche Herausforderungen der Lockdown mit sich bringt und wie wir sie unterstützen können. Auf Basis dieser Gespräche wurde der DRK Elterncampus entwickelt. Die zweiseitige Plattform ermöglicht es Eltern, virtuell an Live-Kursen teilzunehmen und erlaubt unseren DRK-Gliederungen, diese Kurse darauf anzubieten.
Im Sinne des Plattform-Gedankens verfolgen wir dabei einen zentralen Ansatz, d.h. wir entwickeln eine zentrale Plattform für den gesamten Verband und nicht viele lokale Lösungen. Daher fungiert der DRK Elterncampus gleichzeitig als Prototyp einer zentralen Plattform innerhalb des DRKs. So können wir im kleinen Rahmen Hypothesen überprüfen und die Chancen und Herausforderungen dieses Ansatzes für das DRK erörtern.
Die Grundidee und die Entstehung des DRK Elterncampus haben wir in folgendem Artikel im vergangenen Jahr beschrieben. Heute möchten wir die Erkenntnisse und Erfahrungen, welche wir im Projektverlauf gemacht haben, teilen.
Ein agiler Prototypen Ansatz sichert die Nutzerzentrierung und lässt Raum für Anpassungen
Von Beginn an haben wir die Plattform im Sinne eines MVP entwickelt. MVP steht für Minimum Viable Product und somit für ein Produkt mit den Mindestfunktionalitäten, um für die Zielgruppe nutzbar zu sein. Mit diesem Ansatz konnten wir schnell eine Unterstützungsmöglichkeit schaffen, um den Prototypen im Anschluss gemeinsam mit den Eltern weiterzuentwickeln. Zudem werden durch diesen Ansatz lange Entwicklungszyklen vermieden, in welchen man potenziell an Funktionalitäten arbeitet, welche für die Zielgruppe nicht den erhofften Mehrwert schaffen.
Das interdisziplinäre Projektteam besteht aus erfahrenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten DRK Gliederungen, einer Projektleitung und einer Fachreferentin im DRK-Generalsekretariat sowie den Experten und Expertinnen des technischen Dienstleisters. Während des gesamten Projektverlaufs haben wir intensiv mit Eltern und jungen Familien gesprochen, regelmäßige Nutzertests durchgeführt und Feedback eingeholt, um eine intuitive Navigation auf der Seite zu gewährleisten. Dabei nutzten wir Methoden wie Personas, fiktive Beschreibungen von Personen, welche stellvertretend für unsere Zielgruppe stehen, sowie User Journey Maps um die Prozesse, welche eine Person durchläuft, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (bspw. die Buchung eines Kurses) zu visualisieren. In Phasen von jeweils zwei Wochen, sogenannten Sprints, wurden Entwicklungsschritte definiert, umgesetzt und anschließend überprüft. So war es uns möglich, Veränderungen und neue Erkenntnisse im Verlauf des Projekts zu berücksichtigen.
Verbandsübergreifende Projektarbeit als Modell für die Zukunft
Die Zusammenarbeit mit den mitwirkenden DRK Kreisverbänden Göppingen, Hohenlohe und Mannheim ist durch einen engen Austausch gekennzeichnet. In regelmäßigen Abständen tauschen wir uns zum Stand, den nächsten Schritten und Verantwortlichkeiten aus. Gemeinsam werden technische Erweiterungen, Ideen und die Lösung von akuten Herausforderungen diskutiert und umgesetzt. Dabei hat sich gezeigt, wie relevant die unterschiedlichen Kompetenzen und Beiträge des Einzelnen zur Lösungsfindung sind. So beweist das Projekt einmal mehr, dass gerade verbandsübergreifende Formen der Zusammenarbeit einen echten Mehrwert stiften, indem Wissen und Erfahrungen jedes Mitglieds einen wertvollen Teil zum Ergebnis beitragen.
