Wer Medikamente braucht, hohes Fieber oder starke Schmerzen hat, geht zum Arzt. Was aber, wenn es vor Ort keinen gibt? In ländlichen Regionen nimmt die Zahl der Hausärzte kontinuierlich ab. Fachärzte gibt es nur noch in größeren Städten. Je nach Wohnort ist man dorthin jedoch stundenlang unterwegs.
"Hilfebedürftigen bleiben da nur zwei Alternativen", sagt Andreas Ring, Vorstand des DRK-Kreisverbands Wolfenbüttel. "Sie versuchen irgendwie alleine klarzukommen und riskieren, dass aus leichten Krankheiten chronische werden. Oder sie rufen den Rettungsdienst." Der aber ist nur für lebensbedrohliche Situationen gedacht und durch stetig steigende Einsatzzahlen ohnehin überlastet.
Sie kommen zum Arzt – Beratung kommt zu Ihnen
"Wir haben überlegt, was wir als Rotes Kreuz tun können", so Ring.
Herausgekommen ist das Sozio-Med-Mobil (SMM), ein innovativer Mobilitäts- und Beratungsservice, den das DRK seit einigen Monaten erprobt. Unter dem Motto "Sie kommen zum Arzt – Beratung kommt zu Ihnen" bietet es in der Samtgemeinde Elm-Asse, einem Verband von zwölf Gemeinden im Landkreis Wolfenbüttel, kostenfreie Fahrten zu Ärzten, Therapeuten, Optikern oder Hörgeräteakustikern. Auch wer einen Termin im Rathaus hat, kann auf das SMM zählen.
Zielgruppe sind Menschen mit Behinderung, von Armut Betroffene, Geflüchtete oder chronisch Kranke – rund 2 000 Personen in der Samtgemeinde, die für solche Transporte keine Erstattung von der Krankenkasse erhalten und nicht mobil sind. "Die Organisation eines medizinischen Fahrdienstes stellt für uns kein Problem dar", erläutert Ring. "Schließlich verfügen wir über vierzig Jahre Erfahrung im Rettungsdienst und in der ambulanten Pflege."
Dreh- und Angelpunkt des Modellprojekts, das vom Europäischen Sozialfonds und der Stiftung Zukunftsfonds Asse gefördert wird, ist das Internet-Portal. Mit wenigen Klicks können sich Nutzer registrieren. Wer über keinen Internet-Anschluss verfügt oder mit dem Computer nicht gut zurechtkommt, dem helfen so genannte Kümmerer. Das können Nachbarn, Familienmitglieder oder Ehrenamtliche sein, die die Fahrten eine Woche vor dem Termin online buchen. So stärkt das Projekt ganz nebenbei auch das Sozialgefüge in der Region.
Ein weiterer Vorteil des web-basierten Services: Kümmerer müssen nicht unbedingt in der Region wohnen. "Auch das in Berlin lebende Enkelkind kann die Buchung übernehmen", erklärt Projektmitarbeiterin Inna Ekkert. "Wichtig ist nur, dass dies eine Woche vor dem Termin geschieht, damit wir die Fahrtroute planen können. Akut-Transporte sind somit ausgeschlossen."
Die Im-Bus-Sprechstunden, ein Treffpunkt für alle
Jeden Donnerstag fährt das Sozio-Med-Mobil auf einer festen Route zudem die Dörfer der Samtgemeinde Elm-Asse an. Ziel dieser Im-Bus-Touren ist es, Anlaufstelle für die Dorfbewohner zu sein. Neben Informationen rund um das Projekt führt das Fahrzeug Formulare wie zum Beispiel Anträge auf Kindergeld oder Sozialhilfe mit, so dass die Bewohner den Weg ins Rathaus nicht auf sich nehmen müssen. Ob Seniorengymnastik, Ergotherapie oder Deutschkurs – gern vermittelt das Team Angebote des DRK und anderer Träger. „Viele kommen auch nur auf einen Klönschnack vorbei“, so Ekkert. „Unsere Im-Bus-Sprechstunden haben sich zu richtigen Treffpunkten entwickelt.“
Das auf zwei Jahre angelegte Modellprojekt wurde so konzipiert, dass es leicht auf andere Regionen übertragbar ist. Schon jetzt liegen Anfragen mehrerer DRK-Kreis- und Landesverbände vor. Denn angesichts der sich immer deutlicher abzeichnenden sozialen und gesundheitlichen Versorgungslücken im ländlichen Bereich werden neue Lösungen dringend gesucht.
Text aus Rotkreuzmagazin 3-2018