Viele sprechen bereits von der größten Fluchtbewegung seit dem zweiten Weltkrieg: über 5,2 Millionen Menschen haben gemäß UNHCR die Ukraine seit dem 24.02.2022 verlassen und über 7,7 Millionen Menschen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht (IOM). Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF meldete kürzlich, dass bereits zwei Drittel aller ukrainischen Kinder ihr Zuhause verloren haben und sich innerhalb oder außerhalb der Ukraine auf der Flucht befinden.
Überwältigende Hilfsbereitschaft
Die Menschen in Deutschland sind bewegt und betroffen von diesen Entwicklungen – und wollen helfen. Wir erleben eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, überall im Land packen Menschen mit an und bieten den flüchtenden Menschen ihre Unterstützung an. Schätzungen zufolge sind zwei Drittel der Geflüchteten aus der Ukraine momentan in Privatunterkünften untergebracht. Auch wir im DRK erhalten nach wie vor unzählige Nachrichten und Anrufe von Menschen, die ihre Unterstützung anbieten, selbst aktiv werden oder Wohnraum zur Verfügung stellen möchten. Auch die Spendenbereitschaft ist enorm: allein innerhalb von 20 Tagen gingen 50 Millionen Euro ein – ein derartiges Spendenaufkommen in so kurzer Zeit haben wir noch nie erlebt!
Rasche Maßnahmen der Politik
Auch auf politischer Ebene ist in den vergangenen Wochen viel umgesetzt und angestoßen worden: nur wenige Tage nach Beginn des Krieges beschlossen die EU-Mitgliedsstaaten erstmals auf die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“ (RL 2001/55/EG) zurückzugreifen. Deren Umsetzung erfolgt in Deutschland durch den § 24 AufenthG. Auch Drittstaatsangehörige, die aus der Ukraine geflohen sind, können unter engen Voraussetzungen diesen Schutzstatus erhalten. Wie dies umgesetzt werden wird, bleibt noch abzuwarten. Um den Geflüchteten ausreichend Zeit für die Beantragung eines Aufenthaltstitels zu geben, wurde die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UkraineAufenthÜV) erlassen, erst letzte Woche wurde sie bis zum 31. August 2022 verlängert. Darüber hinaus wurde auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz am 7. April 2022 u.a. beschlossen, dass hilfsbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine ab dem 1. Juni 2022 statt Leistungen nach dem AsylbLG solche gemäß dem SGB II bzw. dem SGB XII erhalten sollen.
Ungleichbehandlung von Geflüchteten
Doch wie wirken sich diese Maßnahmen und Entwicklungen in der Praxis aus? Unsere Kolleginnen und Kollegen aus den Landes- und Kreisverbänden berichten von Situationen, in denen im Ergebnis Geflüchtete anderer Herkunft schlechter gestellt sind als Geflüchtete aus der Ukraine. Als Beispiel hier die Kommune, die ukrainischen Geflüchteten eine kostenlose Nutzung des ÖPNV ermöglicht. Während letztere nun kostenlos den Bus nehmen können, um von ihrer abgelegenen Unterkunft in die nächste Stadt zu fahren, benötigen alle anderen Bewohner:innen hierfür weiterhin ein teures Monatsticket. Teilweise geschehen die Unterstützung und Aufnahme der Schutzsuchenden aus der Ukraine sogar unmittelbar auf Kosten anderer Geflüchteter, etwa wenn diese in kürzester Zeit ihre Wohneinheiten freigeben und in eine neue Unterkunft ziehen müssen, um „Platz zu schaffen“ für die Neuankömmlinge. Nicht zuletzt aufgrund solcher Berichte sind in den vergangenen Wochen in der politischen und öffentlichen Diskussion immer mehr Stimmen lauter geworden, die die Ungleichbehandlung geflüchteter Menschen auf politischer, juristischer und praktischer Ebene kritisieren.
Dabei kann nur gelten: Hilfe einzig nach dem Maß der Not
Wir im DRK sehen uns verpflichtet, hier Stellung zu beziehen. Denn egal, ob wir im In- oder Ausland tätig sind, wir handeln dabei entsprechend der sieben Grundsätze des Roten Kreuzes und Roten Halbmondes: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. Für die Arbeit im Themenfeld Flucht und Migration bedeutet dies, dass wir nicht unterscheiden, woher oder warum jemand nach Deutschland geflohen ist. Wir bieten allen Schutzsuchenden unsere Hilfe und Unterstützung an.
Diesen Maßstab legen wir auch an staatliches Handeln an und setzen uns deswegen dafür ein, dass die nun eingeführten begünstigenden rechtlichen und praktischen Regelungen auf alle Schutzsuchenden übertragen werden. Und auch die Zivilgesellschaft möchten wir auffordern, Geflüchtete aus anderen Ländern und Regionen nicht aus dem Blick zu verlieren. Gleiches gilt für Konflikte und Krisen, die andernorts seit Jahren bestehen und an die wir uns vermeintlich „gewöhnt“ haben. Lassen Sie uns gemeinsam nach dem Grundsatz der Menschlichkeit und nach dem Maß der Not helfen.
Zur kompletten Stellungnahme geht es hier.