Berlaymont-Gebäude - Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel

Wie „sozial“ ist die Kommission von der Leyen?

Die Forderung nach einem „sozialeren Europa“ war ein stets präsenter Slogan vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai dieses Jahres. Ob und wie Europa sozialer wird, hängt nicht unwesentlich von den Ambitionen der Europäischen Kommission in diesem Bereich ab. Am 01. Dezember nahm die Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen ihre Arbeit auf. Die richtige Zeit, einen genaueren Blick auf die sozialpolitischen Zielsetzungen des neuen Kollegiums zu werfen.   

Positiv zu bemerken ist, dass die Bemühungen der Juncker Kommission in diesem Bereich weitergeführt werden sollen. So hat von der Leyen bereits in ihrer Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament einen Aktionsplan für die Umsetzung der Europäische Säule sozialer Rechte angekündigt und damit ein klares Bekenntnis zu den unter Juncker formulierten 20 sozialen Grundsätzen abgegeben.

Die Ankündigung eines „European Green Deal“ in den ersten 100 Tagen nach Amtsantritt zeigt zudem den Willen sich den drängenden Fragen von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit anzunehmen und der Debatte die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Der Vorschlag zum „European Green Deal“ soll nun bereits Mitte Dezember vorgelegt werden.

Was sind aber konkrete Kriterien für ein soziales und inklusives Europa der Kommission von der Leyen? Dies lässt sich vor allem an zwei Punkten ausmachen.

„Gleichheitspolitik“ als eigenständiges Portfolio

Unter von der Leyen wird es erstmals eine Generaldirektion „Gleichheitspolitik“ geben, die den Auftrag hat, „Inklusion und Gleichstellung“ zu stärken, „unabhängig von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Alter, Behinderung, sexueller Orientierung oder religiöser Überzeugung“. An der Spitze steht hier die Malteserin Helena Dalli, die sich bereits in ihrer Heimat als Ministerin nachdrücklich für Gleichberechtigung und Bürgerrechte eingesetzt und viel Zuspruch in ihrer Anhörung vorm Europäischen Parlament erfahren hat. Neben der Bekämpfung von Diskriminierung und von geschlechterbasierte Gewalt, wird auch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu ihrem Portfolio gehören. Zudem wird eine von ihr geleitete Task Force alle Vorhaben der Kommission auf die Berücksichtigung des Prinzips der Gleichberechtigung prüfen.  

Von „Arbeitsplätzen“ zu „Sozialen Rechten“

Für viel Aufregung hat vorab die Umbenennung der Generaldirektion “Beschäftigung und Soziales” in ein simples “Arbeitsplätze” gesorgt. Hier wurde nun nachgebessert und mit dem Zusatz „soziale Rechte“ ebenfalls auf die in der Europäischen Säule sozialer Rechte festgehaltenen Grundsätze verwiesen. Der Generaldirektion „Arbeitsplätze und soziale Rechte“ wird der ehemalige luxemburgische Wirtschafts- und Integrationsminister Nicolas Schmit vorstehen. Sowohl die Kommissionspräsidentin als auch Nicolas Schmit haben bereits mehrere Initiativen angekündigt, die das sozialpolitische Profil der EU erheblich stärken könnten, aber mit Sicherheit bei den EU-Mitgliedstaaten nicht unumstritten sein werden. Ein europäisches Rechtsinstrument soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Union einen Mindestlohn garantieren. Eine „Kindergarantie“ soll armutsgefährdeten Kindern den Zugang zu Gesundheitsversorgung,  Bildung und Sozialleistungen sichern. Auch die Arbeitslosenrückversicherung ist auf der Agenda der Kommission. Dieses Instrument soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei wirtschaftlichen Krisen unterstützen und neben wirtschaftlichen, auch die sozialen Auswirkungen abfedern.

Die nächsten Monate werden zeigen, wie ambitioniert die neue Kommission die formulierten Zielsetzungen verfolgt und wie gut sie mit anderen europäischen Institutionen und vor allem auch mit den EU-Mitgliedsstaaten an deren Umsetzung arbeitet.

Aus sozialpolitischer Perspektive bleibt festzuhalten, dass die ersten Absichtsbekundungen in die richtige Richtung weisen.

Und auch die deutsche Bundesregierung kann über die nächstes Jahr anstehende Präsidentschaft im Europäischen Rat zu einer schnellen Umsetzung der genannten Maßnahmen beitragen – denn der im Koalitionsvertrag versprochene „neue Aufbruch für Europa“ steht noch aus!