5 Tipps für Community Building in Verbänden

Jennifer Geiser verlässt Ende August das Deutsche Rote Kreuz. Bevor sie geht, hat sie für uns noch einmal fünf Tipps zusammengetragen, die sie beim Aufbau und der Entwicklung der beiden DRK-Innovationsnetzwerke Social Innovation Community und Netzwerk Digitale Wohlfahrt gelernt hat.

1. Beteiligte Menschen ganzheitlich wahrnehmen

Eine meiner Grundeinstellungen: Menschen – aus denen Netzwerke bestehen – sind komplexe Wesen mit komplexen Bedürfnissen. Unsere Bedürfnisse laufen nicht nur auf rationaler Ebene ab, sondern wollen auch auf emotionaler, psychischer und spiritueller Ebene betrachtet werden. Vor allem in meiner Weiterbildung zum Buch „New Work needs Inner Work“ ist mir das nochmal sehr bewusst geworden. Der Titel ist nicht nur eine leere Aussage, sondern aus meiner Sicht ist es zukunftsweisend, Menschen in ihrer Gesamtheit zu betrachten und Strukturen zu schaffen, die sich an den Bedürfnissen orientieren, nicht andersherum.

2. Verbändestrukturen nicht unterschätzen

Wie wir alle wissen, arbeiten wir im DRK und in anderen Wohlfahrtsverbänden in komplizierten, seit vielen Jahrzehnten gewachsenen Strukturen. Diese Strukturen haben – wenn man sie in ihrer Entstehung betrachtet – ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung. Zum Beispiel sind starke Hierarchien in Katastrophenfällen schlichtweg notwendig, um effektiv Hilfe zu leisten. Gleichzeitig erschweren diese starren Strukturen Erneuerung, was wiederum problematisch wird bei Themen wie Fachkräftemangel oder der Gewinnung neuer Ehrenamtlicher. Beim Aufbau von Communities darf man diese Strukturen nicht unterschätzen, denn genau in diesem Gebilde spielt sich alles ab. In der Social Innovation Community sind wir deshalb lange „unter dem Radar“ gefahren – vorbei an den möglicherweise neugierigen Blicken von Gremien und Co. Doch je mehr sich im Netzwerk abspielt, desto mehr Interesse ist von allen Seiten da – und ich habe den Eindruck, dass wir mittlerweile recht sichtbar sind. Mit verschiedenen Interessenslagen wächst auch die Heterogenität der Ansprüche, die an ein Netzwerk gestellt werden. Man findet sich teilweise in Situationen wieder, in denen man auch als Koordinatorin nicht genau weiß, welche Erwartungen gerechtfertigt sind und welche nicht. Diese Ambivalenz auszuhalten und darin zu navigieren, ist aus meiner Sicht eine der Hauptaufgaben beim Community Building. Und dafür benötigt man Ausdauer.

3. Raum schaffen, um vorwärtszukommen

Ebenfalls populär in Communities: Endlich können wir uns alle mal kollektiv über die Zustände ausheulen. Ich bin immer dafür, den unterschiedlichsten Gefühlen, die da sind, Ausdruck zu verleihen – und dazu gehört selbstverständlich auch Frust. Ein dauerhaftes Verbleiben in Meckerstimmung (oder in einer Vorwurfshaltung gegenüber anderen Verbandsstrukturen) ist einfach nur zermürbend für alle Beteiligten. In Netzwerken sollte deshalb immer wieder darauf beharrt werden, zur Perspektive zurückzufinden: Wie können wir zusammen darauf hinwirken, dass sich das zum Besseren wandelt? Klar ist es wichtig, dem Problem Raum zu geben, aber genauso muss dann zu Lösungen gefunden werden. Innovationsprozesse wie Design Thinking können hier als Inspiration dienen. Und noch eine Idee: Bewusste Frusträume und Meckerrunden öffnen, um danach wieder gezielt in eine produktivere Haltung zurückzufinden.

4. Die Zügel im Hintergrund lenken

Als Netzwerkkoordinatorinnen haben wir natürlich auch die Aufgabe, die Zügel zu halten und wo nötig Richtung vorzugeben. Meiner Meinung nach ist das eine sehr intuitive Aufgabe, weil man immer wieder reinspüren muss, was das Netzwerk gerade benötigt. Meist gibt es eine frei fließende Dynamik zwischen Autonomie und Sicherheit. Das bedeutet auch, dass die Zügel manchmal locker sein dürfen und wir dem Netzwerk bei der eigenen Entwicklung zusehen können, manchmal sind aber auch wieder Leitplanken nötig, weil sonst die Richtung zu unklar wird (das haben wir vor allem auch im Netzwerk Digitale Wohlfahrt gelernt).

In der [sic] entwickelt sich gerade ganz viel, die Community wird größer und damit komplexer, als Orga-Team haben wir das Ganze schon längst nicht mehr unter Kontrolle – und das ist gut so, weil es nicht um uns geht und es einfach eine Freude ist, die Entwicklung – ähnlich wie bei einem Kind, das Laufen lernt – mitzuerleben.

5. Zusammen sind wir stärker

Gemeinsam zu wirken – das ist nicht nur die Motivation, um überhaupt Netzwerke ins Leben zu rufen (es sollte im Mittelpunkt der Identität eines Netzwerks stehen), sondern auch die im Hintergrund agierenden Menschen können viel zusammen erreichen. Ich konnte mich immer auf mein Orga-Team verlassen und darauf, dass alle an einem Strang ziehen. Wir teilen eine gemeinsame Vision für das Netzwerk und das DRK als Ganzes. Und wir bleiben mit Beharrlichkeit an unseren Überzeugungen dran.

Momentan lassen wir die Social Innovation Community und das Netzwerk Digitale Wohlfahrt professionell evaluieren – und sind schon ganz gespannt, welche spannenden Aufgaben daraus noch resultieren werden. Anfang 2024 wird es die Ergebnisse geben – bleibt also auf dem Laufenden!


Abschied und Dank

Ich verabschiede mich mit diesem Blogartikel aus dem Deutschen Roten Kreuz. Ich werde ab September neue Wege einschlagen. Es war mir eine große Freude, die Innovationsnetzwerke aufzubauen und stetig weiterzuentwickeln. Mein großer Dank gilt meiner Kollegin Anna-Lena Kose, die die letzten anderthalb Jahre gemeinsam mit mir die Koordination innehatte, sowie allen ehemaligen und derzeitigen Mitgliedern des [sic]-Orga-Teams (Lara, Julius, Sabrina, Michael, Martina, Marlon, Annabelle, René, Alex, Nadine, Hannes).

Netzwerke weiter wachsen lassen!

Und alle, die jetzt neugierig auf unsere Netzwerke geworden sind, können mehr darüber erfahren: Das Netzwerk Digitale Wohlfahrt (NDW) und die Social Innovation Community [sic]. Das NDW ist der Ort für Digitalisierungsexpertinnen und -experten aus den Landesverbänden und steht auch bei Fragen zu digitalen Themen zur Verfügung. Die [sic] ist offen für alle im DRK. Egal, ob Ehren- oder Hauptamt, Ortsverein, Kreis- oder Landesverband – alle Personen und Themenbereiche sind willkommen! Die Anmeldung erfolgt über die Webseite der [sic].