Testung von sozialen technologischen Innovationen
Ausprobieren von VR-Brillen

Herausforderungen von Wohlfahrtsverbänden im digitalen Zeitalter – Ergebnisse der Umfrage zur Digitalisierung im DRK

Im Rahmen einer Evaluation der Kompetenzzentren Digitalisierung wurde im Sommer 2020 die Akzeptanz von sozialen technologischen Innovationen von 437 ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden des DRK gemessen.

Das durch das BMFSFJ geförderte Modellprojekt „Wandel. Wohlfahrt. Digitalisierung – Kompetenzzentren des DRK“ verfolgt im Rahmen einer Personal- und Organisationsentwicklung den Ansatz einer internen Beratungseinheit. Ein Ziel ist die Befähigung der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden zur Mitgestaltung der digitalen Transformation im DRK und darüber hinaus in der Zivilgesellschaft, indem die Mitarbeitenden soziale technologische Innovationen bei ihrer Tätigkeit sinnvoll nutzen. Dazu bieten die Beratenden der Kompetenzzentren Unterstützung zu Digitalisierungsfragen und bei der Einführung und Durchführung von digitalen Pilotprojekten in einzelnen Einrichtungen und den verschiedenen verbandlichen Gliederungsebenen des DRK an. 

Soziale technologische Innovationen 

Eine Innovation ist eine Idee, eine Praxis oder ein Objekt, die bzw. das als neu wahrgenommen wird, abhängig von der Einstellungsbildung, der Annahme oder Ablehnung, eines Individuums. Soziale technologische Innovationen beziehen sich auf die Neuausrichtung sozialer Praktiken unter dem Einsatz neuer technologischer Lösungen mit dem Ziel Bedürfnissen besser zu begegnen.  

Das digitale Zeitalter ist geprägt von ständigen Veränderungsprozessen durch die Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche und einem damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel. Der alltägliche Umgang mit Computern, Smartphones, dem Internet und vielem mehr ist für die meisten Menschen in Deutschland kaum mehr wegzudenken. So verlagert sich beispielsweise das Angebot von Informationen zu sozialen Dienstleitungen immer mehr auf Webseiten. Nicht alle Mitglieder unserer Gesellschaft können digitale Lösungen, wie das Internet, problemlos nutzen. Ihnen fehlt der Zugang dazu und es entsteht eine “digitale Kluft” zu den Personengruppen in unserer Gesellschaft, denen eine Anpassung an die veränderten Bedingungen im 21. Jahrhundert schwerfällt. So schließt gesellschaftliche Teilhabe immer mehr digitale Teilhabe ein. Lösungsvorschläge, wie aktuellen Herausforderungen begegnet werden kann, gibt es zu Genüge. Ein Beispiel für eine Herausforderung ist die Isolation von Menschen mit Mobilitätsbeschränkungen im ländlichen Raum. Digitale Hilfsmittel können soziale Arbeit erleichtern. Dafür müssen von allen Beteiligten gemeinsam ethisch vertretbare Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit diese Hilfsmittel auch eingesetzt werden können. Dazu gilt es, soziale technologische Innovationen als Chance zu nutzen, um den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden. Ein ausschlaggebender Erfolgsfaktor dafür ist die Akzeptanz von sozialen technologischen Innovationen aller Beteiligten als Wendepunkt im Veränderungsprozess. 

Frieder Unselt/ DRK

Veränderungsakzeptanz 

Akzeptanz ist die Bereitschaft, einen Sachverhalt wohlwollend hinzunehmen. Neben der zeitpunktbezogenen Akzeptanz interessiert die Veränderung der Akzeptanz im Laufe der Zeit durch Erfahrung und Lernen oder eine Änderung der (Ausgangs-)Situation.

Die Akzeptanz von Veränderungen ist eine Voraussetzung zur Anpassung an neue Verhaltens- und Arbeitsweisen. Dabei spielen sowohl die eigenen individuellen Fähigkeiten als auch organisationale Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. 

Grafik zu Veränderungsphasen nach Streich: Ausgangspunkt (Herausfordernde und neuartige Veränderung) ist die Wahrgenommene persönliche Kompetenz zur Changesteuerung 1. Schock (Große Differenz zwischen eigenen und fremden hohen Erwartungen und eingetroffener Realität, 2. Verneinung (Überhöhte Selbsteinschätzung der eigenen Verfahrens- und Verhaltenskompetenz (Selbstbild)), 3. Einsicht (in die Notwendigkeit von neuen Verfahrens- und Verhaltensweisen), 4. Akzeptanz (der Realität und Verlassen alter Verfahrens- und Verhaltensweisen (Angleichung von Selbst- und Fremdbild), 5. Ausprobieren (und Suchen neuer Verfahrens- und Verhaltensweisen. Erfolge - Misserfolge), 6. Erkenntnis (warum gewisse Verfahrens- und Verhaltensweisen zum Erfolg führen und andere zum Misserfolg), 7. Integration (Übernahme erfolgreicher Verfahren- und Verhaltensweisen ins aktive Handlungsrepertoire. Konsolidierung und Startpunkt für neue herausfordernde Veränderung)

Ergebnisse der Umfrage 

Die meisten ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden, die die Umfrage zur Digitalisierung im DRK beantwortet haben, weisen eine hohe Akzeptanz von sozialen technologischen Innovationen auf. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen auf, dass die Teilnahme an einer Projektberatung und/oder -begleitung der Kompetenzzentren Digitalisierung die Akzeptanz positiv beeinflussen kann, indem es eine erhöhte soziale Partizipation bei den Beteiligten gibt. 

