Das Deutsche Rote Kreuz war vom 15. März bis 17. März 2018 zu Besuch am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam. Im Rahmen eines sogenannten „Open Courses“, einem Weiterbildungsprogramms der HPI Academy, lernten 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Grundzüge des Design Thinkings kennen. Idee des „Open Courses“ ist es, die Phasen des Design Thinking Prozesses spielerisch zu durchlaufen und die Methode direkt an einer konkreten Fragestellung durchzuexerzieren - und an dieser Stelle kommt das Rote Kreuz ins Spiel: Wir durften in den Kurs eine Fragestellung geben, die uns in unserer Arbeit beschäftigt. Deswegen lautete die Herausforderung, der die Teilnehmenden sich stellen mussten (auch Challenge genannt), folgendermaßen: Wie könnte eine Neukonzeption des Wissensmanagements von Freiwilligen aussehen? (Redesign knowledge sharing for volunteers).
Nach dem Open Course sprach ich mit Jolina Flötotto, Landesreferentin Kommunikation Flüchtlingshilfe beim DRK-Landesverband Brandenburg, mit der ich das Projekt begleitete.
Kassandra Becker: Die HPI Academy und die School of Design Thinking sind dafür bekannt, viel mit Post-Ist zu arbeiten und einen besonderen Fokus auf Arbeitsräume und Kreativitätstechniken zu legen. Wie ist die Stimmung vor Ort, wie wurde dort gearbeitet? Jolina Flötotto: Die Post-It’s kleben tatsächlich überall, sogar auf den großen Fensterfronten. Die Räume bieten den Teilnehmern etliche Pinnwände, Whiteboards, Stehtische, eine Sofa Landschaft, viel Licht und Blick ins Grüne. Auf den Whiteboards haben die Teilnehmer ihre Projekte dokumentiert, davor bildeten sich immer wieder kleine Grüppchen, die Ideen austauschen und Tipps geben. Die Stimmung ist fröhlich, ungezwungen und kollegial. Zwischendurch gibt es immer wieder Lockerungsübungen. Die Abschlusspräsentationen wurden zum Beispiel mit einer Art riesen Schnick-Schnack-Schnuck eingeläutet: Zweierpaare treffen sich im Raum und spielen gegeneinander. Wer verliert, muss den Gewinner anfeuern. Man spürt, dass Teamgeist in der D-School eine große Rolle spielt.
Kassandra Becker: Nachdem die Teilnehmenden die Challenge gestellt bekamen, haben sie in der sogenannten „Verstehensphase“ viel recherchiert, aber auch Sie und Ihren Kollegen interviewt. Wie sah das Interview aus? Jolina Flötotto: Die Interviews waren sehr offen gestaltet. Es gab keinen vorgefertigten Fragen-Antworten-Katalog. Die Teilnehmer haben sich viel mehr von den Inhalten leiten lassen, die wir im gemeinsamen Gespräch als Input miteingebracht haben. Manche Themen wurden schnell wieder fallengelassen, andere ausgiebig diskutiert. Die Gruppen haben in ihren Interviews jeweils unterschiedliche Themen in den Fokus genommen. Mal ging es um die Frage, wie wir neue Ehrenamtliche auf ihre Aufgaben vorbereiten, also Wissen weitergeben. Andere Interviews konzentrierten sich dagegen mehr auf die Herausforderungen. Eine zentrale Fragestellung war zum Beispiel, wie wertvolles Praxiswissen an das DRK gebunden werden kann, wenn wichtige Schlüsselpersonen die Organisation verlassen. Oder wie wir Ehrenamtliche, die nebenbei noch berufstätig sind, überhaupt zur Wissensdokumentation bewegen können.
Kassandra Becker: Nachdem die Teilnehmenden von ihrer Interviewreise zurückkamen, durchliefen sie die Phasen Synthese, Ideenentwicklung, Erstellung eines Prototypen sowie die Testphase. Am Ende wurden die Ergebnisse der Kleingruppen auch Ihnen präsentiert. Wie lief das ab und was waren Ihre persönlichen Highlights der Präsentationen?Jolina Flötotto: Jede Gruppe hatte für ihre Präsentation nur wenige Minuten Zeit. Die Teilnehmer haben Pappmodelle und Prototypen gebastelt. Problemstellungen und Lösungen wurden spielerisch in kleinen Sketchen präsentiert. Die Teilnehmer haben sich dabei voll und ganz in das Deutsche Rote Kreuz hineinversetzt, zum Beispiel in die Rolle eines Ehrenamtlichen, der die Organisation gerade neu kennenlernt. Oder in einen langjährigen Helfer, der lieber am Menschen arbeitet und sich nicht mit administrativen oder dokumentarischen Tätigkeiten aufhalten will. Die präsentierten Lösungen waren alle sehr praxisnah. Mit Ideen wie der ‚Story Cafeteria‘, dem ‚V-House‘ oder ‚Knowledge Café’ haben die Teilnehmer interessante Prototypen für ein Wissensmanagement präsentiert, das nah an die Motivlage der Ehrenamtlichen anknüpft. Nämlich an deren Bedürfnis nach echtem Kontakt und direktem Austausch. Dabei ging es auch immer wieder um die Frage, wie Wissen in der Organisation lebendig gehalten werden kann.
Mein Highlight der Präsentationen war das ‚Buddy-Book‘, eine Art persönlich geführtes Einsatztagebuch von ehrenamtlichen Helfern, das von Generation zu Generation an den jeweiligen Buddy, also „Lernpartner“, weitergegeben wird. Das Buch wächst mit der Zeit immer weiter an. Die Idee ist total einfach, aber auch ebenso genial. Sie transportiert den Wert einer langfristigen Bindung an die Organisation und verdeutlicht auf einen Blick, wie viele wertvolle Erfahrungen Ehrenamtliche in ihrer Tätigkeit für das DRK sammeln.
Kassandra Becker: Warum nutzt das Rote Kreuz solche Angebote wie das der HPI Academy und was versprechen Sie sich davon? Jolina Flötotto: Die HPI Academy hat mit neuartigen Kreativ- und Innovationstechniken in den letzten Jahren für viel Furore gesorgt und in vielen Branchen eine neue und lebendige Innovationskultur geprägt. Das Thema Innovation spielt auch im DRK-Landesverband Brandenburg eine große Rolle. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Lösungen und Ansätzen, die gesellschaftlichen Problemen, Herausforderungen und Bedarfen sinnvoll begegnen und soziale Innovationen möglich machen. Die Teilnehmer der D-School sind engagiert, oft hochqualifiziert und sie kommen aus vielen unterschiedlichen Bereichen zusammen. Die Kooperation bietet uns also die Möglichkeit, einen professionellen, interdisziplinären und damit sehr wertvollen Blick von außen einzuholen. Die meisten Ideen aus den Präsentationen sind für uns nicht eins zu eins umsetzbar. Der Austausch mit der HPI Academy liefert aber spannende, unkonventionelle Lösungen, die uns in der eigenen Ideenfindung inspirieren.