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Digitale Fachtagung „Containersammlung – neu denken“ setzte neue Impulse zur Weiterentwicklung von gemeinnütziger Altkleidersammlung und bot Raum für lebendigen Diskurs

Die weltweite Bekleidungsindustrie krankt und das wirkt sich drastisch auf die gemeinnützige Altkleider-Sammlung in Deutschland aus. Auf der digitalen Fachtagung „Containersammlung – neu denken“ erhielten rund 35 Mitarbeiter*innen mit Fachexpertise sowie Führungskräfte des DRK externen Input zu kreislauffähigen Produkten, zielgruppenorientierter Sortierung und möglichen Lösungswegen aus der Krise. Ziel ist es, Potenziale und Synergien zu identifizieren, um caritative Sammlungen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Denn nur so haben Menschen auch weiterhin den Zugang zu günstiger Kleidung und die Chance auf Teilhabe an unserer Gesellschaft.

Die lange Reise eines Kleidungsstücks bis es zur Spende wird 

Gespendete Kleidung, die in unseren Altkleidercontainern landet, hat in der Regel einen langen Weg hinter sich. Vom Rohstoff zum Kleidungsstück durchläuft sie weltweit viele Stationen: von der Baumwollproduktion in den USA, über die Garnherstellung in der Türkei, bis hin zur Konfektionierung in Bangladesch. Im Durchschnitt legt ein handelsübliches Kleidungsstück 34.225 km zurück, bevor es in unseren Läden in Deutschland zum Verkauf angeboten wird. Dort wird es dann von Konsumenten erworben und getragen, bis es anschließend für die DRK-Sammlung gespendet wird.  

Sammler von Secondhand-Ware sind von Modeindustrie und Konsumverhalten stark abhängig 

Produktion, Konsumverhalten und Altkleidersammlung hängen eng zusammen. Viele Trends der letzten Jahre im Textilhandel schlagen sich radikal in der Sammlung von Secondhandware nieder. Die Fast-Fashion Branche boomt. Es wird immer schneller und mehr Ware in schlechter Qualität produziert. Laut einer Studie von Greenpeace hat sich die Produktion von 2000 bis 2014 auf 100 Milliarden Kleidungsstücke verdoppelt. Marktführer wie Zara und H&M bieten jedes Jahr bis zu 24 Kollektionen an. 

In unseren Containern landet also immer mehr Kleidung mit konstant schlechter Qualität. Daher können wir die Spenden oftmals weder an Menschen mit Unterstützungsbedarf weitergeben, noch von dem Verkaufserlös unsere sozialen Angebote finanzieren.  

Die Corona-Krise wirkt wie ein Beschleuniger auf die bereits angeschlagenen Altkleiderbranche 

Der Markt für Alttextilien ist seit Beginn der Corona-Krise und der damit einhergehenden Einschränkungen zeitweise eingebrochen. Während deutschlandweit die Menge an gespendeter Kleidung stieg, sank gleichzeitig die Nachfrage. 

Viele Menschen in Deutschland nutzen die Zeit während des Lockdowns, um ihre Kleiderschränke auszumisten. Wegen des coronabedingten Handelsverbots mussten die DRK-Kleiderläden und -kammern vorrübergehend immer wieder schließen. Absatzmärkte im In- und Ausland brachen ein, wodurch Verwertungsunternehmen ihre Betriebe kurzfristig einstellten und ihre Mitabreitenden in Kurzarbeit schickten. 

All das führte dazu, dass die Sammelmenge in den Containern rapide anstieg, diese aber nicht zeitnah und regelmäßig geleert werden konnten. Vielerorts wurden die Verträge von Seiten der Verwertungsunternehmen sogar aufgelöst und es mussten neue Vertragspartner gefunden werden. Die Orts- und Kreisverbände bemühten sich, durch das Anmieten neuer Lagerflächen, der Masse an gespendeter Kleidung gerecht zu werden. Trotzdem mussten vereinzelt auch Container geschlossen und abgebaut werden. 

