Buch Digitalisierung und Teilhabe auf Schreibtisch
Buch Digitalisierung und Teilhabe

Digitale Kommunikation ist normal – auch mit sozialen Einrichtungen?

Mehr Teilhabe gilt als ein großes Versprechen der Digitalisierung. Welche Aufgaben fallen den Wohlfahrtsverbänden und ihren Einrichtungen zu, um dieses Versprechen einzulösen? Ein – erster – Blick in den gerade erschienenen Band: Sabine Skutta / Joss Steinke et al. [Hrsg.] „Digitalisierung und Teilhabe. Mitmachen, mitdenken, mitgestalten!“

Das DRK ist mit Recht stolz darauf, in (fast) allen Kommunen vor Ort zu sein. Die von Verbänden getragene Wohlfahrtspflege in Deutschland weist mit Recht darauf hin, die tragende Säule des demokratischen Sozialstaats zu sein: Wer Unterstützung braucht, kann sich darauf verlassen, dass in nicht allzu großer Entfernung Hilfsangebote der Wohlfahrtspflege zu finden sind. Wer Unterstützung geben möchte, findet ebenfalls eine Vielzahl von Möglichkeiten dazu.

Mit der Verbreitung von Internet und Smartphones ist vor allem die Kommunikation der Menschen untereinander geprägt worden. Schnell übertragene, geschriebene oder aufgenommene Mitteilungen sind längst neben den persönlichen Kontakt getreten. Text- und Sprachnachrichten, Bilder und Videos sind in Sekunden bei einzelnen Personen oder gleichzeitig bei vielen. Videotelefonate oder -konferenzen mit Smartphone zu führen, ist inzwischen ein Leichtes.

Kurz gefasst: Die Zugangswege, über die Personen zu einer Einrichtung, zu einem Hilfsangebot oder zum Mitwirken Kontakt aufnehmen können, haben sich erweitert. Für alle Leistungen und Angebote der Wohlfahrtspflege stellt sich damit die Frage, wie auch hier die digitalen Zugänge zum neuen Standard werden können. Im von Joss Steinke und mir herausgegebenen Band „Digitalisierung und Teilhabe. Mitmachen, mitdenken, mitgestalten!“ setzen sich mehrere Beiträge mit dieser Thematik auseinander.

Soziale Angebote für die digitale Elterngeneration

Rose Volz-Schmidt schreibt unter dem provokanten Titel „Warum die Partizipationsverweigerung des sozialen Sektors an Digitalisierungsprozessen zur Partizipationsverweigerung der digitalen Elterngeneration an sozialen Angeboten führen wird“ über die Bedenken und hinderlichen Haltungen zur Digitalisierung, die es im Feld der Beratungsangebote für Familien nach wie vor gibt. Ihr Resümee:

„Wir müssen uns aktiv an der digitalen Transformation beteiligen, wenn unsere Kompetenzen, unsere Erfahrung und unser Wissen weiterhin unser Klientel erreichen sollen.“

Online-Beratungs- und Informationsangebote für Familien wurden schon in den frühen 2000er Jahren eingerichtet, beispielsweise bei der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Konzept, Technik und Erfahrungen stehen seit langem bereit. Die flächendeckende Umsetzung und Übernahme als Standard fehlt jedoch. Dies weist auf die strukturellen Hindernisse für eine flächendeckende digitale Transformation sozialer Arbeit hin:

  • Mangel an Kompetenzbildung zu digital gestalteter sozialer Arbeit von Beginn der Berufsbildung an,
  • fehlende zeitliche und finanzielle Ressourcen in den Einrichtungen,
  • die kommunale Finanzierung dieser Angebote, die eine die kommunalen Grenzen überschreitende (weltweite) Inanspruchnahme nicht vorsieht (Fallfinanzierung nur für Einwohner der zahlenden Kommune),  
  • kurzfristige Projektfinanzierung ohne dauerhafte Perspektive. 

Deshalb fordert das DRK mehr Förderung der Digitalisierung im Sozialen. Und zwar langfristig und in den Strukturen wirksam.

Online geht nur mit Vertrauen!

Anne-Marie Kortas analysiert in ihrem Beitrag „Digitales Verhalten von Zugewanderten: Kommunikation, Information und Partizipation“, ob Digitalisierung die Partizipation von Zugewanderten in Deutschland stärkt. Sie beschreibt sehr konkret, welche Bedarfe Zugewanderte an digitale Angebote haben und gibt praxisnahe Hinweise, wie Angebote partizipativ und bedarfsorientiert gestaltet werden können.

Das von Nadja Saborowski mit Gabriele Groß geführte Interview im Band reflektiert die Erfahrungen mit der Online-Beratung mit Zugewanderten („mbeon“). Nicht nur können zugewanderte Menschen damit jederzeit auf das Wissen der Beratenden zugreifen und aktuelle Informationen zu für sie bedeutsamen Themen finden. Den Beratenden selbst steht auch ein Kollaborationstool zum Abruf von fachlichen Materialen und zur gegenseitigen Unterstützung zur Verfügung.

Beide Beiträge machen deutlich: Daten von Ratsuchenden müssen vertraulich und sicher sein.

Digitalisierung stärkt Teilhabe im Alter

Christine Weiß und Julian Stubbe betrachten im Beitrag „Chancen der Digitalisierung für mehr Teilhabe und Partizipation im Alter“ die Wünsche älterer Menschen im Lichte digitaler Möglichkeiten und zeigen anhand konkreter Pilotprojekte deren Verwirklichung auf. Hier und im Beitrag von Christian Hener und Karolina Molter „Möglichkeiten und Grenzen von technischen Assistenzsystemen in der häuslichen Pflege am Beispiel einer älteren hilfe- und pflegebedürftigen Person“ findet sich eine Fülle von Beispielen und Anregungen zum Weiterverfolgen.

Digitale Angebote und Sozialraum ergänzen sich

Eine Erkenntnis, die sich durch alle hier angesprochenen Beiträge zieht: Adressaten sozialer Arbeit bewegen sich in gemischten –„hybriden“ – Sozialräumen, die durch persönlichen Kontakt und gleichzeitig durch digitale Vernetzung geprägt sind.

Dazu, wie Wohlfahrtspflege in diesen hybriden Sozialräumen agieren und soziale Netze stärken kann, werden wir kommende Woche im Workshop „Stärkung (digitaler) sozialer Netzwerke. Aufgaben der Wohlfahrtsverbände“ beim DRK-Wohlfahrtskongress Wandel. Weitsicht. Wohlfahrt diskutieren. Autorinnen und Autoren unseres Buchs und Experten aus dem DRK werden dabei sein. Wir werden im Blog der DRK-Wohlfahrt berichten.

Buch Digitalisierung und Teilhabe auf Schreibtisch
Buch Digitalisierung und Teilhabe
Doppelseite
Auszug Inhaltsverzeichnis von Digitalisierung und Teilhabe