Wirkungsorientierung als Ausweg aus einer starren Outputlogik
Die gedankliche Einflugschneise öffentlicher Zuwendungsgeber beispielsweise, ist vor allem durch die Legitimation des Ressourceneinsatzes geprägt. Politische Entscheidungsträger sehen in dem Thema Wirkungsorientierung ein neues Steuerungspotenzial, das ihnen über unerwünschte Wirkungen einer reinen Outputsteuerung hinweg hilft. Im simpelsten Fall bedeutet das, dass die Leistung einer sozialen Einrichtung nicht primär an der Anzahl ihrer durchgeführten Maßnahmen (sogenannte Outputs) gemessen wird, sondern stärker daran, welchen Wirkerfolg ihre Maßnahmen in Hinblick auf die Problemlösung bei ihren Klientinnen und Klienten haben. Konkret am Beispiel von Maßnahmen zur Integration arbeitsloser Jugendlicher in den Arbeitsmarkt heißt das: Der Erfolg sozialer Träger wird an der Anzahl junger Menschen, die durch ihre Unterstützung im Nachhinein dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachgehen und nicht an der Anzahl der Bewerbungstrainings, die durchgeführt wurden, gemessen. Übergeordnetes Ziel ist hier, dass (begrenzte) öffentliche Gelder nur in solche Maßnahmen investiert werden, die auch positive Wirkungen zeigen.
Wirkungsorientierung als Spielwiese für neue Player
Für Investoren, Finanzmarktakteure und Intermediäre – als zum Teil neue Gattung auf der Wirkungswiese sozialer Dienstleistungen – ist das Thema Wirkungsorientierung hingegen vielfach mit neuen wirkungsorientierten Investitionsformen besetzt (Stichwort: Social Impact Bonds). Für sie liegt die Musik vor allem darin, neue Märkte und Finanzprodukte zu kreieren. Nicht zuletzt, weil der Dienstleistungssektor zu den am schnellsten wachsenden Bäumen auf der Wiese zählt. Dabei scheiden sich die normativen Geister. Und zwar zwischen rein zweckrationalen Akteuren, die pragmatisch der neu entdeckten Sozialmarktsaffinität ihrer Family-Office-Kunden gerecht werden wollen und sozial geprägten Investoren, die einfach sehen, wie viele Milliarden jährlich in nichtwertschöpfende oder sogar gemeinwohlschädliche Märkte fließen, weil soziale Märkte bisher zu wenig als lohnendes Investitionsobjekt wahrgenommen werden. Argumentiert wird, dass der Wunsch in sinnvolle Dinge zu investieren durchaus vorhanden sei, es hier bisher jedoch an passenden Investitionsprodukten mangele. Von oben betrachtet: Worum geht es hier? Im Wesentlichen doch darum, sozialen Mehrwert künftig einfacher in ökonomischen Mehrwert zu übersetzen. Sprich: Dass es sich auch ökonomisch lohnen soll, in sinnvolle Dinge zu investieren.
Wirkungsorientierung: Eine Frage der Perspektive und Deutungshoheit
Und gerade hier liegt Gut und Böse tatsächlich im Auge des Betrachters: Einerseits kann darin eine immense Chance gesehen werden. Die Chance den Großteil finanzieller Ressourcen, der bisher vielfach in reinen, von der Realwirtschaft entkoppelten Finanzmarktprodukten geparkt ist, um sich selbst zu mehren, in „echte“ soziale Mehrwertschöpfung zu bringen, indem es für soziale Investitionen genutzt wird. Ein möglicher Hebel hierfür wäre, die Kapitalrenditen auf eben diese sozialen Investitionen stärker auszuweiten.
Genau diese Ausweitung kann jedoch auch als ein Symptom einer zunehmenden Ökonomisierung des Sozialen interpretiert werden und die Frage gestellt werden: Brauchen wir das? Müssen wir den sozialen Mehrwert unseres Handelns in ökonomische Werte übersetzen können, um unser sozialwirtschaftliches Handeln und Wirken zu legitimieren? Wo führt uns das hin? Werden künftig privatwirtschaftliche – ergo demokratisch nicht legitimierte – Investoren maßgeblich darüber entscheiden, in welche Maßnahmen investiert wird? Beziehungsweise: Wer entscheidet künftig darüber, was „wichtige“ sozialpolitische (Wirkungs-) Ziele sind? Und wenn es tatsächlich so unendlich viele sozial motivierte Investoren in der Welt da draußen gibt, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, warum spenden sie ihr Geld nicht einfach?
