Die fachliche Professionalität ist ein starker Anker für die pädagogische Arbeit in der Kindertagesbetreuung. Besonders in Zeiten ständig wechselnder Regelungen und Anweisungen. Innehalten und sich auf die eigenen Fähigkeiten besinnen hilft besonders dann, wenn viele Routinen wegbrechen. Aber auch die Beziehungen zu den Kolleginnen und Kollegen im Team sowie zu Kindern und Eltern zu pflegen, spielt eine wichtige Rolle, um herausfordernden Situationen professionell zu begegnen. Dies wurde am 14. Januar 2021 auf unserer Fachtagung für Fach- und Praxisberatungen der DRK-Kindertagesbetreuung deutlich. Das Thema: „Sicher können wir das! Pädagogische Beziehungen diesseits und jenseits von Corona“.
Für den fachlichen Input sorgte ein Vortrag von Dr. Gabriele Haug-Schnabel, Mitbegründerin der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM)(https://www.verhaltensbiologie.com/). In den letzten Monaten war sie viel in Kindertageseinrichtungen vor Ort und konnte so von vielen gelungenen Praxisbeispielen berichten. Ganz zentral war dabei immer das Thema: die professionelle Beziehungsarbeit mit den Kindern, dem Team und den Eltern zu stärken. Dies sei nicht nur in Zeiten von Corona wichtig. Mit ihren Impulsen hat Frau Haug-Schnabel die Diskussionen unter den Teilnehmenden angeregt und hilfreiche Hinweise gegeben, wie Sicherheit und Halt im pädagogischen Alltag (zurück)gewonnen werden können.
Wenn die Beziehungen stimmen, ist vieles möglich
Ob in Krisenzeiten oder nicht, für die Qualität der Kindertagesbetreuung sind gute Beziehungen im pädagogischen Alltag der entscheidende Dreh- und Angelpunkt. Ein gutes und offenes Klima im Team und ein regelmäßiger Austausch können pädagogische Fachkräfte über sich hinauswachsen lassen. Eine wertschätzende Haltung der Leitung und des Trägers gegenüber den Erzieherinnen und Erziehern ist eine tragende Säule für die Motivation in den Teams. Dies gilt auch über die Pandemiebedingung hinaus. Eine offene Kommunikation von Leitungen und eine von ihnen vorgelebte positive Fehlerkultur wirkt positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der gesamten Einrichtung. Damit Leitungen ihrer starken Verantwortungsrolle gerecht werden können, benötigen sie wiederum eine gute Zusammenarbeit mit dem Träger und der Fach- und Praxisberatung.
Um Kinder in Zeiten sozialer Distanzierung bestmöglich unterstützen zu können, muss es für sie in den Einrichtungen möglichst leicht gemacht werden, Beziehungen aufzubauen. Anregende und divers vorbereitete Räume sowie die Unterstützung, selbständig Dinge auszuprobieren, unterstützen diesen Prozess. Sind tragfähige Beziehungen hergestellt, beginnen sich Kinder als sogenannte Bildungsnomaden in den Kindertageseinrichtungen zu verhalten: Sind aus Sicht des Kindes an einem Bildungsort alle zu lernenden Dinge geschafft, streift es weiter zum nächsten. Es sucht sich dann selbst die nötige Unterstützung von Fachkräften und anderen Kindern. Neben diesem Aspekt der Förderung, ist auch das emotionale Wohlbefinden des Kindes besonders zu berücksichtigen. Zurzeit ist die Stimmung überall angespannt. Kindern geht es da häufig genauso wie den Erwachsenen. Deshalb ist es wichtig, den Gedanken der Kinder, ihren Ärgernissen und Ängsten zur aktuellen Lage Raum zum Ausdruck zu bieten. Dies wirkt wie ein Ventil, sogar um die Stimmung in der gesamten Gruppe zu heben und Spannungen abzubauen. All diese Dinge müssen eingeplant werden und brauchen entsprechend mehr Raum, Zeit und Absprachen im Team.
Für viele Eltern ist die Situation zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung aktuell besonders belastend. Deshalb ist es wichtig, dass pädagogische Fachkräfte mit ihnen auf allen möglichen Wegen weiterhin in Kontakt bleiben, ganz besonders wenn die Kinder aufgrund des eingeschränkten Betriebes der Kindertageseinrichtungen von zuhause aus betreut werden. Durch Aufrechterhalten der engen Beziehung zu den Eltern, wird die Förderung der Kinder auch weiterhin sichergestellt und Familien in ihrer angespannten Lage entlastet. Wichtig dabei, mit den Perspektiven der Eltern verständnisvoll umzugehen und die professionelle Distanz - von der eigenen oft vielleicht selbst herausfordernden Situation - zu wahren. In diesem Zusammenhang sind regelmäßige kollegiale Beratungen im Team oder mit der Fach- und Praxisberatung erforderlich.
Jedes Kind hat nur eine Kindheit – aus diesem Grund arbeiten DRK-Kindertageseinrichtungen aktuell noch einmal in besonderem Maße an Lösungen, um ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag nach SGB VIII zu erfüllen. Es kann nicht darum gehen, dass die Betreuungsfunktion der Kindertageseinrichtungen in der Pandemie im alleinigen Fokus steht. In dieser komplexen Situation müssen wir mit all unserer Kraft die Einrichtungen unterstützen, sodass mit den nötigen Strukturen und Ressourcen eine hohe Qualität der pädagogischen Arbeit sichergestellt wird.