Kollektiv gegen das marode System der Kleidungsindustrie

Für uns als gemeinnützige Organisation hat es Priorität, Menschen mit geringem Einkommen auch in Zukunft mit modischer und guterhaltener Kleidung zu versorgen. Dafür ist es wichtig unsere Altkleidersammlung zu erhalten und weiterzuentwickeln. 

Wie sich anhand der Reise der Kleidungsstücke zeigt, ist die Kleidungsindustrie komplex und in vielen Bereichen intransparent. Um hier etwas bewegen und verändern zu können, braucht es möglichst viele Akteure aus allen Bereichen der Fashion Industrie, die gemeinsam im Schulterschluss zusammenarbeiten. Nur im Kollektiv sind wir den zukünftigen Herausforderungen gewachsen. Es gilt insbesondere gemeinsam Zusammenhänge zu identifizieren, Transparenz einzufordern und zu schaffen, Kooperationspartner*innen zu finden und neue Geschäftsfelder zu erschließen.  

 
Cradle to Cradle NGO: Frische Impulse für die Textilindustrie 
Sprecherin: Isabel Gomez, Senior Referentin für Kommunikation 

Den Herausforderungen des Klimaschutzes begegnet „Cradle to Cradle“ mit einem ganzheitlichen Ansatz. Für sie müssen Produkte nicht nur kreislauffähig sein, auch die geplante Nutzung, die Verwendung von gesunden Materialien, die Verwendung von erneuerbaren Energien bei der Produktion und fairen Arbeitsbedingungen müssen mitgedacht werden. „Wir sehen Menschen vor allem nicht als „Schädlinge“, sondern als „Nützlinge“, die nicht schlecht, sondern sehr gut handeln können“, sagt Isabel Gomez, Senior Referentin für Kommunikation bei Cradle to Cradle. 

Die Organisation ist vor allem eine Denkschule. Sie unterstützt Unternehmen, Kommunen, Politik und Gesellschaft, sich den Themen rund um die Kreislaufwirtschaft anzunehmen. Dazu bieten sie Bildungsmaterialien sowie Beratung an und tragen durch das Verbreiten ihrer Inhalte über ihre Kanäle zur öffentlichen Debatte bei. 

In der Theorie klingt das gut. Aber wie können wir uns das konkret vorstellen? Und was bedeutet das für die Altkleidersammlung, wenn wir zukünftig komplett auf kreislauffähige Produkte umstellen?  

„Das Stichwort lautet Materialgesundheit!“, sagt Isabel. Durch kreislauffähige Produkte könne sich die Qualität der Materialien, die für unsere Bekleidung verwendet wird, deutlich verbessern. Mischgewebe mit Polyester, zum Beispiel, könnten komplett entfallen, da man diese nicht wieder aufbereitet kann und ihre Produktion die Umwelt oft schwer belastet. Das hieße, die Qualität der Spenden in unseren Containern würde steigen. Alles, was nicht wiederverwendet werden kann, fände als wertvoller Rohstoff viele Abnehmer. 

VinoKilo: Mit Vintage Kleidung und Pop-up-Events gegen den Turbokonsum 
Sprecher: Robin Balser, Gründer und CEO

VinoKilo ist ein Unternehmen, das bei Pop-Up-Events Second-Hand-Kleidung vertreibt. Die Kleidung wird per Kilopreis verkauft. „Gestartet“, erzählt Robin Balser, der Gründer von Vinokilo, „hat alles mit einem Wohnzimmerverkauf. Aber mittlerweile sind wir mit Vinokilo so erfolgreich, dass wir unsere Events auf den europäischen Raum ausgeweitet haben.“ Jedes Jahr veranstaltet VinoKilo rund 800 Events in etwa 145 Städten und zählen dabei im Durchschnitt 2000 bis 3000 Besucher*innen pro Event. Die Veranstaltungen sind bei einer Zielgruppe zwischen 18 und 35 Jahren sehr beliebt. „Viele davon kommen durch die Events das erste Mal mit Secondhand-Ware in Berührung“, verrät uns Robin. Seit 2018 sind ausgewählte Kleidungsstücke auch im Vinokilo Onlineshop erhältlich. 

