Alle Deutschen sind ...

Zur Theorie und Praxis von Vorurteilen

"Alle Deutschen sind stinkfaul!" Dieser Satz beinhaltet alles was ein Vorurteil meist zum Ausdruck bringt. Eine emotional aufgeladene Verallgemeinerung in Bezug auf die scheinbaren Eigenschaften oder Merkmale einer bestimmten Gruppe. Auch wenn es manchmal schwer fällt es sich einzugestehen, wir alle haben Vorurteile, auch Menschen in der Sozialen Arbeit und auch ich. Letztlich geht es um die Frage einer "Vorurteilsbewussten Pädagogik". Davon handeln dieser Blogbeitrag und ein Artikel, den ich vor kurzem in einem Online-Lexikon veröffentlicht habe.

In Kürze

"Vorurteilsbewusste Pädagogik" kann als ein Sammelbegriff für pädagogische Ansätze und Konzepte verstanden werden, die unter anderem darauf zielen, Vorurteile als Mittel der Reflexion zu nutzen und davon ausgehen, dass Vorurteile nicht in ihrer Gänze abgebaut werden können. Eine allgemein gültige Definition und das „eine“ Konzept existieren nicht.

Zum Begriff Vorurteil

Bei Vorurteilen handelt es sich um Bilder über andere Personen als Angehörige von bestimmten Gruppen. Diese sind mit einer (meist negativen) Bewertung verbunden und können ein bestimmtes Verhalten nahelegen. Vorurteile sind immer im Kontext von strukturellen Bedingungen und gesellschaftlichen Prozessen zu betrachten. Vorurteile erfüllen verschiedene Funktionen wie beispielsweise „Orientierung bieten“, „Komplexitätsreduzierung“ oder „Machterhalt“. Vor diesem Hintergrund sind in der Pädagogik meist die Entwicklung einer vorurteilsbewussten Haltung und daran anschließend ein diskriminierungsfreies Handeln die angestrebten Ziele. Eine grundsätzliche Vorurteilsfreiheit ist aus dieser Perspektive – auch trotz der zur Verfügung stehenden Informationen gegenüber (einzelnen) Vorurteilen – nicht möglich.

Abgrenzungen Vorurteil, Stereotyp, Diskriminierung

Neben dem Begriff Vorurteil wird häufig auch der Begriff Stereotyp verwendet. Eine klare und allgemein anerkannte Unterscheidung existiert auch hier nicht. Jedoch lässt sich für den (pädagogischen) Alltag gut mit folgender Differenzierung arbeiten, die ein Beispiel verdeutlicht: „Alle Italiener essen Spaghetti“ kann als Stereotyp verstanden werden. Es ist eine (wenngleich auch falsche) sachliche Aussage ohne sprachlich-emotionalen Anteil. Wohingegen der Satz „alle Italiener sind Spaghettifresser“ als Vorurteil gelten kann, denn neben der beiden Sätzen innewohnenden Verallgemeinerung kommt hier im Besonderen eine starke (hier abfällige) Emotion zum Ausdruck.

Wichtig dabei ist: Vorurteile und Stereotype spielen sich im Inneren ab – im eigenen Kopf, sie strukturieren die eigene Wahrnehmung und legen ein Verhalten nahe. Erst wenn das Vorurteil dann beispielsweise in einem Gespräch oder Streit gegenüber anderen eingesetzt wird, wird von diskriminierendem Verhalten oder Handeln gesprochen. Von Diskriminierung wird daher immer erst gesprochen wenn eine Handlung ins Spiel kommt (vgl. Trisch, Oliver 2013, S. 98). Handlung kann dabei auch Sprache sein und bezieht unter Umständen auch unterlassene Handlungen mit ein.

Wenn Sie mehr wissen wollen …

… sind sie herzlich eingeladen den vollständigen Artikel zum Stichwort „Vorurteilsbewusste Pädagogik“ (Trisch, Oliver 2019) zu lesen, den ich vor kurzem in einem Online-Lexikon veröffentlicht habe. In dem Artikel wird neben einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Begriff auch auf den (kritischen) Umgang mit Vorurteilen in der Praxis eingegangen.

Das socialnet Online-Lexikon mit dem Schwerpunkt Sozial- und Gesundheitswesen befindet sich gerade im Aufbau und beinhaltet mit Stand vom 8. August 2019 bereits 186 Artikel, 244 Abkürzungen und 542 Begriffe - 1.584 weitere Begriffe sind in Arbeit.

Literatur

Trisch, Oliver (2019). Vorurteilsbewusste Pädagogik. Bonn. Socialnet-Lexikon. Online Ressource: https://www.socialnet.de/lexikon/Vorurteilsbewusste-Paedagogik

Trisch, Oliver (2013). Der Anti-Bias-Ansatz: Beiträge zur theoretischen Fundierung und Professionalisierung der Praxis. Stuttgart: Ibidem-Verlag.