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Flucht und Migration ist ein weltweites Phänomen, welches die nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegungen verbindet.

Die Strafbarkeit von Flüchtlingshelferinnen und -helfern

In den letzten Wochen und Monaten verfolgen wir eine Debatte, die uns als DRK aufhorchen lässt. Mitarbeitenden und ehrenamtlich Engagierten von Verbänden, Hilfsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen droht eine Strafbarkeit, wenn sie bestimmte Informationen an Ratsuchende, Mentees oder Bewohnerinnen und Bewohner in Flüchtlingsunterkünften weitergeben. Demgegenüber steht die Position der Justizministerin Barley, die es auf den Punkt brachte: „Menschen, die Geflüchtete unterstützen, sind keine Kriminelle.“

Worum geht es? Am 11.04.2019 verschickte das BMI den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (Geordnete-Rückkehr-Gesetz) und gab den Verbänden Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Gesetzentwurf entfachte schon in zwei früheren Versionen vom Februar 2019 vielfältige Kritik. Der nun vorgelegte Entwurf zeigt jedoch, dass nur wenige der Kritikpunkte aufgegriffen worden sind. Insbesondere die umstrittene Strafbarkeit von Menschen, die in der Migrations- und Flüchtlingsarbeit tätig sind, ist weiterhin vorhanden – abgeschwächt aber dennoch vorgesehen.

Forderung nach einem klaren Signal der Unterstützung der Migrations- und Flüchtlingsarbeit

In seiner Stellungnahme fokussierte sich das DRK genau auf diesen Punkt, der aus unserer Sicht grundlegend das Verständnis der eigenen Arbeit in Frage stellt. In Abstimmung mit unseren Landesverbänden - besonders danken wir dem Bayrischen Roten Kreuz, dem Badischen Roten Kreuz, dem Berliner Roten Kreuz, den DRK-Landesverbänden Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe - haben wir dem BMI die Konsequenzen einer solchen Regelung aus Sicht unserer Praxis vor Ort deutlich aufgezeigt. Auch im Sinne unserer gemeinsamen Integrationsbemühungen mit Bund und Ländern ist es wichtig, die Strafbarkeit für Nichtamtsträger auszuschließen und hier ein klares Signal zu setzen. Nach dem Entwurfstext soll es möglich sein, dass Personen, die über Abschiebungen oder vorbereitende Maßnahmen für Abschiebungen informieren, der Anstiftung oder Beihilfe zum Geheimnisverrat strafbar sein können. Die Einstufung insbesondere des Abschiebungstermins als Geheimnis sei notwendig, da Abschiebungen häufig aufgrund der „Undurchführbarkeit des Aufgreifens der abzuschiebenden Person am bekannten Aufenthaltsort“ scheiterten, ist in der Gesetzesbegründung zu lesen. Interessanterweise bestätigte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Februar 2019 diese Annahme nicht, sondern antwortete, dass ihr hierzu keine Erkenntnisse vorliegen. Kurz zuvor im November 2018 schlüsselte die Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache 19/5818 die Gründe von gescheiterten Abschiebungen nach unterschiedlichen Indikatoren auf. Die Kategorie Flucht und Fluchtversuche rangierte über die Jahre 2013-2018 zwischen 5%-7%. Aber um die Faktengrundlage geht es gar nicht im Kern. Selbst wenn man der Gesetzesintention folgt, ist es nicht verhältnismäßig, alle am Verfahren Beteiligten einer möglichen Strafbarkeit auszusetzen. Wir beobachten mit Sorge, wie unsere Mitarbeitenden und ehrenamtlichen Engagierten verunsichert werden. Das geschieht bereits durch die laufende Debatte. Alle fragen sich, ob sie unter diesen Umständen wirklich weiter in dem Job bleiben, sich in ihrer Freizeit weithin für Geflüchtete einsetzen können. Neben den realen Fragen: „Was darf ich?“, „Wann muss ich mit einer Strafverfolgung rechnen?“, ist es vor allem das Signal an die Menschen in unserem Verband und darüber hinaus, das uns besorgt. Wir stehen vor der Herausforderung, unsere Arbeit unter solch einem Druck aufrechterhalten zu können, und dringend gesuchte Verstärkung im Ehrenamt und neue Mitarbeitende zu gewinnen.

Mehr sachliche Debatte, weniger Hektik

Wir können viele Beispiele nennen, die zeigen, dass uns als Verband und als Haus an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der Bundesregierung gerade auch in Fragen der Migrationspolitik gelegen ist. Das gilt für gemeinsame Vorhaben, für die Umsetzung zentraler Projekte und konkrete Lösungsvorschläge im Einzelnen. Zu einer fairen Zusammenarbeit auf Augenhöhe gehört natürlich auch eine gute Politikberatung und eine klare Folgenabschätzung, die wir als DRK immer auf die Erfahrungen vor Ort stützen. Wir wünschen uns hier eine Entschleunigung in der Auseinandersetzung, denn es geht schließlich um die Schicksale von besonders schutzbedürftigen Menschen. Die Vielzahl der Gesetzgebungsprozesse und die Hektik, mit der die Verfahren aufgesetzt werden, erscheinen uns wenig angemessen. Allein seit Anfang 2019 zählen wir vier Gesetzentwürfe, bei denen wir kaum die Chance hatten, unsere Praktikerinnen und Praktiker vor Ort gut einzubinden:
  • Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes (Rückmeldefrist: 3 Tage)
  • Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Rückmeldefrist: 3 Tage) 
  • Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Rückmeldefrist: 5 Tage inklusive eines Wochenendes)
  • Entwurf eines Zweiten Gesetzes zu besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (Rückmeldefrist: 4 Tage inklusive eines Wochenendes)
Als DRK stehen wir für eine sachliche inhaltliche Debatte und tragfähige Lösungen. Das sagen wir natürlich auch in Richtung all derer, die Migration und Flucht nicht als weltweites Phänomen erkennen und die Bundesregierung unter Druck setzen wollen. In einer vielbeachteten Rede vor dem UN Sicherheitsrat am 9. April 2019 warnte Filippo Grandi, Hoher Flüchtlingskommissar der UN:
“I have never seen such toxicity, such poison in the language of politics, in media, in social media, even in everyday discussions and conservations around the issue. […] Toxicity that focuses sadly, tragically, often on refugees, on migrants on foreigners. That should be of concern to us all.”
Diese Sorge teilen wir.