"Wenn der Berg nicht zum Propheten kommen will, muss der Prophet zum Berg gehen“ – da ist eine ganze Menge Wahres dran, wenn wir den Prozess der Digitalisierung im Alltag betrachten. Auf der Bergspitze sitzt ein Schreckgespenst namens Digitalisierung und weit entfernt sind Menschen mit Bedürfnissen, Anforderungen und Wünschen. Und beides kommt nicht so recht zusammen. Beide Seiten denken noch nicht mal daran, dass sie, wenn sie zusammen kommen würden, einen Vorteil hätten. Gar ein konkretes Problem gelöst würde.
Meine Welt in 360°
Das war die Idee von "Meine Welt in 360°" – wenn Menschen aufgrund von Behinderung, Einschränkung, Krankheit oder aus welchem Grund auch immer die Welt nicht (mehr) erfahren können, dann kommt die Welt zu ihnen.
"Meine Welt in 360°" ist in 2018 als Initiative von DayCare Technology in Kooperation mit dem DRK Kreisverband Herford-Stadt e.V. gestartet und hier mittlerweile ein „reguläres“ Projekt. Das Projekt unterstützt und fördert das Erzählen von virtuellen Geschichten und die Gestaltung von Rundgängen/Touren, die in 3D und 360° angeschaut werden können. Mit dem Projekt "Meine Welt in 360°" werden die Teilnahme und die Erstellung virtueller Inhalte vereinfacht. So können sich in Zukunft noch mehr Menschen beteiligen und ihre Geschichten und virtuellen Inhalte mit der Welt teilen.
Mit der Annäherung von Berg und Prophet – in dem Fall den Menschen und den digitalen Tools – hat sich die nächste Idee entwickelt: Aktivierung von älteren Menschen durch Digitalisierung – das geht?
Dann muss es doch für junge Menschen, die mit den Tools vertraut sind, erst recht gehen.
Jetzt ist der Berg die Ausbildungsdauer zum Rettungssanitäter und der Prophet sind Jugendliche, die ihre Zeit viel lieber anders verbringen – nicht auf der Schulbank. Aber vielleicht in virtuellen Welten. Eine besondere Form des Fachkräftemangels, die uns unmittelbar und überall treffen wird.
Ausbildung mit VR
Die Geburtsstunde von Ausbildung mit VR – das Projekt verfolgt das Ziel, die Qualifizierung von Rettungssanitäterinnen und -sanitätern beim DRK mit dem Einsatz von virtueller Realität (VR) zukunftsorientiert, ortsungebunden, realitätsnah und zugleich fachspezifischer zu gestalten. Dabei unterstützt das Projekt bei der Einführung von praxisnahem lebenslangem Lernen sowie der Stärkung des Haupt- und Ehrenamts.
DRK-Praxistag in Münster
Und jetzt ein Praxistag? Das ist doch alles schon ganz praktisch, oder?
Ja, auf jeden Fall. Aber Projektbeteiligte sind oft Leuchttürme in ihren Strukturen, Randerscheinungen mit nicht ganz so viel Publicity im Tagesgeschäft. Damit Projekte in den Alltag ehrenamtlicher Strukturen übergehen, braucht es aber eine Beteiligung in der Fläche. Genau dafür war der DRK-Praxistag im Juli als Kick-Off für die Ausweitung des Projekts innerhalb der DRK-Strukturen gedacht – die Fortsetzung ist bereits im Gange. Maria Sundrum und Ralf Hoffmann vom DRK und Thomas Pilz von DayCare Technology haben da ein gemeinsames Ziel: Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit und Verständnis für neue Ideen zu schaffen und die Menschen für das Ehrenamt zu begeistern. Mehrwert schaffen!
Erste Aktion aufgrund des Praxistages in Münster: Aus Herford ist Melanie Reuter in diesem Sommer mit einer 360° Kamera im Urlaub unterwegs und fotografiert virtuelle Bildergeschichten. Herr Vogelsang, 91 Jahre alt und ursprünglich aus Emden, kann aus gesundheitlichen Gründen seine alte Heimat nicht mehr besuchen. Melanie bringt die alte Heimat in 360°-Fotos mit nach Herford. Win-Win – Melanie lernt neue Technologien kennen, Herr Vogelsang sieht seine Heimat mit neuen (digitalen) Augen. Die Emotionen auf beiden Seiten sind mehr als real! Trotz oder gerade wegen des virtuellen Brückenbauers – der 360°-Kamera. Man muss die Technik nicht im Detail verstehen. Wir müssen vielmehr erlebbar machen, welchen Nutzen und Mehrwert sie uns bringt. Das ist mehr als genug.
Mein Name ist Melanie Reuter, ich bin die Quartiersentwicklerin für das Quartier Ottelau in Herford. Angebunden bin ich mit meiner Arbeit an das DRK Mehrgenerstionenhaus „Alte Schule Ottelau“.
Im Rahmen des Workshops „Teilhabe und Aktivierung mithilfe digitaler Möglichkeiten“, habe ich den Umgang mit einer 360°-Kamera erlernt. Ein engagierter Bewohner des Mehrgenerationenhauses (91) kommt gebürtig aus Emden und sein größter Wunsch ist es, noch einmal in seine Heimatstadt zu fahren und diese zu erleben. Da ihm dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, ihm dies zu ermöglichen. So kam die Idee, das erlernte Wissen zur Erstellung von virtuellen Geschichten in der Realität auszuprobieren. Entstanden ist dadurch eine virtuelle Geschichte in Emden über Emden, die es dem engagierten Bewohner des Mehrgenerationenhauses ermöglichte, digital in der virtuellen Welt seine Heimatstadt zu erleben. Die Geschichte und die Möglichkeit der virtuellen Geschichte und das Erleben und die Teilhabe kam nicht nur bei dem Bewohner des Mehrgenerationenhauses positiv an, sondern ich bekam auch viele positive Rückmeldungen von Besucherinnen und Besuchern unseres Stadtteil- und Begegnungszentrums. Dieses bestärkte mich in der Idee und dem Wunsch, solche 360°-Projekte weiter in meiner Arbeit vor Ort voranzutreiben und die Technik als verbindendes Element in der Quartiersentwicklung und der Arbeit mit den Menschen verstärkt einzubinden.
Ganz nach dem Motto von "Meine Welt in 360°": Jeder Ort, jeder Mensch, jedes Unternehmen hat eine Geschichte zu erzählen und jeder Mensch kann eine Geschichte für andere Menschen produzieren.
Digitale Projekte greifen ineinander, Lebenswelten wachsen durch virtuelle Vernetzung auch real zusammen. Alt und jung, digital und analog. Aus vermeintlichen Gegensätzen werden Projekte. Berg und Prophet. Wer zu wem kommt? Eigentlich egal. Hauptsache zusammen!
Interessiert? Dann gerne teilen, nachfragen, weiter erzählen, einladen. Wir teilen unsere Idee gerne. Für und mit Menschen. Praktisch im DRK. “Wenn Du es denken kannst, dann kannst Du es auch bauen!”
Autor: Thomas Pilz