Was ist also das Erfolgsrezept von Vinokilo? Dank einer ausgefeilten Sortierung hat das Unternehmen eine Abverkaufsrate von 97 Prozent. Anhand von 20 bis 30 Kategorien, die durch intensives Testen festgelegt wurden, wird bereits beim Ankauf der Secondhand-Kleidung darauf geachtet, dass die Ware genau ins Sortiment passt. Es ist wichtig, die Qualität und die Preise der Kleidung konstant zu halten, um jungen Leuten eine wirkliche Alternative zu Fast Fashion zu bieten. 

Schon in den Anfängen nutzte Vinokilo Social-Media-Kanäle, um die Pop-Up Events zu bewerben. „Über Facebook verbreiteten sich unsere Events rasend schnell und bereits beim ersten Kiloabverkauf standen Menschen vor unserer Tür Schlange“, berichtet Robin. „Unser Online-Marketing haben wir sukzessiv ausgebaut. Über Facebook, Instagram, Twitter und Youtube wird nicht nur die Ware, sondern auch eine Weltanschauung transportiert.“ In bunten Modefotos werden Themen wie Diversität, Body Positivity und nachhaltiges Konsumverhalten verpackt. Damit trifft Vinokilo den Nerv der Zeit! Junge Menschen werden hier, mithilfe von gesellschaftlich relevanten Themen, gezielt über die richtigen Kanäle angesprochen. 

FairWertung: Krise und kein Ende? 
Sprecher: Thomas Ahlmann, Geschäftsführer

Der Dachverband FairWertung ist der bundesweite Zusammenschluss gemeinnütziger Organisationen, die Kleidersammlung nach festen Standards durchführen. FairWertung engagiert sich für die Stärkung der gemeinnützigen Kleidersammler*innen, für mehr Transparenz auf dem Kleidermarkt und für einen verantwortlichen Umgang mit gespendeten Textilien. 

In Deutschland werden jährlich über eine Million Tonnen Alttextilien abgegeben. Das sind ungefähr zwei Milliarden Kleidungsstücke. Sammelbehälter sind dabei, mit über 80 Prozent Erfassungsanteil, die meistgenutzte Erfassungsform. Außerdem sind die Deutschen ein spendenfreudiges Volk, denn laut FairWertung sind über 80 Prozent gewillt, mit ihren aussortierten Textilien, gemeinnützige Organisationen zu unterstützen. Und trotzdem befindet sich der Alttextilmarkt in einer strukturellen Krise. Durch Mengen- und Qualitätsprobleme sowie Kostensteigerung arbeiten Kleidersammlerinnen und Kleidersammler an oder unter der Wirtschaftlichkeitsschwelle.  

„Wir befinden uns in einer Umbruchphase“, bestätigt uns Thomas Ahlmann, Geschäftsführer von FairWertung. „Aber es gibt auch die große Chance, dass Secondhand das neuen „Normal“ werden könnte.“ Auch FairWertung ist sich bewusst, dass die caritative Sammlung stabilisiert und optimiert werden muss. Eventuell braucht es auch neue alternative Erfassungssysteme. Aber ein wichtiger Faktor bleibt, dass wir nur mit einem Umdenken im Konsumverhalten und gemeinsam die Herausforderungen angehen können. 

Es gibt keinen Plan B 

Das Ziel ist klar: Alle Menschen haben das Recht in Zukunft auf einem intakten Planeten zu leben und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Deswegen müssen wir die Klima- und Ressourcenkrise gleichbehandeln und zusammen denken, denn Problem und Ursache sind gleich. Das trifft auch auf die Modebranche zu. Wir müssen hier gemeinsam für Teilhabe von allen Menschen, kreislauffähige Produkte, bessere Arbeitsbedingungen, nachhaltigeren Konsum einstehen und kämpfen. Davon können am Ende alle profitieren. 

Autorin
Natascha Baumhauer | Referentin für textile Kreislaufwirtschaft und digitale Iniativen

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