Vor genau einem Jahr sind wir mit unserem Lernprojekt Care 4.0 gestartet – in realen Tagungsräumen in einem Berliner Hotel, inklusive direktem persönlichen Kontakt. Hände geben, Umarmungen, Begegnungen inklusive Berührungen. Gemeinsame Mahlzeiten. Ach, ich komme vom Thema ab. Oder nicht? Nein, unsere Sinne lassen uns spüren, dass uns der direkte Kontakt zu anderen Menschen wichtig ist. Dieses Wissen und unsere Erfahrungen mit der Umstellung unseres Projektes Care 4.0 auf ausschließlich digitale Formate lässt uns die Ambivalenz dessen, was wir allgemein Digitalisierung nennen, spüren.
Denn wir haben 2020 durch die Corona bedingten Kontaktbeschränkungen auch erlebt, dass digitale Techniken uns helfen, in Kontakt zu bleiben und Kontakte zu knüpfen.
Die Ambivalenz des Themas Digitalisierung in der Pflege wurde den Care 4.0-Teilnehmenden auch anhand verschiedener im DRK angewandter digitaler Tools deutlich, die gerade in der Corona-Krise dabei halfen, dass Menschen miteinander in Kontakt bleiben konnten. Online-Besuchsplanung in Altenpflegeheimen, Videochats von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern mit Kindern, Enkeln, Nichten, Neffen, Freunden und natürlich die virtuelle Fortsetzung der Reihe Care 4.0 selbst. Gleichzeitig wurde dabei schmerzlich deutlich, dass diese digitalen Tools die menschliche Begegnung und Berührung nicht ersetzen können.
Die besondere Lernsituation, in der wir uns mit Care 4.0 befanden, hat dafür gesorgt, dass wir das Thema Digitalisierung nicht nur abstrakt betrachtet haben, sondern konkret. Und dies intensiver und schneller als geplant, befürchtet oder erhofft. So fanden wir uns bei Care 4.0, um einmal ein Bild aus der Wissenschaft zu bemühen, in einem sehr speziellen Versuchsaufbau wieder, nämlich in Funktion der Versuchsaufbauenden, der Beobachtenden und Betrachteten. Wir waren gleichzeitig Gestaltende und Gestaltete. Eine gute Ausgangslage um die Wechselwirkungen und Verschränkungen von (digitalen) Innovationen selbst in einer Lernsituation gleichzeitig theoretisch und praktisch erleben zu können.
Alle im Rahmen von Care 4.0 gewonnenen Erkenntnisse finden Sie hier zusammengefasst -nicht als klassischen Projektbericht, sondernals Leitfaden.Er soll der Leserin und dem Leser zur gründlichen und auch persönlichen Vorbereitung, Planung und Implementierung von Digitalisierungsprojekten in der Pflege dienen. Zweck dieses Leitfadens ist es, die im Projekt Care 4.0 gemachten Erfahrungen und übertragbaren Ergebnisse für die mit der Digitalisierung in der Pflege befassten Mitarbeitenden und Führungskräften verdichtet, verständlich und verwertbar nutzbar zu machen. Die Lektüre dieses Leitfadens ist darauf ausgerichtet, die Leserin und den Leser umfassend, gründlich und praxisbezogen mit den besonderen Umständen und Anforderungen der Digitalisierung in der Pflege vertraut zu machen. Es werden keine pauschalen Handlungsansätze angeboten, sondern betont, dass es auf die eigenständige Entwicklung passgenauer und bedarfsgerechter Maßnahmen ankommt. Denn uns wird die Frage begleiten bzw. sich immer wieder entsprechend der wachsenden Möglichkeiten der Digitalisierung neu stellen: Was bedeutet Digitalisierung für uns und wie wollen wir ihre Möglichkeiten in der Pflege nutzen?
Auch nicht durch die noch kommenden digitalen Techniken werden sich pflegebedürftige und pflegende Menschen als Avatare oder Hologramme in einer digitalen Matrix begegnen. Pflege ist ein sinnliches Geschehen, dass sich in keine X-Box oder Playstation verlegen lässt. Denn selbst wenn alle Pflegenden und Gepflegten gegenüber Digitalisierung aufgeschlossen sind und kompetent darin, die modernsten Geräte, Hilfsmittel, Anwendungen, Systeme und Endgeräte zu beherrschen, bleibt das Pflegegeschehen doch ein zutiefst zwischenmenschliches, mitmenschliches, menschliches – im DRK.