Soziale Partizipation ist die Beteiligung an formellen und informellen sozialen Aktivitäten von Nonprofit-Organisationen. Sie bietet mehr Möglichkeiten für zwischenmenschlichen Kontakt und begünstigt damit einen höheren Austausch von Ideen und Ressourcen innerhalb von Beziehungsgeflechten.

Um den Herausforderungen des digitalen Zeitalters als Wohlfahrtsverband begegnen und die sich ergebenden Chancen sinnvoll nutzen zu können, müssen organisationale Rahmenbedingungen im Sinne einer lernenden und agilen Organisation geschaffen werden. Durch positive Erfahrungen mit neuen Verhaltens- und Arbeitsweisen wird eine Akzeptanz von Innovationen bei den Mitarbeitenden erlangt und gefestigt. So wird das Risiko einer Ablehnung verhindert, damit sowohl die Mitarbeitenden als auch das DRK als gesamte soziale Struktur weitere Veränderungsphasen durchlaufen können. Bei über 623.000 ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden im DRK sind die Berührungspunkte mit den Kompetenzzentren Digitalisierung begrenzt. Deshalb ist es unabdingbar, Strukturen zu schaffen, die flächendeckend die gleichen Effekte erzielen, wie Teilnahmen an Projektberatungen und/oder -begleitungen. 

Katharina Puche/ DRK

Team der Kompetenzzentren Digitalisierung

Netzwerke und Ehrenamtliche 

Die Stärke eines sozialen Netzwerkes hat einen positiven Einfluss auf die Einstellung zum Wissensaustausch im Kontext von Organisationen. Ein notwendiger gesamtverbandlicher Effekt kann erst dann erzielt werden, wenn ausreichend viele Mitarbeitende sich untereinander zu konkreten Herausforderungen austauschen und ihr Wissen miteinander teilen.  Die Ergebnisse der Evaluation haben gezeigt, dass es für eine nachhaltige Transformation wichtig ist, Strukturen zu schaffen, in denen Innovationen „erfahrbar” gemacht werden. Dazu gehören neben Projektberatungen und/oder -begleitungen durch die Kompetenzzentren auch die Teilnahme an Veranstaltungen und Schulungen sowie weiteren Angeboten der einzelnen DRK-Mitgliedsorganisationen, die soziale Partizipation und einen Austausch ermöglichen. Deshalb wird der weitere Ausbau von Netzwerken empfohlen, um Mitarbeitenden eine Plattform zu geben, Digitalisierungsthemen in den Gesamtverband zu tragen, diese zu diskutieren und mitzugestalten. Dabei sollte ein besonderer Fokus auf die über 443.000 Ehrenamtlichen gelegt werden, da sie einen ausschlaggebenden Einfluss im organisationalen Netzwerk ausüben und gerade durch die Freiwilligkeit ihrer Tätigkeit ihre Veränderungsakzeptanz eine entscheidende Rolle bei der digitalen Transformation  der Wohlfahrtsverbände und damit der gesamten Freien Wohlfahrtspflege spielt.

Wollen Sie ein Teil des DRK-internen Netzwerks "Social Innovation Community" werden? Dann melden Sie sich gerne im Kompetenzzentrum Digitalisierung bei Jennifer Geiser. 

Bei Fragen zu den Ergebnissen der Umfrage im Rahmen der Masterarbeit „Change-Management in Wohlfahrtsverbänden im digitalen Zeitalter – Am Beispiel des Deutschen Roten Kreuzes“ wenden Sie sich gerne an Violetta Riedel. 

Quellen

Dr. Sabine Skutta, Dr. Joß Steinke, et al.: Digitalisierung und Teilhabe: Mitmachen, mitdenken, mitgestalten! (Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2019)

E. M. Rogers: Diffusion of innovations (New York, London: Free Press; Collier Macmillan, 1983)

 J. Howaldt und H. Jacobsen: Soziale Innovation: Auf dem Weg zu einem postindustriellen Innovationsparadigma (Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010)

O. Bendel: 350 Keywords Digitalisierung (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2019)

R. K. Streich: Fit for Leadership (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2016)

M. Mohseni und M. Lindstrom: Social capital, trust in the health-care system and self-rated health: The role of access to health care in a population-based study (Soc. Sci. Med., Nr. 64, 2007)

W. S. Chow und L. S. Chan: Social network, social trust and shared goals in organizational knowledge sharing (Information & Management 45, Nr. 7, 2008)