Kursangebote müssen eigens für die virtuelle Durchführung konzipiert werden
Es hat sich frühzeitig herausgestellt, dass physische Angebote nicht eins zu eins in das virtuelle Umfeld übertragen werden können. Vielmehr müssen diese an die neuen Umstände angepasst werden. In unserem Fall haben wir die Länge und Anzahl der Stunden gekürzt und den Fokus auf die Wissensvermittlung gelegt. Zudem haben wir die Inhalte der Kurse an das digitale Umfeld angepasst. Auch haben wir mit der Kursreihe „Familienstart: Baby & ich von A-Z“ ein gänzlich neues Angebot konzipiert. Dieses Angebot ist angelehnt an die ElBa® Kurse und behandelt Themen, welche Eltern im ersten Jahr mit Ihrem Baby besonders beschäftigen (u.a. Schlafen, Bewegungsentwicklung, Zahnen).
Eine enge Begleitung der Einführung sichert die Akzeptanz und gibt allen Beteiligten Sicherheit
Virtuelle Live-Kurse verlangen gänzlich neue, methodische und technische Kompetenzen von den Kursleitungen. Aus diesem Grund haben wir Handreichungen sowie Leitfäden erarbeitet und Testkurse mit allen Kursleitungen durchgeführt. Zum einen, um die technischen Rahmenbedingungen auf Kursleitungsseite zu testen, zum anderen, um mehr Sicherheit bei der Nutzung zu geben und Berührungsängste mit der digitalen Plattform zu minimieren.
Zu Beginn hatten einige Kursleitungen Vorbehalte gegenüber digitalen Kursen, welche durch eine enge Begleitung größtenteils aus dem Weg geräumt werden konnten. So haben wir bspw. eine Austauschrunde zu allen Fragen rund um die technische und methodische Durchführung von virtuellen Kursen etabliert. Durch den Austausch in der Gruppe wurde den teilnehmenden Kursleitungen bewusst, dass sie mit ihren Unsicherheiten und Fragen nicht allein sind. Doch auch wir haben dabei gelernt, dass eine grundlegende Offenheit gegenüber neuen, technischen Tools die Grundlage für die Arbeit damit ist. So können Personen, welche den Mehrwert einer Lösung abstreiten und die Nutzung verweigern, nur schwerlich überzeugt werden.
Zusammenfassend haben wir erkannt, dass es nicht ausreicht, digitale Produkte zu entwickeln. Vielmehr kommt es auf eine nachhaltige Einführung und Begleitung an, welche durch einen engen und vertrauensvollen Austausch gekennzeichnet ist. Aus unserer Erfahrung sichert diese frühzeitige Akzeptanz und schafft Selbstbewusstsein bei allen Beteiligten.
Der Austausch mit der Zielgruppe als wesentlicher Erfolgsfaktor
Zudem haben wir gelernt, dass man nie genug mit der Zielgruppe in den Dialog treten kann. Unter anderem, um unsere interne Perspektive und darauf basierende Vorschläge zu hinterfragen. So mussten wir bspw. erkennen, dass unsere föderale Struktur den Eltern nicht bekannt ist und daraus resultierende, strukturelle und technische Lösungen auf Unverständnis stoßen. Aus diesem Grund stellen wir uns bei jeder technischen Weiterentwicklung kritisch die Frage, ob die Änderung für die Eltern einen Mehrwert bietet und verständlich ist.
In den Gesprächen mit Eltern hat sich darüber hinaus herausgestellt, dass einige Anspruchsgruppen unabhängig von der Pandemie-Lage durch physische Kursangebote von der Teilnahme ausgeschlossen werden. Ob man als Elternteil nun in einer ländlichen Region lebt oder aufgrund von Auffälligkeiten bei dem eignen Kind zögerlich beim Besuch eines physischen Kurses ist – es gibt vielfältige Gründe warum Eltern virtuelle Kurse bevorzugen. Daher ist der DRK Elterncampus nicht nur eine Übergangslösung in Zeiten der Pandemie, sondern bietet enormes Potenzial für die Zukunft.
Wir suchen kontinuierlich nach Eltern, mit denen wir über die inhaltliche und technische Struktur des DRK Elterncampus sprechen können. Wenn Sie also selbst zur Zielgruppe gehören oder Personen kennen, wenden Sie sich gerne an Luise Springer (). Wir danken Ihnen im Voarus für Ihre Unterstützung!