Deutschlandfahne im Regen
trübe Aussichten

Keine Verbesserung der Integration durch Wohnsitzauflage für Geflüchtete mit Schutzstatus

Die Wohnsitzregelung für anerkannte Schutzberechtigte wurde 2016 eingeführt (zunächst auf drei Jahre befristet) und hat von Beginn an zu Diskussionen darüber geführt, ob diese eine Chance für die nachhaltige Integration oder eine unzumutbare Einschränkung der Persönlichkeitsrechte darstellt. Nun resümiert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): "Wohnsitzauflagen reduzieren die Chancen auf Arbeitsmarktintegration".

Die zunächst befristet eingeführte Wohnsitzregelung wurde im Sommer 2019 im Rahmen des sogenannten Migrationspaketes entfristet. Im Gesetzgebungsverfahren hatte das IAB bereits auf zu erwartende negative Auswirkungen hingewiesen, die sich durch längere Zeiten der Arbeitssuche, eine geringere Beschäftigungswahrscheinlichkeit und geringere Löhne zeigen könnten. Statistisch untermauern konnte das IAB die Befürchtungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wies aber darauf hin, dass für die Verteilung innerhalb der Bundesländer – ebenso wie für die bundesweite Verteilung – keine arbeitsmarktpolitischen oder für die Integration insgesamt relevanten Kriterien zugrunde gelegt würden. Etwa ein halbes Jahr, nachdem die Entfristung der Regelung in Kraft getreten ist, legt das IAB nun eine erste wissenschaftliche Auswertung vor.

Worum es bei der Wohnsitzregelung geht

Die Wohnsitzregelung wurde 2016 über das sogenannte Integrationsgesetz im Aufenthaltsgesetz festgeschrieben (§ 12a AufenthG) und darüber legitimiert, dass sie der nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland dienen soll. Seitdem sind anerkannte Schutzberechtigte verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Bundesland ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das sie zur Durchführung des Asylverfahrens oder im Rahmen des Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden sind. Dies gilt nicht, wenn ein ausreichendes Einkommen nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus können die Bundesländer Bleibeberechtigte mit einer Wohnsitzauflage dazu verpflichten, ihren Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen oder aber an einem bestimmten Ort nicht zu nehmen, letzteres insbesondere „wenn zu erwarten ist, dass der Ausländer Deutsch dort nicht als wesentliche Verkehrssprache nutzen wird“.

Ergebnisse der IAB-Analyse

Den Erkenntnissen der Analyse liegt – neben der Heranziehung weiterer wissenschaftlicher Daten – eine Befragung von rund 8.000 Geflüchteten in Deutschland zu Grunde. Auch wenn der Beobachtungszeitraum von zwei Jahren (die Befragungen fanden 2017 und 2018 statt) noch recht kurz sei, kommt das IAB bei der Bewertung zu dem Schluss, „dass die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Personen, die zum Befragungszeitpunkt einer regionalen Wohnsitzauflage unterliegen, geringer ist als von Personen, für die das nicht zutrifft.“ Darüber hinaus ist auch der Zugang zu einer eigenen Wohnung bei Geflüchteten mit Wohnsitzauflage schlechter als bei anderen. Ein verbessertes Niveau des Spracherwerbs durch die Wohnsitzauflage kann ebenfalls nicht nachgewiesen werden.

Fazit

Die gesetzlich beabsichtigte Wirkung der Wohnsitzauflage, die Integrationschancen von Geflüchteten zu verbessern, stellt sich (jedenfalls bislang) nicht ein. Das IAB konstatiert hingegen in Bezug auf den Arbeitsmarktzugang ein „Mismatch“ zwischen der regionalen Verteilung und damit verbundenen Mobilitätsbegrenzung und dem Zugang zu Beschäftigung und Wohnraum. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo die regionalen Arbeitsmarktbedingungen ohnehin schwierig sind.

Die IAB-Studie nimmt bei der Einschätzung der Integrationsaussichten die drei im Gesetz genannten Bedingungen in den Blick, die für die Entscheidung zur Wohnsitzauflage leitend sein sollen: die Versorgung mit angemessenem Wohnraum, die Möglichkeiten zum Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse sowie die Chancen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Allerdings ist Integration ein sehr viel komplexerer Prozess, der auf Seiten der Schutzberechtigten auch die Kriterien der gesundheitlichen (auch psychischen) Versorgung, des Bildungszugangs und der Beteiligungschancen am öffentlichen und kulturellen Leben beinhaltet. Integration ist zudem kein einseitiger Prozess der Assimilation an die Situation vor Ort, sondern eine langfristige Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes.

Da die Bundesländer, die eine regionale Zuweisungen auf Landesebene umsetzen, jedoch Verteilungsschlüssel zugrunde legen, die sich auf die Einwohnerverteilung, Fläche und auch nur teilweise die regionalen Arbeitsmarktzahlen beziehen, kann im Regelfall kaum von einer integrationsbezogenen Entscheidung die Rede sein. Wie die Studie zeigt, verringern sich für die Betroffenen sogar die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auch wenn nach den neuesten Zahlen fast die Hälfte der seit 2013 nach Deutschland gekommenen Geflüchteten eine Arbeit gefunden hat, die Wohnsitzauflage ist dabei wohl selten hilfreich.

Link zur IAB-Studie