Im Gespräch zur Zukunft der Care-Arbeit

Das DRK in der Armuts- und Reichtumsberichterstattung – Kommentar zum Gastbeitrag von Bundesminister Hubertus Heil

Über den Gastbeitrag von Bundesminister Hubertus Heil hier im Blog der DRK-Wohlfahrt.de freue ich mich sehr! Der Bundesarbeitsminister fordert uns zur aktiven Mitwirkung am 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung auf. Und dem kommen wir natürlich gerne nach.

<link blog eintrag der-sechste-armuts-und-reichtumsbericht-der-bundesregierung _blank>> Zum Gastbeitrag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Blog der DRK-Wohlfahrt.de

Was macht man mit Armutsberichten?

Ich kenne die Armutsberichterstattung (in Arbeit ist gerade der 6. Bericht) schon eine Weile und finde, es ist Zeit, sich grundsätzlich Gedanken zu machen, wie man mit diesem Bericht und dem Prozess seiner Erstellung umgeht. Sehr stark verkürzt habe ich in den vergangenen Legislaturperioden die folgenden Varianten erlebt: A: Man schreibt die Verbandspositionen und Forderungen der letzten Jahre noch einmal zusammen.
B: Man konzentriert sich auf die Daten, Methoden und Aufbau des Berichts.
C: Man schreibt einen eigenen Armutsbericht.
D: Man konzentriert sich auf ganz bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die einem besonders am Herzen liegen und fordert für diese ein gesondertes Kapitel sowie bessere Mitspracherechte bei der Gestaltung des Berichts.

Das DRK bleibt dem Methodenstreit fern.

Jede dieser Ansätze ist legitim und generiert wichtige Rückmeldungen an das Ministerium. Als DRK haben wir uns aber wie beim letzten Mal gegen jede dieser Varianten entschieden. Wir haben beschlossen, die Methodendebatte, die häufig den Diskurs dominiert, nicht zu führen. Nur wenige Sätze dazu: Jedes Messkonzept hat seine Berechtigung und Aussagekraft, und jedes auch seine Begrenzung. Armut ist sehr individuell und immer von Lebenslauf und Haushaltskonstellation abhängig. Aber trotzdem bilden Kennzahlen wie die „Armutsrisikoquote“ Entwicklungen und Trends im Land durchaus ab – vor allem, wenn man sie über einen längeren Zeitraum betrachtet. Das ist eine gute Grundlage für unsere Mitwirkung. Die tiefergehende Debatte über die Aussagekraft von Indikatoren überlassen wir lieber Forschung und Wissenschaft.

Wir wollen über Care-Arbeit reden!

Wir wollen in der Beratung des Ministeriums sowie in der öffentlichen Diskussion gern einen Akzent setzen: Wir sind überzeugt, dass wir dringend über Care-Arbeit reden müssen. Und zwar nicht nur über Pflege und Kitas, sondern auch über die vielen anderen Felder der Care-Arbeit: z.B. die Jugendhilfe, die Beratung, die Stadtteilarbeit, die Integration in den Arbeitsmarkt. In den Blick nehmen sollten wir zudem die Angebote, für die Träger nur schwer eine Finanzierung sichern können: z.B. Suchtberatung, Obdachlosenunterstützung oder die soziale Betreuung von Flüchtlingen. In all diesen Arbeitsfeldern bekommen wir höchst besorgniserregende Alarmsignale aus dem Verband: Stellen lassen sich kaum noch besetzen, Investitionen fehlen. Das bedeutet, Angebote werden geschlossen, Qualität kann nur noch mühsam aufrechterhalten werden. Das ist hochdramatisch, zumal die Bedeutung dieser Angebote in der aktiven Armutsbekämpfung bzw. der Ermöglichung von Aufstiegsmobilität stets unterschätzt wird. Es ist zu erwarten, dass auch der kommende Bericht in erster Linie eine Diskussion um die Höhe staatlicher Transferleistungen nach sich ziehen wird. Wir setzen uns dafür ein, dass die Frage stärker in den Fokus rückt, was für eine aktive, sozialarbeiterische Unterstützung Menschen in unserem Land noch erwarten können. Uns geht es darum, den Blick über Transferleistungen hinaus auf die Kolleginnen und Kollegen auszuweiten, die jeden Tag mit Menschen arbeiten, die in Not, arm oder armutsgefährdet sind – Fachkräfte, die MIT den Betroffenen daran arbeiten, diese Situation zu überwinden und damit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ein eigenes Einkommen erzielt werden kann. Diese Kolleginnen und Kollegen leisten wirklich effektive Armutsbekämpfung. Jeden Tag. Das bringen wir gerne in den Armuts- und Reichtumsbericht ein. Und noch mehr: Gemeinsam mit dem Progressiven Zentrum haben wir zu diesem Thema mit Expertinnen und Experten einen Dialog zur „Praktischen Raumvermessung der Care-Arbeit in Deutschland“ gestartet. Angestoßen werden soll eine politische Debatte über strukturelle sowie gesellschaftliche Veränderungen im Sorgebereich:
  • Was sind die zentralen Herausforderungen der Care-Landschaft?
  • Wo findet Care statt und wie wird die Sorge für andere honoriert?
  • Was sind neue politische Konzepte und Strategien zur Aufwertung von Care-Arbeit?
Wir wollen Wege neu denken und Impulse für einen neuen gesellschaftlich organisierten Gestaltungs- und Handlungsrahmen geben. Möchten Sie sich an dieser Debatte beteiligen? Haben Sie Beispiele oder Lösungsvorschläge? Dann melden Sie sich. Wir freuen uns.