Die Digitalisierung unserer Gesellschaft schreitet voran und ist, neben dem Klimaschutz und Globalisierung, das große Thema unserer Gesellschaft. Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen, wie das Deutsche Rote Kreuz suchen nun nach Anpassungsmöglichkeiten, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. Zusätzlich wurden während der vergangenen 12 Monate die Abläufe in der Arbeitswelt spürbar durcheinandergewirbelt und die Einführung digitaler Werkzeuge durch die Corona-Pandemie beschleunigt. Virtuelle Teams, Rekrutierung und Führung von Mitarbeitenden über Distanz, wurden selbst für die Führungskräfte zum Alltag, welche sich solche Arbeitsweisen erst in ferner Zukunft vorstellen konnten. In Folge dieser Veränderungen stehen viele Organisationen in oder vor einer tiefgreifenden digitalen Transformation. Häufig steht dabei im Vordergrund, wie Sie zukünftig Kontakt zu Kunden, bzw. Spendern halten, neue Generationen für die Mitarbeit gewinnen, und was Mitarbeitende in Zukunft brauchen, um motiviert und gut arbeiten zu können – sprich wie Sie geführt werden wollen.
Um was geht es? Digital Leadership, digital Mindset - alles New Work?
Wenn wir 50 Führungskräfte aus den Partnerorganisationen von itstime – wie z.B. dem DRK – persönlich fragen, fallen die Antworten, was sich hinsichtlich Digitalisierung ändert, durchaus unterschiedlich aus. Für die meisten Führungskräfte macht sich die Digitalisierung, mit oder ohne Corona-Krise, hauptsächlich in der Nutzung neuer Kommunikationsmedien und teilweise in der veränderten Anspruchshaltung neuer Generationen und Kunden bemerkbar.
Mit digitaler Führung (bzw. digital leadership) werden deswegen häufig Kompetenzen beschrieben, welche Führungskräfte im digitalen Zeitalter mitbringen müssen, um auf diese Anspruchshaltung zu reagieren. Das können Anwendungskompetenzen sein, wie z.B. die Nutzung neuer Medien (Microsoft Teams etc.) oder eben auch der Umgang mit Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Generationen. Dazu kommt die Fähigkeit über Distanz und in diversen Teams, erfolgreich zu führen. Ein weiterer Aspekt besteht darin, Prozesse zu ändern (digitalisieren), neue Strategien zur Zielerreichung zu finden und die kommunikativen Abläufe in der Organisation, bzw. das Organigramm, an die veränderten Bedingungen anzupassen. Zwangsläufig wird nun auch über Zusammenarbeit und Kommunikation nachgedacht, und welche Arbeitsweisen, Regeln und Kultur notwendig sind, um weiterhin erfolgreich zu arbeiten. Stichworte sind hier Netzwerkorganisation, digitale Organisation, Kundenzentrierung, New Work, agile Methoden.
Die Forderung nach dem digitalen Mindset einer Führungskraft meint zusätzlich zu den oben beschriebenen Kompetenzen zumeist eine gehörige Portion Selbstführungskompetenz. Leider greift dies deutlich zu kurz und ist aus unserer Sicht tendenziell übergriffig, da die Unterstellung mangelnder Persönlichkeitsreife zu gern ohne Berücksichtigung der beruflichen Umstände gemacht wird.
Wir empfehlen daher einen erweiterten Blick auf (digitale) Führung.
Führung wird gern mit heroischen Bildern verglichen. Stolze Kapitäne und Kapitäninnen führen, zumeist bei schwerem Seegang, ihr Schiff in den sicheren Hafen. Gerne lassen sich Führungskräfte daran messen und fragen sich, was brauche ich noch um mein Boot zu führen, andere können das schließlich auch. Und da liegt der hauptsächliche Trugschluss, bzw. eine Einladung an Sie als Leserin und Leser zu einer anderen Sichtweise. Schiffe sind Maschinen und damit steuerbar, auch wenn Sie technisch kompliziert sind. Organisationen, Abteilungen und Teams hingegen sind soziale Systeme und zeichnen sich durch eine hohe Unvorhersehbarkeit bzw. Komplexität aus. Sie sind im Gegensatz zur Maschine nicht direkt steuerbar und das genaue Verhalten bei Veränderungen, ist kaum vorhersehbar. Der beschriebene Trugschluss führt häufig zu dem Muster, dass Führungskräfte möglichst viel Wissen und Expertise anhäufen wollen, denn erst dann sind sie, gemäß eigener Empfindung, eine kompetente Führungskraft. Deswegen erfreuen sich Methodentrainings und -seminare einer hohen Beliebtheit, doch sie fördern nicht unbedingt und unmittelbar die Handlungsfähigkeit einer Führungskraft. Jede Führungskraft sollte natürlich auch inhaltlich verstehen, worüber Sie entscheidet, wichtigster Hebel ist jedoch, dass Führungskräfte verstehen, welchen Einfluss die Digitalisierung, jeweils auf die spezielle soziale Infrastruktur ihrer Organisation hat, und was sie tun können, um fortwährend gute Zusammenarbeit zur gemeinsamen Zielerreichung zu sichern. Erst dann kann eine Führungskraft, die Veränderungen der nächsten Jahre begleiten, und damit erfolgreich für die Organisation wirken.
Die Digitalisierung verändert also einerseits viele Umstände, unter denen Führungskräfte arbeiten, und wirbelt Organisationen und Geschäftsmodelle ordentlich durcheinander. Andererseits ändert sich an den grundlegenden Aspekten von Führung gar nicht so viel, da sich Führung und Führungskräfte, schon immer mit Änderungen in der Außenwelt ihrer Organisation befassen mussten.
