Unaufgeregt und mit idyllischem Blick auf Weizenfelder empfängt uns der Gebäudekomplex des BMFSFJ in Bonn. Trotz der räumlichen Entfernung zum hektischen Tagesgeschäft der Bundespolitik erwarteten uns am 05. und 06. Juni 2019 Inputs und anregende Diskussionen zu grundsätzlichen Fragen der Migrationsberatung: Welche Herausforderungen, Entwicklungen und Bedarfe gibt es aktuell in der Beratungslandschaft und wie kann diesen begegnet werden?
Im Rahmen der Fortentwicklung des
Nationalen Aktionsplans Integration (NAP-I) waren Nadja Hitzel-Abdelhamid und ich eingeladen, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, anderen Wohlfahrtsverbänden, Migrantenorganisationen und Personen aus der Beratungspraxis zu diesen Fragen zu diskutieren. Bereits mit der Einladung zum Themenforum wurden zwei Schwerpunkte gesetzt, in denen aktuell viel Bewegung ist:
- Formen des Zugangs zur Zielgruppe der Migrationsberatung im Bereich der Onlinekommunikation
- stärkerer Einbezug von Migrantenorganisationen.
Beratung dort anbieten, wo die Menschen sind: im Netz
Neben den beiden Onlineberatungen
mbeon und
jmd4you der Bundesförderprogramme
MBE und
JMD gab das Projekt
mb4.0 einen Einblick in eine alternative Form der „aufsuchenden Onlineberatung“. Alle vorgestellten Angebote verstehen sich nicht als Konkurrenz, sondern als ergänzende Angebote zur Präsenzberatung in einer Beratungseinrichtung. Zusätziche Onlineangebote sollen diese nicht ersetzen sondern kürzere Wege der Kommunikation schaffen, über Falschinformationen im Netz aufklären und Zugangsbarrieren abbauen.
Die sich anschließenden Workshops „Zugangswege zur Online-Beratung“, „Vielfalt der Angebote/Möglichkeiten der Bündelung“ und „Entwicklungsperspektiven" luden ein zur Diskussion. Es wurde deutlich, dass die Beratungslandschaft diese "neue" Beratungsform trotz fortschreitender Digitalisierung der Gesellschaft noch nicht durchdrungen hat und die Diskussion um solche Angebote noch am Anfang steht. Wie oft bei der Einführung „neuer“ Angebote entsteht das Bedürfnis nach Professionalisierung und Einordnung in das bestehende System. Relevante Fragen der Teilnehmden drehten sich daher um terminologische Klärungen bzgl. Begrifflichkeiten (Erst-/Verweisberatung vs. qualifizierte Beratung), Qualität und Standards in der Onlineberatung und um die Identifikation der Bedürfnisse der Zielgruppe.
Auch die Grundsatzfrage der Bündelung von Bund- und Länderprogrammen und einer optimierten Steuerung von Angeboten im kommunalen Integrationsmanagement wurde angesichts „dezentraler“ Onlineangebote in fast allen Workshops diskutiert.
Mehr Beteiligung von Migrantenorganisationen
Am zweiten Tag diskutierten wir den stärkeren Einbezug von Migrantenorganisationen in die Migrationsberatung. Zentrale Forderung der anwesenden Migrantenorganisationen war die Aufnahme in die MBE- und JMD-Programmförderung des Bundes.
Hierfür wird aktuell ein Modellprojekt ab 2020 geplant, in dem der Verband der interkulturellen Wohlfahrtspflege (VIW) seine eigene Beratungspraxis in der Migrationsberatung professionalisieren, Qualitätsstandards entwickeln und die eigene Rolle in der Beratungslandschaft definieren möchte. Auch die aktuelle Studie des DEZIM – Instituts zu
wohlfahrtspflegerischen Leistungen von säkularen Migrantenorganisationen in Deutschland möchte einen Beitrag zum stärkeren Einbezug von Migrantenorganisationen in die Förderlandschaft im Wohlfahrtsbereich leisten.
In einem Worldcafé wurden die unterschiedlichen Perspektiven von Bund, den MBE- und JMD-Trägern und der Migrantenorganisationen diskutiert. Auch wenn die Einbeziehung von Migrantenorganisationen aktuell noch in
einzelnen Feldern der Wohlfahrtspflege diskutiert wird, so wird spätestens mit der Studie des DEZIM-Instituts deutlich, dass der Diskurs in alle Bereiche der Wohlfahrtspflege getragen wird. Hier sind wir alle eingeladen, in den bereichsübergreifenden Diskurs einzusteigen.