“In der Pflege geht es um weitaus mehr, als die Pflegebedürftigen satt und sauber zu bekommen. Sie sollen mit Freude beschäftigt und gefördert werden.”
Mit diesem Satz steigt Ines Streuber, Mitarbeitende der DRK-Tagespflegeeinrichtung in der Bärteichpromenade im Herzen von Köthen, in unser Gespräch ein. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass der Alltag in Pflegeeinrichtungen manchmal sehr trist sein kann:
“Meine Mutter war früher in einer Einrichtung, in der sie den ganzen Tag nur am Tisch saß, ohne sich zu bewegen. Aber es kann doch nicht sein, dass die Seniorinnen und Senioren, die meiste Zeit nur sitzen und die Bewegung nicht gefördert wird!"
Dem wollte Ines Streuber entgegenwirken. Um den pflegebedürftigen Menschen ihrer eigenen Tagespflegeeinrichtung zu mehr Spaß und Lebensqualität durch Bewegung zu verhelfen, testete der DRK-Kreisverband Köthen 2018 erstmals das Bike Labyrinth.
Entwickelt wurde das Bike Labyrinth im Rahmen eines studentischen Projekts an der Universität Leiden in Holland. Das Konzept ist einfach: Ein Bildschirm wird mit einem Home- oder Bewegungstrainer verbunden. Während man im eigenen Tempo strampelt, kann mithilfe des Bike Labyrinths fast die komplette Welt bereist werden. Ob nun eine sonnige Radtour durch Berlin, eine abenteuerliche Safari durch Südafrika oder eine gemütliche Fahrt durch das alte Heimatdorf – mit dem Bike Labyrinth schafft die Pflegeeinrichtung im Kreisverband Köthen neue virtuelle und gemeinschaftlich geteilte Erfahrungsräume im Pflegealltag.
Ein sogenanntes Trimmrad steht auch heute noch im Gemeinschaftsraum der Einrichtung. “Wenn eine Person auf dem Rad sitzt, sitzen die anderen meist auf den Sofas drum herum und können über die jeweilige Tour diskutieren, denn viele der Pflegebedürftigen waren noch nie in den Städten und Ländern, die sie durch das Bike Labyrinth nun bereisen können”, so Ines Streuber. Die rotierende Bewegung ist nicht nur gut für die Gelenke und führte dazu, dass beispielsweise auf Knieschmerzmittel verzichtet werden konnte. Durch die virtuellen Touren wird außerdem das Gehirn angesprochen: “Die Seniorinnen und Senioren erinnern sich an frühere Urlaubsreisen und Sehenswürdigkeiten, die sie besichtigt haben, sind motivierter, sich täglich zu bewegen, und auch die Gemeinschaft wird gefördert.”
Anderen DRK-Gliederungen, die ein ähnliches Projekt umsetzen wollen, rät Ines Streuber ebenfalls eine zweiwöchige Testphase zu durchlaufen: “Nur so kann sichergestellt werden, dass das Bike Labyrinth zu der jeweiligen Einrichtung und den Krankheitsbildern der Gäste passt.” Mit Unterstützung des Teams Finanzierung und Impact des DRK-Generalsekretariats informierte sich Ines Streuber nach der Testphase über verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten. Neben der Finanzierung durch die Kompetenzzentren Digitalisierung wurden zusätzliche Spendengelder durch eine Crowdfunding-Kampagne über betterplace.org akquiriert. Obwohl dies sehr zeitaufwendig war, haben sich die Mühen gelohnt – denn aus den freiwilligen Spenden sind noch Gelder übrig, mit denen in Kürze ein zweites Trimmrad angeschafft werden soll.
Ines Streuber ist nach wie vor begeistert, wie motiviert und ausdauernd die Bewohnerinnen und Bewohner der Tagespflegeeinrichtung in Köthen das Bike Labyrinth nutzen. Auch ihre Mutter ist mittlerweile in ihrer Einrichtung und sitzt mit ihren 90 Jahren regelmäßig auf dem Rad – auf virtueller Entdeckungsreise durch neue und bereits vertraute Orte.
Wenn Sie noch Fragen haben oder mehr Informationen zur Umsetzung des Projekts Bike Labyrinth erhalten möchten, dann wenden Sie sich an Jennifer Geiser (Kompetenzzentren Digitalisierung, j.geiser(at)drk(dot)de) oder Ines Streuber (Tagespflege Kreisverband Köthen e.V., tagespflege@drk-koethen.de).
Sie können sich vorstellen selbst ein solches Projekt umzusetzen? Dann besuchen Sie unsere Projektseite! Dort haben wir den Implementierungsprozess, Finanzierungsformen und praktische Hinweise zusammengefasst.