Allein Rummy spielen?

Allein, aber nicht einsam, oder doch?

„Guten Tag Frau Schmidtgen*, hier ist das Deutsche Rote Kreuz, die Hausnotrufzentrale, wie können wir Ihnen helfen?“ So oder so ähnlich klingt normalerweise die Beantwortung eines eingehenden Notrufs beim DRK Hausnotruf, sei es in München oder Kiel. Der Hausnotruf ist ein kleines Gerät, ein Sender, den die hilfebedürftige Person im besten Fall immer bei sich trägt, um ein Signal zu senden, damit im Notfall jemand zu Hilfe kommt. Was aber, wenn der Notfall kein Sturz ist, sondern ein beklemmendes Gefühl, welches sich langsam in den letzten Wochen breitgemacht hat? Wie können der DRK-Hausnotruf und Wohlfühlanrufe in Zeiten von Corona die Einsamkeit im Alter mildern?

„Wo sind die Nachbarn hin, die man wenigstens noch auf der Treppe traf? Darf ich überhaupt noch einkaufen gehen? Wenn ich rausgehe, scheint die Stadt wie ausgestorben.“ Dies sind Fragen und Eindrücke, wie sie Frau Schmidtgen mir in unserem Telefonat geschildert hat. Sie ist seit 2010 Hausnotrufkundin beim DRK und nutzt seit dem Tod ihres Mannes vor sechs Jahren auch den sogenannten Wohlfühlanruf.

Die Corona-Pandemie macht ihr Angst. Wenn sie sich nach draußen wagt, um an ihrem Rollator spazieren zu gehen, fehlt ihr der kurze Plausch auf dem Treppenflur oder einfach nur das Gefühl, unter Menschen zu sein. Bei dem sogenannten Wohlfühlanruf, den die Hausnotrufzentrale in Kassel-Wolfhagen anbietet, rufen die Mitarbeitenden zweimal täglich – morgens und abends – an und erkundigen sich, ob es den Teilnehmenden gut geht, tauschen sich über das aus, was die Menschen beschäftigt. Frau Schmidtgen ist sehr froh über dieses Angebot, vor allem in der aktuellen Situation, die sie persönlich mit den Kriegszeiten vergleicht. Sie beschreibt dabei ein erdrückendes Gefühl, Unsicherheit und ihre Gedanken um „den Feind“ – das Covid-19 Virus. Es tut ihr gut, sich darüber mit den Mitarbeitenden des DRK auszutauschen und hilft ihr auch, besser mit der Ungewissheit, wie lange dieser Ausnahmezustand anhalten wird, umzugehen.

Verringerung der sozialen Aktivitäten führt bei älteren Menschen zu Einsamkeit

Das Deutsche Zentrum für Altersfragen hat sich mit den Auswirkungen des Corona-Virus in Bezug auf die Kontaktsperre bei älteren Menschen beschäftigt.

Es sind gerade die sozialen Aktivitäten, die Menschen das Gefühl geben, das Leben selbst unter Kontrolle zu haben. Auch sind alltägliche Kontakte zu Menschen, die keine nahen Angehörige oder engen Freunde sind, enorm wichtig, um eine depressive Symptomatik im Alter zu vermeiden. 

Es scheint, als passe diese These nur zu gut zu Frau Schmidtgen. Die fast erblindete 85-jährige Seniorin erzählt von vielen Anrufen; von der Tochter, der Nichte und des Neffen und doch beschreibt sie ihr Einsamkeitsempfinden als deutlich erhöht. Ihr fehlen die Essen in der Gemeinde, die gemeinsamen Busfahrten oder Ausflüge, die Seniorennachmittage.

 „Analysen des Deutschen Zentrums für Altersfragen zeigen, dass eine Verringerung von gemeinschaftlichen Aktivitäten gerade bei älteren Menschen zu erhöhter Einsamkeit führt, während jüngere mit weniger Aktivitäten besser zurechtkommen. Gemeinschaftliche Unternehmungen mit Freunden scheinen hierbei eine besondere Rolle zuzukommen. Dabei hat die Wichtigkeit von Freundinnen und Freunden, Bekannten sowie Nachbarinnen und Nachbarn für die soziale Integration älterer Menschen in den letzten Jahrzehnten zugenommen und wird aller Voraussicht nach weiter an Bedeutung gewinnen. Soziale Aktivitäten mit Freundinnen und Freunden helfen insbesondere den Älteren und nicht so sehr den jüngeren Personen, negative Gefühle wie Trauer und Angst zu vermeiden und ihre Lebenszufriedenheit langfristig aufrechtzuerhalten.“

Der Wohlfühlanruf kann hier, wo sonst Angehörige, Freunde und andere soziale Kontakte Ängste mindern, diese wichtige Rolle einnehmen und mehr (Selbst-)Sicherheit schaffen. So schildert es auch Frau Schmidtgen:

Das gibt mir ein bisschen Sicherheit - ich fühle mich behütet, dadurch, dass da jemand ist. Da sind noch Menschen die sich [für mich] interessieren.

Digitaler Betreuungsdienst für Alle

Eine deutliche Unterstützungsleistung für alle Menschen mit mehr oder weniger Pflegebedarf – heißt im Klartext auch ohne Pflegegrad – ist der Hausnotruf bzw. Wohlfühlanruf des DRK. Es wird hier von einer digitalen Betreuungsdienstleistung gesprochen. Diese Anrufe bieten einen bedeutsamen Mehrwert, nicht nur in Zeiten von Corona, für das Hilfesystem, Angehörige und Betroffene zugleich. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft wurden bereits in einigen Bundesländern verschieden Betreuungsangebote per Videotelefonie für pflegende Angehörige und Betroffene installiert, welche auch vergütet werden. Ein solches Angebot wird von dem Deutschen Roten Kreuz und dem Bundesverband Hausnotruf e.V. begrüßt.

Der Wohlfühlanruf wird in einigen DRK- Kreisverbänden zusätzlich zum Hausnotruf angeboten, z.B. in Kassel und Düsseldorf. Für Frau Schmidtgen ist dieses Angebot vor Allem in „Corona-Zeiten“ eine vertraute Instanz, die Sicherheit gibt.

Referentin Hausnotruf DRK Generalsekretariat und Vorstand Bundesverband Hausnotruf e.V.: Annett Kaplow

*Name wurde von der Redaktion geändert.