Neue Formen der Beziehungsarbeit
Manche Kinder können seit Monaten nicht regelmäßig oder überhaupt nicht in ihre Kindertageseinrichtung oder ihren Hort/offenen Ganztag gehen. Nicht alle Eltern arbeiten in systemrelevanten Berufen. Einzelne Familienmitglieder haben ein besonders hohes gesundheitliches Risiko, was den Besuch in der Kita nicht möglich macht. Egal wie der Grund heißt, für Kinder ist es schwer die vertrauten Erzieherinnen und Erzieher sowie ihre Freunde nicht wie gewohnt sehen zu können. Sie vermissen sie und verstehen die Beschränkungen des Kitabetriebs und auch das Auf und Ab der Beschränkungen nur schwer.
Auf der anderen Seite können einige Fachkräfte nicht in der Kindertageseinrichtung arbeiten, da sie selbst oder Angehörige ihrer Familien ebenso zur Risikogruppe zählen. Träger, Leitungen und Fachkräfte müssen kreativ werden, um im Kontakt zu bleiben. Sie brauchen auch Unterstützung, um erforderliche neue Formen der Beziehungsarbeit gestalten zu können. In den letzten Monaten sind schon einige gute Lösungen über digitale Tools entstanden. Jedoch wurden auch die großen strukturellen Hürden sichtbar, die Kitas überwinden müssen, um die Beziehungsarbeit situationsbedingt neu zu denken. Vielerorts fehlen die Mittel für neue technische Ausstattung, um auf digitalem Wege anregende Angebote (Videos, Lieder, Spiele, Bastelanleitungen etc.) für Kinder bereitzustellen und mit Eltern und Kindern, die nicht in die Einrichtung kommen können, gut im Kontakt zu bleiben. Fachkräfte benötigen Zeit, um Beziehungen auf alternativem Wege aufrecht zu erhalten sowie adäquate Fortbildungsimpulse. Zusätzlich müssen ausreichend technische Endgeräte vorhanden sein, die den Anforderungen für das Produzieren pädagogischer Inhalte gerecht werden und schnelles kabelloses Internet in den Einrichtungen. Hier stehen im Moment zu wenig Mittel zur Verfügung, damit Kitas den nötigen Ausbau forcieren könnten.
Als DRK setzen wir uns dafür ein, dass auch im Bereich der Kindertagesbetreuung Digitalisierung politisch gefördert wird. Wir wollen deutlich machen, dass auch Fachkräfte der Kindertagesbetreuung, die im Home-Office arbeiten auch aktiv den Kontakt zu Kindern und Familien gestalten. Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt mit Sicherheit sagen, wann die Pandemie wirklich vorüber ist und die Beschränkungen des öffentlichen Lebens aufgehoben werden können. Pädagoginnen und Pädagogen benötigen eine entsprechende Ausstattung, damit sie die Beziehungsarbeit für neue Wege anpassen können. Denn fachlich können sie Beziehungsarbeit. Die Hürde der physischen Distanz kann und muss stärker genommen werden, politisches Handeln ganz dem Bewusstsein folgen: Jedes Kind hat nur eine Kindheit. Chancengerechtigkeit auch durch Digitalisierung fördern!
Was bleibt „jenseits von Corona“?
Nach der Pandemie bleiben Erzieherinnen und Erzieher, Leitungen und Träger, die durch die Erfahrungen der letzten Monate noch unerschütterlicher mit wegbrechenden Routinen umgehen können. Sie mussten sich seit dem Frühjahr des letzten Jahres auf unzählige neue Aufgaben einlassen, die eigentlich nicht Teil ihres eigentlichen Stellenprofils sind. In bemerkenswerter Weise und mit viel zusätzlichem Engagement treten sie zum Teil als verlängerter Arm des Gesundheitsamtes auf. Sie unterstützten bei der Kontaktnachverfolgung, bei der Erarbeitung und Umsetzung neuartiger Hygienekonzepte und in einigen Bundesländern sogar bei der Entnahme von Rachenabstrichen für Schnelltests auf Virusinfektionen. Die Krisensituation stellte viele Dinge der pädagogischen Arbeit auf den Kopf. Was davon die Pädagogik mittel- oder langfristig verändert hat, wird die Forschung noch herausfinden müssen.
Was sich jedoch ganz deutlich zeigte: eine professionelle Haltung pädagogischer Fachkräfte ist davon geprägt, auch bei sich ändernden Rahmenbedingungen das Beste für die Kinder herauszuholen. Gut qualifizierte Fachkräfte und stabile Teams meisterten die neuen Herausforderungen deutlich besser. Deshalb muss langfristig stärker der Frage nachgegangen werden, wodurch in den Teams mehr Stabilität erzeugt werden kann und nicht welche Themen und Angebote noch zusätzlich in die Kitas gegeben werden. Wir müssen in das Fundament der pädagogischen Professionalität investieren - Qualität und Quantität der Fachkräfte sowie starke Leitungen sowie die Förderung von Trägerqualität.