Wirkung entsteht in Koproduktion
Aus Sicht von Praktikerinnen und Praktikern der Sozialwirtschaft, wirkt die derzeitige Debatte um Wirkungsorientierung auf dieser Metaperspektive womöglich etwas verkopft – wenn nicht sogar völlig realitätsfern. Schließlich sind sie es, die an der Quelle sitzen und die eigentliche Arbeit tun, um den Begriffsnebel aus Politik und Wirtschaft in echte Wirkung in der Praxis zu übersetzen. Womöglich schmunzelt der ein oder die andere darüber, dass die Sozialpolitik jetzt auf die Idee kommt, dass es doch gut sein könnte, sich an Wirkungen zu orientieren, die erzielt werden sollen, statt an Wirtschaftlichkeitsaspekten oder reinen Outputs. Denn für sie ist das nichts Neues: Wirkungsorientierung war und ist fester Bestandteil jeder fachlichen sozialen Arbeit. Schließlich ist das Ziel sozialer Arbeit vielfach, Menschen darin zu befähigen, Probleme anders zu lösen als bisher, ergo eine Wirkung im Sinne einer Veränderung zu ermöglichen. Aber eben: Zu ermöglichen, nicht zu steuern. Ein nicht zu vernachlässigender Unterschied. Nicht nur, weil es hier um die Grundhaltung sozialpädagogischer Arbeit geht, die eine grundsätzlich koproduktiv – ermöglichende und eben nicht paternalistisch – steuernde ist. Sondern auch, weil es die Frage nach der Messbarkeit der Wirkung zwar nicht obsolet macht, aber zumindest auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Und zwar auf einen durchaus fruchtbaren Boden. Denn wenn wir nicht den Anspruch erheben, soziale Wirkung mechanistisch durchsteuern zu wollen und gleichzeitig unsere eigenen normativen Vorbehalte und Sorgen mit Bedacht reflektieren, können wir wirklich etwas aus dem Thema machen. Voraussetzung dafür ist, dass wir nicht hinter jeder Hecke die neoliberale unsichtbare Hand fürchten, die künftig entscheidet, wie wir unsere Gesellschaft und das Soziale darin gestalten. Nichtsdestotrotz ist es durchaus ratsam, die unterschiedlichen Interessen an dem Thema kritisch zu beleuchten und neue Konzepte konsequent dahingehend zu überprüfen, ob sie im Ergebnis tatsächlich Potenzial haben, zu mehr positiver Wirkung beizutragen.
Wirkungsorientierung erwächst im Dialog mit den Klientinnen und Klienten
Um das bewerten zu können, kommen wir an einem wichtigen Punkt nicht vorbei: Nämlich einen adressaten- sprich: bürgerorientierten Dialog darüber, welche positiven Wirkungen eigentlich wünschenswert sind und wie wir unser soziales Leben in der Zukunft gestalten wollen. Und dann gilt es gemeinsam zu schauen, wie wir mit den Ressourcen, die wir haben, diese Ziele bestmöglich erreichen können. Denn das ist letztlich der Kern, worum es bei Wirkungsorientierung tatsächlich geht: Sich klar darüber zu werden, welche Wirkung man – sei es sozialpolitisch auf der Metaebene, landes- oder kommunalpolitisch, auf organisatorischer Ebene in Verbänden und Einrichtungen oder auf der Mikroebene in der direkten Zusammenarbeit mit dem einzelnen Klienten – erreichen will und dahingehend die vorhandenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Das erfordert Veränderung. Veränderung in den Verteilungsmechanismen der Sozialpolitik und des Sozialmarkts selbst, wie auch zwischen und innerhalb der Akteure der Sozialwirtschaft. Veränderung in Hinblick auf Handlungsweisen, Prozesse und Organisationsstrukturen, die es gilt (noch) wirkungsorientiert(er) auszurichten. Eine Veränderung, die durch eine gemeinsame Orientierung gesteuert werden kann: Nämlich die Vision, mit den vorhandenen Ressourcen noch mehr positive Wirkung erzeugen zu wollen, als bisher. Ob und wie das geht?
Das fragen wir uns auch. Machen Sie sich mit uns auf die Reise, das herauszufinden und kommen Sie mit uns in den Dialog – hier, unter wirkungsorientierung@drk.de oder Tel. +49 30 / 8 54 04 – 311 und diskutieren Sie mit in unserem Forum zum Thema „Wirkungsorientierte Steuerung: Der Weisheit letzter Schluss?“ am 31.01.2019 beim DRK-Wohlfahrtskongress »Wandel. Weitsicht. Wohlfahrt« in der Berliner Urania.
Kleine Anmerkung für Wissbegierige: Alle Neugierigen, die wissen wollen, worum es bei Social Impact Bonds eigentlich geht, finden hier einen schnellen Einstieg im Kurzinput Impact Investing und SIB.