Tragen die klassischen Organigramme noch?
Organigramme sind ein bewährtes Mittel, schnell den Überblick über die Struktur einer Organisation zu geben. Sie folgen meist einer - scheinbar - seit langem bewährten Tradition: Oben im Kästchen steht die Leitung und in den Kästchen darunter die ihr untergebenen Mitarbeitenden: Verantwortungshierarchie und Befehlskette erscheinen klar. Und genau das ist gleichzeitig ein Problem in Zeiten des Versuchs unseres Bereichs "Jugend und Wohlfahrtspflege" im DRK Generalsekretariat, eine Organisationskultur zu mehr Offenheit, Vernetzung, Zusammenarbeit, Eigeninitiave zu entwickeln. Die traditionellen Organigramme zementieren jedoch das alte Bild von hierarchischer Führung - nach außen hin und nach innen in unserer eigenen Vorstellung. Es braucht also neue, passende Bilder.
In einem bemerkenswerten Vortrag beim 6. Internationaler INAS-Fachkongress 2018: „Führen in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft: Neue Organisations- und Denkmodelle“ am 28. Februar bis 2. März 2018 an der Evangelischen Hochschule Dresden wies Professor Jürgen Weibler von der Fenuni Hagen auf ein paar immer noch aktuelle Mythen von Führung hin: Führungspersonen werden gern als Helden, männlich, mit besonderen Kräften begabt dargestellt. Dazu passen natürlich die klassischen Organigramme einer Truppe, die diesen heldenhaften Anführern untergeordnet ist. Ob diese die Wirklichkeit spiegeln, sei jedoch dahingestellt. Dementsprechend fand der Hinweis von Jürgen Weibler auf die Darstellung des "real organizational chart" von Peter Pan viel Resonanz bei den Zuhörenden: zustimmendes Lachen des Wiedererkennens.
Neue Formen der Darstellung einer kooperativen und agilen Organisationskultur gesucht
Die Darstellungen der Kooperationsstrukturen aus dem Bereich der Holocracy-Konzepte arbeiten viel mit Kreisen - jeder Kreis ist jeweils in sich geschlossen. Diese Darstellungen erscheinen mir auch nicht weiterführend. Wir wollen ja darstellen, dass in unserem Arbeitsbereich prinzipiell alle Mitarbeitenden trotz Zuordnungen zu Teams, themenbezogenen Clustern oder Aufgabenfeldern mit allen anderen in immer wieder neuen Konstellationen kooperieren.
Auch die grafische Darstellung und Anordnung von Teamleitung ist herausfordernd: Sie hat einerseits die in der weiterhin gültigen Hierarchie angelegte Rolle, die Umsetzung von Aufträgen von "oben" zu gewährleisten. Gleichzeitig ist ihre Aufgabe, das "Herdfeuer" der gewandelten Arbeitskultur zu hüten und mit Brennstoff zu versorgen. Sie soll also gerade nicht hierarchisch agieren, sondern in der Mitte oder an der Seite stehen, den Überblick gewinnen, den Außenblick kultivieren und widerspiegeln. Gibt es Strukturen in natürlichen oder sozialen Organismen, deren Darstellung uns hier weiterbringt? Bilder zu Hirnstrukturen, zu (Kommunikations)Netzwerken finden sich vielfältig im Internet - sie kommen der Sache schon näher.
Wie geht es Ihnen damit - brauchen wir eine neue grafische Syntax von Organisationsdarstellungen in Zeiten von Kollaboration und Agilität? Sollten wir ganz auf Organigramme verzichten und - vergleichbar zu den Begriffswolken - nur noch die Namen der Mitarbeitenden in einer Mitarbeitendenwolke darstellen?