Aus unserer Sicht sind bezüglich digitaler Führung wenige, aber wirksame Ansatzpunkte wichtig. Einige davon haben wir uns für diesen Beitrag ausgesucht.
Klarheit in der eigenen Rollen
Jede Organisation ist anders und bietet einen anderen Kontext, um auf Veränderungen, wie die Digitalisierung zu reagieren. Es ist daher grundlegend, die eigene Rolle, also das Erwartungsfeld (z.B. von Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden, Geldgebenden) an mich als Führungskraft, und mich als Person zu kennen. Sicherheit in den Erwartungen herzustellen ist eine fortwährende Aufgabe und bietet Orientierung, die Führung geben muss – digital und analog. In der Qualifizierungsreihe Digitale Führung des DRK erlebten die Teilnehmenden besonders die eigene Rollenklärung als hilfreiches und wirkungsvolles Führungsmittel. Dies hat teilweise auch sehr angenehm überrascht, da es ein ganz anderer und authentischer Ansatz ist, als die oft verwendeten Rollenbilder a la “orientiere dich an Elon Musk etc.”, bzw. wie eine Führungskraft jetzt aus Sicht von Managementberatung jetzt sein müsste.
Konfliktsensibel und erfolgreich kommunizieren
Die beschrieben Klärung von Erwartungen, die zunehmende Vermischung von Arbeitsalltag und Privatleben, sowie allgemein die Einführung neuer digitaler Arbeitsweisen, gehen selten konfliktfrei vonstatten. Eine grundlegende Konfliktsensibilität und die Fähigkeit gelingende Kommunikation wahrscheinlicher zu machen, bzw. Konflikte auch lösen zu können, sind die nächsten Kernkompetenzen digitaler Führung.
Die eigene Wandlungsfähigkeit kennen
Zu guter Letzt braucht dieser Wandel auch ein Grundverständnis für Veränderungen. Das Widerstände ihren Nutzen haben und neue Routinen ihre Zeit brauchen, wird häufig vergessen, wenn man als Führungskraft schnell durch einen Veränderungsprozess kommen möchte. Die Kompetenz für Stabilität in der Veränderung zu sorgen, ist, gerade im digitalen Zeitalter, eine zentrale Aufgabe von Führung.
Wissen über Organisationen
Wie oben bereits angedeutet, liegt der zentrale Perspektivenwechsel darin, Organisationen, Abteilungen und Teams als soziale Systeme wahrzunehmen. Soziale Systeme sind komplex und erst durch diese Komplexität schaffen sie es, den vielfältigen Ansprüchen, durch Kunden, Politik, Hilfeempfänger, Schulen etc. gerecht zu werden. Sie sind von außen kaum zu steuern und reagieren unvorhersehbar auf Änderungen. Das erhöht den Anspruch an Führung spürbar, denn es gilt auf Unvorhergesehenes reagieren zu können. Damit das besser gelingt, empfehlen wir, zusätzlich einen Blick hinter die Kulissen einer Organisation zu werfen: Organisationen habe eine offizielle bzw. formale Seite und eine informale Seite. Die informale Seite (bzw. Organisationskultur) ist immer eine Ausgleichsbewegung, zur formal geregelten Organisation. Waren es früher die Kaffee- und Rauchergruppen, so sind es heute die privaten Chat-Gruppen der Mitarbeitenden u.v.m. Ein großes Interesse von Führungskräften ist es natürlich, nicht nur formal zu führen, sondern auch Kontakt zu informalen Strukturen zu halten. Somit sichern sie die notwendige Balance, damit die Arbeit nicht von informalen Strukturen blockiert und Führung dadurch verhindert wird.
Abschluss: Führen was ist
Digitale Kommunikationswerkzeuge begleiten unseren Alltag. Abseits privater Chat-Gruppen von Mitarbeitenden wird zunehmend auch organisationsinterne Kollaborationssoftware (MS Teams, Miro etc.) genutzt. Kommunikation gewinnt somit an Gleichzeitigkeit und für Führung ergibt sich die paradoxe Situation, herkömmliche Entscheidungswege zu beachten und gleichzeitig den digitalen Arbeitsfluss nicht zu bremsen. Digitale Führung bedeutet umso mehr, Nützliches und Unnützliches zu trennen, kluge Lösungen zu finden und das zu führen, was da ist. Dabei können auch althergebrachte Methoden erfolgbringend sein. Waren also die oben beschrieben Hebel für Führungskräfte zu Rollenklarheit, Konfliktfähigkeit und Wissen über Veränderungsprozesse und Organisation schon früher wichtig, spielen sie im Kontext tiefgreifender Veränderungen, eine zunehmend wichtige Rolle. Denn neben der Tatsache, dass sie damit die eigene Handlungsfähigkeit stärken, laden sie auch dazu ein, einen entspannteren Blick auf die Digitalisierung zu werfen.
Was sind Ihre Erfahrungen? Wir laden sie gern ein sich mit uns zu diesem Thema auszutauschen.
Autoren: Andreas Feldmann und René Langheinrich haben zusammen über 20 Jahre Führungserfahrung und selbst mehrere Organisationen gegründet, aufgebaut und professionalisiert. Als Geschäftsführer von itstime begleiten sie Organisationen und Unternehmen und beraten Führungskräfte, wie sie ihre Organisation sicher durch Veränderungen führen. Kontakt: |